Christian Hafenecker:
Der brave Soldat

Die FPÖ hat einen neuen Generalsekretär. Doch wer ist dieser Christian Hafenecker? Wer hat ihn politisch geprägt? Und kann der Neue den politischen Nahkampf?

von Politik - Christian Hafenecker:
Der brave Soldat © Bild: Ricardo Herrgott

Generalsekretär, das war früher der Nahkämpfer einer Regierungspartei. Geschult in der täglichen Konfrontation mit Koalitionspartner und Opposition, nicht zimperlich in der Wahl seiner Worte, gewöhnt daran, in den peinlichen Situationen einer Partei – Wahlniederlagen, Fehltritte ihrer Spitzenfunktionäre – vor die Kameras zu müssen.

Der Generalsekretär heute versucht sich eher als trockener Manager, der intern Parteimitglieder und Funktionäre bespaßt und den rhetorischen Vorschlaghammer seltener aus dem Abstellkammerl holt. Die Sache mit den Auftritten in unangenehmen Situationen bleibt ihm erhalten. Ansonsten gilt: mehr Parteisoldat als General. Auf den neuen Mann im FPÖ-Generalsekretariat, Christian Hafenecker, passt dieses Jobprofil gut. Die Kommunikation zwischen FPÖ-Regierungsfraktion, Bundespartei und Ländern auszubauen, nennt er als seine Aufgabe. „Da ist die Herausforderung, dass wir ein bissl schneller werden und ökonomischer agieren.“ Und: „Ich würde nicht sagen, dass ich der klassische Scharfmacher bin, sondern ein lösungsorientierter Mensch. Ich scheue mich aber nicht, meine Stimme zu erheben und mit Klartext dazwischenzugehen.“

Das Laute, das Harte, das Untergriffige, das liegt in der DNA der FPÖ, die über die Jahre stets auf Angriffsmodus war: gegen die Regierung, gegen die Sozialpartner, gegen die „Gutmenschen“, gegen den Rest der Opposition. Heute stehen die Freiheitlichen auf der anderen Seite, und als Regierungspartei wird man wehleidiger: „Mit einer Regierungsbeteiligung ergeben sich ganz andere Voraussetzungen. Man ist noch mehr am Prüfstein und der Kritik der Opposition ausgesetzt, die nicht immer mit sauberen Mitteln und dafür mit gezielter Fehlinformation arbeitet“, sagt Hafenecker. „Der mögliche Zwölf-Stunden-Tag wird von der SPÖ so kommuniziert, als ob plötzlich alle Menschen 60 Stunden in der Woche ins Bergwerk müssten. Dabei geht es nur darum, Flexibilität zu schaffen und zu entbürokratisieren. Niemand wird gezwungen, 60 Stunden zu malochen.“ Dass das die FPÖ vor einem Jahr ganz anders gesehen und im Sinne ihrer Wähler das Bergwerksbild heraufbeschworen hätte, will Hafenecker nicht glauben. „Wir hätten uns darauf so nicht eingelassen, weil klar argumentiert wird, warum das so ist.“

Türkis-blaue Harmonie

Lässt sich der jahrelang gelebte Angriffsreflex tatsächlich nachhaltig unterdrücken? Wenn es gegen den Koalitionspartner ÖVP geht, beispielsweise? Immer höflich bleiben, lautet die Vorgabe. „Na, selbstverständlich. In einer Koalition geht es um das Miteinander. Die Leute haben das Streiten satt. Bei der Vorgängerregierung gab es eine richtige Pattsituation. Man war höflich, soweit es möglich war, aber es ist nichts weitergegangen. Jetzt weht ein Wind der Erneuerung.“

Nicht einmal im Wahlkampf würde man, beteuert Hafenecker, lautstark etwa die Urheberschaft an Restriktionen gegen Zuwanderer für sich reklamieren. „Sie wissen, unser Regierungsprojekt ist auf mindestens zehn Jahre angelegt, und wir versuchen, eine harmonische Regierung zu sein. Da wäre es ja kontraproduktiv, wenn man sich nach fünf Jahren zerfleischt, weil Wahlen anstehen. Man muss seine Projekte schon vorher an die Wählerklientel bringen.“ Dass von dieser Koalition in Umfragen vor allem die ÖVP profitiert und die FPÖ deren Programm, nicht das eigene, umsetzt, will der Parteimanager nicht so sehen: „Man könnte umgekehrt auch sagen, dass die ÖVP unsere Einwanderungspolitik umsetzt. Wir haben unseren Kurs in dieser Frage nicht korrigieren müssen, die ÖVP ist erst in jüngerer Vergangenheit zur Einsicht gekommen.“

Doch wo wäre der Punkt, an dem die Harmonie ein Ende hat? „Es ist wichtig, dass Koalitionspartner offen und ehrlich miteinander umgehen. In der Vorgängerregierung sind die Hackeln tief geflogen und in vielfacher Art wurde über Vorfeld­organisationen das Vertrauen gebrochen. Auf dieser Basis kann man nicht arbeiten. Aber das ist nicht absehbar.“

Mit Blick auf die Bundesländer könnte man das freilich auch anders sehen. Mächtige schwarze Landeshauptleute pfeifen dort auf den von der türkisen Truppe rund um Sebastian Kurz verordneten Kuschelkurs. Johanna Mikl-Leitner in Niederösterreich etwa, als sie die Zusammenarbeit mit dem blauen Spitzenkandidaten Udo Landbauer verweigerte, nachdem die Liederbuch-Affäre seiner deutschnationalen Burschenschaft publik wurde. Hafenecker war damals Wahlkampfmanager in Niederösterreich. „Natürlich macht man keine Luftsprünge, wenn man einen Tag vor der Wahl den Spitzenkandidaten abgeschossen bekommt. Ich habe das auch als schweres Foul empfunden.“

Oder der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der eine Regierung mit Grünen und Neos demonstrativ als „Koalition der Mitte“ bezeichnete und der FPÖ die kalte Schulter zeigt. Hafenecker: „Haslauer ist für seine politische Kreativität bekannt. Wenn er glaubt, dass er damit dem Wählerwillen entspricht, sei es ihm unbenommen. Das Wahlergebnis zeigt, dass die Wähler sich eine breite bürgerliche Regierung gewünscht hätten. Er hievt aber Parteien in die Regierung, die in Auflösung begriffen sind, denn auch den Neos gebe ich nach dem Abgang von Matthias Strolz keine weitere Legislaturperiode. Wenn Haslauer sich mit Verlierern umgibt, ist das seine Sache.“

Noch soll das nicht auf die Bundeskoalition zurückfallen. „Wären wir in Niederösterreich in einer Koalition mit der ÖVP, würde sich diese auch nicht in Gemeinden einmischen. Das sind verschiedene Ebenen, das ist so hinzunehmen.“ Und das färbt nicht ab? „Merken S’ was davon?“ Die Distanz zur FPÖ, um die die beiden Landeshauptleute bemüht sind, hat einen Grund: das Erstarken der deutschnationalen Burschenschaften in der FPÖ. Hafenecker selbst ist Burschenschafter bei der Nibelungia zu Wien. „Es ärgert mich, dass man da 100.000 Sachen hineininterpretiert, die einfach nicht stimmen. In meiner Burschenschaft gibt es solche Umtriebe nicht. Aber es gibt leider Wirrköpfe, die den Weg zu verschiedenen Vereinen finden und deren Ansehen schaden. Leider auch bei uns.“ Was da genau wirr sei? „Wenn jemand das Deutsche Reich verherrlicht oder rechtsextreme Tendenzen zeigt, ist er für mich ein Wirrkopf. Dann hat er die Verfassung und die Gesetze Österreichs nicht gelesen und weiß nicht, auf welchem Terrain er sich bewegt.“ Ist da Wirrkopf nicht ein zu mildes Urteil? „Dann hoffe ich, dass er ein Wirrkopf ist und das nicht bewusst macht. Weil wenn er es bewusst macht, ist es umso schlimmer.“

Jörg Haiders Rolle

Während des Studiums hat Hafenecker zur Burschenschaft gefunden, doch wie kam er zur FPÖ? Auf dem klassischen Weg. Sein Elternhaus bezeichnet er als „unpolitisch“, aber: „Die Großeltern mütterlicherseits waren eher sozialdemokratisch, die väterlicherseits eher der ÖVP zugewandt. Einmal gab es eine lustige Situation: Bei der Gemeinderatswahl, 2000 glaube ich, bin ich gegen meinen Großvater und meine Mutter angetreten. Beide auf der ÖVP-Liste, ich bei der FPÖ.“ Wie bei so vielen dieser Generation der FPÖ-Funktionäre war auch bei ihm Jörg Haider „ein Stück weit der Grund dazuzugehen, mit seiner Prämisse, den Proporz im Land aufbrechen zu wollen. Ich habe ja schon in der Schülervertretung erkannt, dass auch die Schulen zwischen Rot und Schwarz aufgeteilt waren.“

Heute ist Haider auch für ihn entzaubert. „Ich habe ihn noch persönlich gekannt und sehe ihn ambivalent. Er war für das dritte Lager in Österreich extrem wichtig, hat die Partei wirklich in die Höhe gebracht, ist dann aber oftmals sein eigenes Opfer geworden. Sein Abgang war ein bissl schal – politisch betrachtet.“

Doch was soll am Ende von Hafeneckers Karriere in seinem Wikipedia-Eintrag stehen? „Mir ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass wir uns als dritte Kraft, als Mittelpartei weiter etablieren, vielleicht einmal Nummer eins werden. Ich bin nicht so aufgestellt, dass ich irgendwelche Trophäen in meinem Wikipedia-Eintrag brauche.“ Ein Parteisoldat als General eben.

Dieser Artikel ist ursprünglich in der Printausgabe (Nr. 21/2018) erschienen.