Hofer: "Ich hätte auf
die Experten gehört"

Alle Maßnahmen lockern und zum normalen Leben zurückkehren, fordert FPÖ-Obmann Norbert Hofer. Das Coronavirus werde uns so oder so bleiben.

von Politik - Hofer: "Ich hätte auf
die Experten gehört" © Bild: News/Ricardo Herrgott

Die FPÖ prangert den "Corona-Wahnsinn" an und wünscht sich andere Strategien im Umgang mit der Corona-Krise. Wäre der schwedische Weg der richtige für Österreich gewesen - wenn man weiß, dass es auch dort große wirtschaftliche Schäden und viel mehr Todesopfer gibt?
Ich kann nur sagen, dass das, was die Experten vorgeschlagen haben -der "Falter" hat ja die Protokolle aus den Gesprächen veröffentlicht -, in etwa dieser Weg gewesen wäre. Die Schweden haben auch Fehler gemacht, etwa was Altersheime anbelangt. Aber die Risikogruppen zu schützen und ansonsten das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben auch weiterlaufen zu lassen, scheint sehr sinnvoll. Was uns jetzt wichtig ist: Dass man so schnell wie möglich die Maßnahmen lockert und wieder ins normale Leben zurückkehrt.

Im Nachhinein redet es sich leicht, wenn man weiß, dass die Zahlen niedrig geblieben sind. Aber hätten Sie sich damals, in einer Zeit, in der vieles unklar war, getraut, offensiv diesen schwedischen Weg zu gehen?
Ich kann nur sagen, was ich als Regierungsmitglied gemacht hätte. Ich hätte auf die Experten gehört, und das hat die Regierung in vielerlei Hinsicht nicht getan. Ich hätte auch nicht eine Pressekonferenz gegeben, in der ich darauf hinweise, dass es eine Pressekonferenz geben wird. Sondern erst dann, wenn man einen Verordnungstext fertig hat, weil auch die Wirtschaft Sicherheit benötigt. Wenn ich nicht weiß, unter welchen Voraussetzungen ich das wirtschaftliche Leben fortsetzen kann, ist es sehr schwer. Wir hatten in der Nacht auf den 1. Mai um 21.30 Uhr die Verordnung noch nicht auf dem Tisch.

Sie haben das Coronavirus mit einer Grippe verglichen und nehmen Sorgen um eine zweite Welle offenbar nicht sehr ernst. Halten Sie das alles für Panikmache?
Corona ist keine Grippe, aber was die Gefährlichkeit betrifft, durchaus damit zu vergleichen. Die echte Grippe ist schwer unterschätzt und wir haben immer wieder viele Todesopfer zu beklagen. Eine zweite Welle kommt mit Sicherheit, das ist bei Viruserkrankungen immer so. Aber wir müssen uns darauf einstellen, dass wir damit zu leben haben. Wir können nicht über vielleicht Jahre hinweg das gesamte wirtschaftliche Leben einstellen.

Sie wollen eine Rückkehr zum normalen Leben. Was soll das genau heißen: Masken weg? Schulen komplett aufsperren?
Die Maske wird in den meisten Fällen falsch verwendet und eine falsch verwendete Maske schadet mehr, als sie nützt. Wir hatten einen Mandatar, das ist ein Extrembeispiel, der hat mit der Maske den Tisch aufgewischt und sie sich dann wieder aufgesetzt. Viele tragen sie unter der Nase oder am Kinn. Ja, man soll das Leben wieder ermöglichen, zunächst mit den Abständen und Hygienevorschriften, die wir haben. Ich glaube, dass die Regelung, die von der neuen Staatssekretärin für die Theater gefunden worden ist, gut ist, also einen Sitz freizulassen. Aber auch hier sollte man so schnell wie möglich wieder hochfahren.

Gewisse Hygiene-und Sicherheitsmaßnahmen wollen Sie also offenbar doch. Sollte es Großveranstaltungen geben?
Hygieneregeln ja, zum Beispiel Hände reinigen beim Eingang, aber unsinnige Regeln wie sie derzeit in der Gastronomie gelten, dass man etwa beim Hineingehen eine Maske benötigt, beim Hinsetzen, beim Aufsuchen der Nassräume und beim Hinausgehen aber nicht, sollten abgeschafft werden. Wenn es, wie derzeit in Österreich, kaum noch Fälle gibt - wir haben derzeit 700 und ich gehe davon aus, dass sich das ganz schnell reduzieren wird -dann sind aus meiner Sicht im Sommer ganz normale Veranstaltungen wieder möglich.

Etwa Stadionkonzerte?
Aus meiner Sicht, ja.

Kanzler Kurz ist jetzt auch für Lockerungen, zumindest regional. Nimmt er Ihnen damit den Wind aus den Segeln?
Wir haben gemerkt, dass alles, was wir vorgeschlagen haben, zuerst kritisiert wurde und dann doch gekommen ist. Wenn ich zurückblenden darf: Wir haben gesagt, wir sehen in Italien ein großes Problem und vorgeschlagen, die Grenzen zu schließen. Das wurde zuerst abgelehnt, dann natürlich gemacht. Als wir vorgeschlagen haben, man muss am Flughafen Wien Schwechat ordentlich kontrollieren, wurde das ganz, ganz lange nicht umgesetzt.

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Sie fühlen sich also bestätigt. Aber die Corona-Wahnsinn- Linie, die Sie gefunden haben, wird damit doch obsolet. Das schadet Ihnen.
Wir waren diejenigen, die das eingefordert haben. Wenn die Regierung jetzt draufkommt, dass sie so vorgehen muss, kann das doch nur von Vorteil sein.

Die FPÖ hat für Gastgarten-Sünder Alexander Van der Bellen strenge Konsequenzen bis hin Aufhebung der Immunität gefordert. Viele Ihrer Fans auf Facebook scheinen das nicht so eng zu sehen. War das eine übertriebene Aufregung?
Ich habe sogar sehr freundschaftlich reagiert. Ich habe gesagt, wenn der Bundespräsident sozusagen zur alten, normalen Normalität zurückkehrt, dann müsste man auch alle Corona-Strafen aufheben. Da hat es oft Geringverdiener empfindlich getroffen.

Ein Teil Ihrer Partei hat relativ aggressiv reagiert.
Na ja, aggressiv. Es ist einfach eine Ungleichbehandlung. Es ist jedem klar, dass ein Staatsoberhaupt besonders geschützt sein soll, aber hier geht es ja nicht um seine politische Tätigkeit, sondern um ein privates Zusammensitzen, für das ich wirklich jedes Verständnis habe, weil ich der Meinung bin, das sollte jedem Österreicher und jeder Österreicherin erlaubt sein.

Nächste Woche beginnt der Ibiza-U-Ausschuss. Es stellt sich so dar, als wäre Strache der einzige Bösewicht gewesen. Wie geht das, dass Sie sich jahrelang in diesem Charakter so getäuscht haben und er unbemerkt von allen anderen Führungspersönlichkeiten in der FPÖ z. B. seine Postenschacher-Spiele spielen konnte?
Den Postenschacher-Vorwurf sehe ich ein bisschen differenziert. Die Frage ist schon, ob jemand qualifiziert ist für eine Position oder nicht. Ich habe gehört, dss bei den Casinos eine Person aus einer anderen Partei in einer Funktion war, für die sie überhaupt nicht qualifiziert war. Ich kann nur sagen, wie ich es bei mir gehandhabt habe. Ich habe wirklich geschaut, immer die Besten zu nehmen, unabhängig von der Parteizugehörigkeit.

Aber wieso konnte Strache unbemerkt von Ihnen so agieren?
Der Vorwurf betrifft meines Wissens eine Person und man muss schauen, ob der Vorwurf so wirklich zutrifft. Unabhängig von den Postenschacher-Vorwürfen, das Ibiza-Video ist ein bemerkenswertes Sittenbild.

Wie kann es sein, dass alle so überrascht waren?
Ich bin damals nicht einmal von ihm informiert worden, als er von dem Video gewusst hat, ich habe es vom Bundeskanzler erfahren.

Sie waren also längst entfremdet von Strache?
Man darf sich nicht vorstellen, dass hier zwei Leute zusammenarbeiten, die jeden Abend miteinander auf ein Bier gehen. Ich war mit dem Heinz-Christian nie privat auf ein Bier. Das war eine Zusammenarbeit, die gut funktioniert hat, aber nicht so eng, dass man in die Seele eines Menschen hineinschauen kann.

Strache wird bei der Wien-Wahl antreten. Welche Chancen geben Sie ihm?
Ich habe schon öfter erlebt, dass Personen, die zuerst in der FPÖ aktiv waren, versucht haben, eine eigene Partei zu gründen und es ist immer schiefgegangen. Es wird wahrscheinlich für ihn sehr schwierig sein, die Hürde für den Einzug in den Landtag zu schaffen. Wen man einige Zeit keine wichtige politische Funktion mehr hatte, sinkt das Interesse. Die Menschen haben jetzt auch andere Sorgen.

Herr Herbert Adelmann, den Sie wahrscheinlich kennen, wirft Ihnen und Kickl vor, Sie seien unkameradschaftlich schäbig mit Strache umgegangen. Das sehen auch andere FPÖ-Funktionäre und -Wähler so. Ist das ein Problem, das noch auf Sie zurückfallen könnte?
Also zunächst, wer ist Herr Adelmann? Ich weiß natürlich, wer das ist. Aber seine Bedeutung ist sehr überschaubar. Meine Aufgabe bestand nach diesem Balearen-Debakel darin, die Partei in die Zukunft zu führen. Ich wüsste nicht, was daran unkameradschaftlich ist. Und jeder, der mich auch in der gesamten Phase des Wahlkampfs beobachtet hat, weiß, ich habe nie ein schlechtes Wort über ihn verloren.

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THC, das Team HC, hat Ihnen einige Leute abspenstig gemacht. Unter anderem besagten Herrn Adelmann und weitere FPÖ-Funktionäre aus Oberpullendorf im Burgenland, wo Sie immerhin Landesparteichef sind. Was ist da passiert?
Adelmann war Mitarbeiter im Büro des Landeshauptmann-Stellvertreters. Er hat sich, als er diesen Job nicht mehr hatte, anderweitig orientiert. Es gibt im Internet ein Video von ihm, in dem er über die Errichtung eines Nationalstadions in Oberpullendorf spricht. Wer sich die fünf Minuten Zeit nimmt, weiß, mit wem man es zu tun hat.

Ist es denkbar, dass Strache wieder bei der FPÖ andockt?
Das ist völlig undenkbar.

Kehrt Gudenus zurück?
Das war bei uns nie eine Diskussion. Ich möchte nur eines sagen, dass Gudenus sich im Nachfeld wie ein Herr verhalten hat. Das ist schon ein Unterschied zu Strache.

Ist Dominik Nepp der richtige Kandidat für die Wien-Wahl?
Natürlich. Er hat die Verantwortung für Wien in einer sehr, sehr schwierigen Phase übernommen. Er ist sehr fleißig. Ja, er ist der richtige Mann. Man hat Herbert Kickl in der Öffentlichkeit zuletzt mehr wahrgenommen als Sie.

Muss man an Ihrem Führungsanspruch in der Partei zweifeln?
Kickl ist Klubobmann und nimmt diese Aufgabe Gott sei Dank sehr, sehr intensiv wahr. Ich brauche ja kein Mauerblümchen im Klub, das niemand wahrnimmt. Es ist auch immer ein Zeichen von Schwäche, wenn ein Parteichef keine anderen starken Persönlichkeiten im Umfeld zulässt.

Sind Sie bei der nächsten Nationalratswahl der FPÖ-Spitzenkandidat?
Ich habe in der Politik gelernt, dass es oft schwer ist, über Monate hinaus zu planen. Das hängt von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel der Bundespräsidentenwahl

Werden Sie wieder antreten?
Das hängt zum Beispiel davon ab, ob Van der Bellen wieder antreten wird. Ich plane eher nicht über einen Zeitraum von vier Jahren.

Und wenn es mit Nationalratswahlen doch schneller geht als erwartet und demnächst gewählt wird?
Sie meinen, wenn Wien-Wahl wäre und SPÖ und ÖVP eine Koalition bilden und die Grünen aus diesem Grund die Regierung verlassen und es zu Neuwahlen kommt? Was übrigens gar nicht so aus der Luft gegriffen ist. Dann muss man davon ausgehen, dass ich der Spitzenkandidat bin.

ZUR PERSON: Norbert Hofer Der gelernter Flugtechniker ist seit den 90er-Jahren in der FPÖ Burgenland aktiv. 2006 zog er in den Nationalrat ein. Bei der Bundespräsidentenwahl 2016 schrammte Hofer für viele überraschend nur knapp am Sieg vorbei. 2017-19 war er Verkehrsminister. Seit Straches Ibiza-Fall ist Hofer FP-Parteiobmann, seit Oktober dritter Nationalratspräsident und seit März dieses Jahres außerdem Chef der FPÖ Burgenland.

Das Interview ist ursprünglich in der News Printausgabe (Nr. 22/2020) erschienen.