Haslauer vor den Wahlen:
"Noch haben wir nicht gewonnen"

Salzburgs programmierter Wahlsieger Wilfried Haslauer steht für strategische Zurückhaltung -nur wenn es um das Kruzifix seines Großvaters geht, zeigt er Emotionen.

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Politik - Haslauer vor den Wahlen:
"Noch haben wir nicht gewonnen"

Die Frühlingssonne scheint, und in Salzburg herrscht nach den Osterfeiertagen ausnahmsweise so etwas wie Ruhe. Einer dieser Tage, an denen die meist überlaufene Mozart-und "Sound of Music"-Pilgerstätte fast wie eine normale Stadt wirkt. Die ÖVP startete offiziell erst vor kurzem in ihre Intensivphase, mit Unterstützung von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Alle Umfragen legen ein Ergebnis nahe, das -nach den Wahlen in Niederösterreich, Tirol und Kärnten - vertraut klingt: Zuwächse für die Landeshauptmann-(oder -frau-)Partei, akzeptable Ergebnisse für die Mitbewerber.

"Noch haben wir die Wahl nicht gewonnen, sondern nur die Umfragen", sagt der Mann der Stunde selbst: Wilfried Haslauer, seit 2013 Landeshauptmann von Salzburg. Bei 32 bis 35 Prozent sehen ihn jüngste Erhebungen. Das wäre zwar jedenfalls ein deutliches Plus, ein schönes Ergebnis. Aber schön allein reicht nicht. "Die ÖVP muss so viel dazugewinnen, dass sie nicht in ein Koalitionseck gedrängt wird, sondern selbst entscheiden kann", sagt der Salzburger Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch. "Die Latte liegt hoch. Sebastian Kurz hat bei der Nationalratswahl in Salzburg fast 38 Prozent erreicht."

Quereinsteiger

Als Wilfried Haslauer vor 14 Jahren den Anwaltsberuf aufgab und in die Politik ging, galt er als unnahbar und trocken. "Als Anwalt hat man 80 Prozent Rationalität und 20 Prozent Emotion, und in der Politik ist es wahrscheinlich genau umgekehrt", sagt er heute. "Das muss man zulassen, und das lernt man mit der Zeit auch." Gegen die volksnahe, herzliche SPÖ-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller hatte er trotzdem lange keine Chance. Dann kam der Finanzskandal, und die ÖVP eroberte - ebenfalls geschwächt, aber doch -mit 29 Prozent der Stimmen den Landeshauptmannssitz zurück.

»Die Entwicklung ist gut, aber es ist noch viel zu tun«

Fünf Jahre später fühlt es sich an, als sei Haslauer immer schon da gewesen. Er verordnete der Koalitionsregierung aus ÖVP, Grünen und Team Stronach (seit 2015 mit dem parteifreien Landesrat Hans Mayr) einen neuen Stil und machte sich ans Werk. "Die Energien, die früher in Streit und Auseinandersetzung geflossen sind, gehen jetzt in die Arbeit. Wir liegen gut nach den furchtbaren Erfahrungen mit dem Finanzskandal. Der Haushalt ist saniert. Wir sind bei den Daten wieder im österreichischen Spitzenfeld: geringste Arbeitslosigkeit, stärkstes Wirtschaftswachstum, so viele Arbeitsplätze wie noch nie zuvor, viele innovative Projekte. Die Entwicklung ist gut, aber es ist noch sehr viel zu tun", sagt Haslauer.

Besonders im Bereich Infrastruktur und Breitband gäbe es Handlungsbedarf. "Wir werden 2020 flächendeckend im ganzen Land 100 Mbit anbieten können. Wir haben mit der Salzburg AG eine Vereinbarung abgeschlossen, dass 250 Millionen Euro in den Ausbau des Glasfaserkabels investiert werden." Ziel sei es, "dass man mithilfe dieser digitalen Möglichkeiten auch vom ländlichen Raum aus sein Unternehmen führen kann".

Ein Thema, das Haslauer, selbst Vater von vier Kindern, seit jeher besonders am Herzen liegt, ist Bildung. Sein persönliches Lieblingsprojekt der vergangenen Jahre ist der "Talentecheck", ein vierstündiger Berufseignungstest plus einstündigem Beratungsgespräch für alle Salzburger Jugendlichen. In der kommenden Regierungsperiode möchte er Salzburg zum lehrlingsfreundlichsten Bundesland machen. Ein schwieriges Unterfangen, räumt er ein, "aber da ist ein Riesenmarkt vorhanden. In Deutschland haben 26 Prozent der Abiturienten auch einen Lehrabschluss, bei uns sind es nur eineinhalb Prozent."

»Es kann auch mit anderen gut funktionieren«

Wilfried Haslauer gilt als brillanter Redner und kultivierter Gesprächspartner mit Talent zur Selbstironie. Als wertebewusster Konservativer, in dessen aktivem Wortschatz so altmodische Begriffe wie "Fleiß" und "Anstand" vorkommen. Werte, auf die er auch bei einem potenziellen Koalitionspartner besteht. Denn das wirklich Spannende an der bevorstehenden Wahl, darin sind sich Beobachter einig, werden die Koalitionsverhandlungen danach sein. Haslauer hält sich alle Optionen offen. Mit den Grünen habe es "menschlich gut" funktioniert, sagt er, "aber es kann auch mit anderen gut funktionieren". Muss es vielleicht, denn aktuelle Umfragen sehen die Grünen, die zuletzt vom Finanzskandal profitierten, nur mehr bei 15 Prozent.

Das Verhältnis zur SPÖ, in Umfragen stabil bei 25 Prozent, könnte menschlich zu vorbelastet sein. Bleibt die FPÖ, die in jüngsten Umfragen von über 20 auf 17 Prozent zurückfiel. Er kenne FPÖ-Spitzenkandidatin Marlene Svazek nicht so gut, räumt Haslauer ein, "weil sie wenig da ist". Aber man werde dann schon noch herausfinden, ob die Chemie stimmt. Auch, ob es Probleme mit Burschenschaftern innerhalb der FPÖ gibt. "Burschenschafter sind nicht gleich Burschenschafter. Es gibt sehr radikale, es gibt gemäßigte, die kann man nicht über einen Kamm scheren. Ich werde mir natürlich sehr genau anschauen, wie das Umfeld ist und welche Radikalismen da vertreten sind."

Wichtig seien ihm die inhaltliche Einigung und konstruktive Zusammenarbeit. "Meine Aufgabe ist im Wesentlichen, außer in meinen eigenen Ressortbereichen, das Ganze zusammenzuhalten, in eine bestimmte Richtung zu lenken, Ergebnisse zu ermöglichen und aufeinander zu schauen, sodass keiner sich in der Öffentlichkeit eine blutige Nase holt. Das Zusammenhalten und das Einbinden sind meine Hauptaufgaben, nicht die Polarisierung, der Streit und die Ausgrenzung."

Der neue Stil, den die Kurz-Strache- Koalition so eifrig praktiziert, in Salzburg gibt es ihn schon seit Jahren. Nach außen immer schön freundlich, aber "intern wird ja enorm viel diskutiert. Immer auf Augenhöhe, mit Respekt und Wertschätzung, klar, und nie persönlich attackierend, aber doch sehr intensiv. Aber wenn es dann ein Ergebnis gibt, und bisher haben wir immer ein Ergebnis zusammengebracht, sind beide Seiten diszipliniert und stehen zu dem Ergebnis. Man darf Innen-und Außenauftritt nicht verwechseln."

Kritiker monieren, Haslauer sehe sich zu sehr als Moderator und zu wenig als Gestalter. Große Themen wie Wohnen und Verkehr würden zu wenig konsequent verfolgt. "Es gibt den Vorwurf, dass die Koalition in den letzten Jahren zu vorsichtig war und die heißen Eisen nicht angegangen ist", sagt Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch. "Dem kann man aber entgegenhalten, dass es zuallererst darum gehen musste, die Finanzen zu sanieren. Der ÖVP ist das Kunststück gelungen, dass ihr der Sparkurs der letzten Jahre nicht geschadet hat. Haslauer kommt öffentlich nicht als Sparmeister rüber." Vorwerfen könne man Haslauer eher, dass unklar sei, wohin die Reise in den nächsten Jahren geht, meint Heinisch. "Man würde gerne wissen, was die Vision für Salzburg ist. Dieser Wahlkampf geht aber auf Nummer sicher. Die Botschaft lautet: Never change a winning team."

Goldenes Kruzifix

Während FPÖ-Shootingstar Svazek als "Salzburger Frühling" in die Kamera lächelt und SPÖ-Spitzenkandidat Walter Steidl mit Enkeltochter posiert, Neos-Mann Sepp Schellhorn den pinken Macher und Astrid Rössler die grüne Sympathieträgerin geben, präsentiert sich Landeshauptmann Haslauer auf den Wahlplakaten weltoffen, staatsmännisch, verbindend. Auf mehreren Sujets, die an seinem Schreibtisch entstanden sind, ist ein goldenes Kruzifix zu sehen. "Das Kruzifix steht immer da", erklärt Haslauer. "Es stammt von meinem Großvater, der bei der Ischler Bahn gearbeitet hat, und es ist immer auf seinem Schreibtisch gestanden. Als die Nazis gekommen sind, hat sein Chef gesagt: ,Das Kreuz muss weg!' Und dann hat mein Großvater gesagt: ,Das Kreuz bleibt, oder ich gehe.' Es ist geblieben, und der Großvater ist auch geblieben."

Ein goldenes Kruzifix als Symbol für Haltung, für christliche Werte und Familientradition. Es war der Vater, der Haslauer die Geschichte von dem Großvater und dem Kreuz erzählt hat: Wilfried Haslauer sen., von 1977 bis 1989 selbst Landeshauptmann von Salzburg.

Das Kreuz, sagt Haslauer, sei für ihn ein Zeichen von Hoffnung und Erlösung. Menschen, die sich dem Kreuz nicht verpflichtet fühlen, schließe das aber nicht aus. "Ich bin kein Religionsfanatiker. Für mich ist jeder Mensch gleich viel wert, egal, ob er überzeugter Christ, Agnostiker, dem hebräischen oder dem muslimischen Glauben zugetan ist. Wir sind eine weltoffene Gesellschaft. Mit einer klaustrophobischen Einengung unseres Landes und der Gedankenfreiheit ist dem Land der schlechteste Dienst getan, den man sich vorstellen kann."

Der Beitrag erschien ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 14/2018)