Häupls Abschied: Eine
Tour durch 23 Bezirke

Kurz vor dem Ruhestand ist der Schmäh lange noch nicht zu Ende. News bat den scheidenden Wiener Bürgermeister Michael Häupl daher zu einem Interview in 23. Bezirken

von Politik - Häupls Abschied: Eine
Tour durch 23 Bezirke © Bild: Ricardo Herrgott

Seine prall gefüllten Terminkalender aus fast 24 Jahren Amtszeit nimmt Michael Häupl mit in den Unruhestand. Im aktuellen Bürgermeisterkalender stehen noch zwei bedeutende politische Einträge: die Landeshauptleutekonferenz, traditionell ein Anlass, bei dem die Länderchefs der Bundesregierung Muskeln zeigen. Und dann der 24. Mai. An diesem Tag legt Häupl sein Amt zurück, und der Gemeinderat wählt Michael Ludwig zu seinem Nachfolger. Eine Wien-Tour zum Ende einer Ära:

1.Bezirk

Muss dieses Touristen-Disneyland Weltkulturerbe sein, oder ist es eh wurscht?
Für den Fremdenverkehr hat das Weltkulturerbe keine Bedeutung. Wir haben in der Vergangenheit sehr auf unser gebautes Erbe aufgepasst und werden das auch in Zukunft tun. Dieser Titel hilft dabei, ­damit nicht leichtfertig umzugehen. Es darf aber nicht das Weltkulturerbe wie ein Glassturz über der Innenstadt stehen, Wien muss eine dynamische Stadt bleiben. Und man soll bitte seitens der Bundesregierung mit der Heuchelei aufhören. Immerhin wurde unter Schwarz-Blau am Rand der ­Innenstadt ein 80 Meter hoher Justizturm errichtet.

2.Bezirk

Die ehemalige Mazzesinsel ist auch heute noch Wohngebiet der jüdischen Community. Diese macht sich Sorgen wegen des alten rechten und des neuen islamischen Antisemitismus. Macht Ihnen das auch Sorgen?
Es macht mir Gedanken. Sorgen ist vielleicht zu viel gesagt. Antisemitismus ist etwas, das wir in dieser Stadt nicht wollen – egal, mit welcher Begründung: ob das der von arabischen Muslimen hereingetragene ist oder der in Wien fast schon traditionelle. Da erwarte ich mir, was die Sicherheit betrifft, Antworten des für Sicherheit verantwortlichen Innenministers. Die werden uns seine Pferde nicht geben können.

3.Bezirk

Catchen wie am Heumarkt: War die Auseinandersetzung um Ihre Nachfolge eher ein solches Catchen oder ein politischer Diskurs? Rückt die SPÖ Wien nach rechts?
(Lacht.) Das ist ziemlich überinterpretiert. Es erinnert mich an meine Studentenzeit, wo wir für unsere Taten dann immer nachträglich eine Überbautheorie gesucht haben, die immer eine Theorie des Rechtfertigens war. Das war eher Catchen ohne Überbau. Wobei – Catchen würd’ ich auch nicht sagen. Meine Güte: Es hat halt persönliche Differenzen gegeben, wie wir mit unserem Elektorat umgehen sollen. Die einen waren der Auffassung, man muss die Auseinandersetzung mit den Grünen suchen, die anderen meinten, mit den Blauen. Jetzt sagt man den angeblich Rechteren in der SPÖ, was immer das sein mag, nach, dass sie den Blauen zuneigen. Das ist ein Unsinn: Den Blauen neigt in Wien niemand zu.
Aber ihren Positionen.
Nicht einmal denen. Gut, es ist ja nicht alles, was ein Blauer sagt, per definitionem deppert, weil er ein Blauer ist, es kann ja gelegentlich auch etwas Gescheites dabei sein. Das ist es aber nicht, was die Auseinandersetzung in der SPÖ ausgemacht hat, und daher musste sie so ausgetragen werden, wie sie ausgetragen wurde. Und das war aus meiner Sicht äußerst zivilisiert, von beiden Kandidaten. Wir haben uns darauf verständigt: Wer diese Abstimmung gewinnt, ist der Chef. Punkt, aus.
Und der neue Kurs der SPÖ?
Die SPÖ wird sich dort positionieren, wo sie immer war. Mitte-links. Das kann sich nicht ändern, weil sonst würden wir Wähler aufgeben.

4.Bezirk

Der Karlsplatz war Drogenumschlagplatz. Die Szene wurde durch Maßnahmen nur verdrängt. Wird das mit dem Alkoholverbot am Praterstern auch so sein?
Das ist möglich. Aber: Ich habe mir in Zürich den Platzspitz angeschaut. So etwas will ich nicht in dieser Stadt, so einen vollkommen rechtsfreien, anarchischen, von Gewalt bestimmten Ort. Daher gibt es ein Signal an Drogenkonsumenten jedweder Art: Ihr müsst euch so benehmen, dass ihr nicht permanenter Anstoß für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung seid, oder ihr habt ein Problem. Unsere Leute sind aber angehalten, mit der Polizei mitzugehen und den Menschen zu helfen. Aber ich bin nicht der Helfer der Dealer. Das sind Verbrecher.

5.Bezirk

Die politische Heimat der Stadträtinnen Renate Brauner und Sandra Frauenberger. Diese waren einer regelrechten Kampagne der „Kronen Zeitung“ ausgesetzt. Warum haben Sie sich da nie öffentlich in die Schlacht geworfen? Haben Sie Angst vor der „Krone“ oder sich nur ein bisschen arrangiert?
Diese Sicht kann nur auf eine mangelhafte Lektüre der „Kronen Zeitung“ zurückzuführen sein, was ich ja noch verstehen kann. Selbstverständlich habe ich meine Leute verteidigt, bis zuletzt. Weil ich meine Leute immer verteidigt habe, egal, von wem sie angegriffen wurden. Solange es möglich war. Es hat schon Grenzen gegeben, das muss man auch sagen. Sich bei einem Pflegeskandal hinzustellen und zu sagen, es ist eh alles leiwand, wäre unredlich gewesen und politisch falsch.
Muss man mit dieser Zeitung auf gutem Fuß sein?
Ich verstehe die Frage nicht. Wie Sie wissen, ging es mir immer um professionelle Zusammenarbeit. Ich habe keine Briefe an die „Kronen Zeitung“ geschrieben, außer zum Geburtstag, und bin mit den Leuten dort bis heute per Sie. Gefragt ist ein professionelles Arbeiten von Profis in der Politik und Profis in den Medien. Punkt, aus.

6.Bezirk

Wie gefällt Ihnen denn die neue Mariahilfer Straße?
Ausgezeichnet! Jetzt hat wohl schon jeder dort begriffen, dass das die Rettung für die Mariahilfer Straße war. Wird auch toll angenommen. Ich war erst vorige Woche dort, und niemand hat etwas Böses gesagt. Klar, Diskussionen wird es immer geben. Radfahrer zum Beispiel sind Verkehrsteilnehmer und nicht die Schattenheiligen des Individualverkehrs. Die Mariahilfer Straße ist abschüssig, und es ist ein Unterschied, ob man runterrollt oder rauffährt. Aber wenn eine Mutter mit zwei Kindern dort flaniert, dann macht das einen Unterschied an Lebensqualität aus.
Und die Kritiker in der eigenen Partei?
Was man in Simmering gegen die Mariahilfer Straße gehabt hat, weiß ich bis heute nicht. Hat doch die damalige Bezirksvorsteherin mitgeteilt, dass die Simmeringer eh nicht auf die Mariahilfer Straße gehen. Warum man dagegen ist, wenn man eh nicht hingeht, weiß ich nicht.

7.Bezirk

Die Heimat der Bobos. Wie wichtig sind die für die SPÖ?
Für mich, der in der Vorstadt lebt, war Bobo nie ein Schimpfwort. Das sind jüngere bis mittelalterliche Leute, die halbwegs gut verdienen, weltoffen und tolerant sind. In Fragen der Wirtschaftsliberalität werden wir nicht derselben Meinung sein. Du meine Güte: Wenn ich mit allen immer derselben Meinung wäre, worüber würde man dann reden? Die Bobos jedenfalls sind Leute, die im Wesentlichen auf der richtigen Seite der gesellschaftlichen Barrikaden stehen.

8.Bezirk

Die Josefstadt. Haben Sie eigentlich schon einmal eine Hofratswitwe überzeugt?
Aber selbstverständlich! Bei einer katholisch inspirierten Diskussion hat einmal eine Frau herumgebrüllt, ich solle das Badeverbot aufheben, das sie im Amalienbad hat. Ich hab gesagt, ich hebe das nicht auf, weil ich die Begründung kenne. Da mischen sich zwei perlenbehängte Hofratswitwen ein, warum ich die Frau nicht baden lasse. Ich habe gesagt: Ich kann Ihnen das schon erklären, aber ich warne Sie, Sie werden ein bisserl schockiert sein. Denn: Sie ist aufs Fünf-Meter-Brett gestiegen und hat ins Bad gesch… Die haben mich angeschaut, haben kommentarlos umgedreht und sind gegangen. Aber überzeugt.

9.Bezirk

Hier gibt es mit Saya Ahmad die erste Bezirksvorsteherin mit Migrationshintergrund. Das reicht in Wien für Häme und Shitstorm. Ist Ihr Wien doch manchmal deppert?
Nein! Ja, es gibt manchmal depperte Leut. Ich bin der Letzte, der die Internetkommunikation unterschätzt. Aber ich überschätze sie auch nicht. Ich hab in Ottakring eine Türkin als Bezirkssekretärin gehabt und danach eine Deutsche. Zwei tolle Frauen. Und das in einem der urwienerischsten Bezirke. Da ist natürlich auch komisch geredet worden. Aber es ging vorbei. So wird es auch bei der neuen Bezirksvorsteherin sein.

10.Bezirk

Hier hat zuletzt ein Wahlkampfvideo von Orbáns Kanzleramtsminister für Aufregung gesorgt, der meinte, Wien sei durch einen hohen Migrantenanteil bedroht. Haben Sie Viktor Orbán schon eingeladen, sich mit Ihnen am Viktor-Adler-Markt zu fürchten?
Nein! Das wäre des Aufwandes zu viel gewesen für so einen Blödsinn. Du meine Güte, es ist noch nicht so lange her, da hat die ÖVP das Brunnenviertel als die Slums von Wien bezeichnet. Man muss geduldig mit solchen Menschen umgehen. Ich habe von ungarischen Kommunalpolitikern das Signal bekommen, diesen Herrn nicht durch allzu lautes Geschrei aufzuwerten. So ein Blödsinn! Natürlich hat eine wachsende Stadt, in der der Migrationsanteil langsam die Hälfte erreicht, auch ihre Probleme. Aber als ich 1969 nach Wien gekommen bin, habe ich meine Wien-Schulung in Kaisermühlen gemacht. Mir kann keiner erzählen, dass das früher so wahnsinnig konfliktfrei zugegangen ist. Jetzt wird das halt in hohem Ausmaß verpolitisiert. Früher war es ein Bassenastreit, heute ist es ein Streit unter Ethnien. Ich will das nicht kleinreden. Diese Konflikte sind auszutragen, und es geht darum, dass man den Lösungsweg vorzeigt. Und dazu ist es schon wichtig, dass die Leute miteinander reden können, denn wenn ein Teil der Streitparteien nicht Deutsch kann, wird es schon grimmig.

11.Bezirk

Ihre Analyse: Warum hat die SPÖ Simmering verloren?
(Zögert.) Wir haben uns intensiv damit beschäftigt, das ist gelegentlich schmerzhaft und hat mein Zögern bedingt. Das fällt ein bisschen unter das Motto: Nicht alles, was wahr ist, muss gesagt werden. Schuldzuweisungen bringen gar nichts. Es hat dort das Personalangebot der FPÖ gestimmt und das der SPÖ offensichtlich nicht in hinreichendem Ausmaß. Die SPÖ-Ergebnisse waren bei der Gemeinderats-, Bundespräsidenten- und Nationalratswahl sehr gut. Wenn sie bei der Bezirksvertretungswahl auch so gewesen wären, gäbe es dort weiter einen roten Vorsteher.

12.Bezirk

Die Heimat von ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Was macht er besser als Christian Kern?
Das hat ja keiner gedacht, dass Herr Kurz aus Meidling kommt. Alle waren der Auffassung, das ist ein Bürgersohn aus einer Umlandgemeinde von Wien. Egal, ob er dort geboren wurde, sozialisiert wurde er jedenfalls nicht dort. Was er zweifelsohne gut kann, ist, den Schein über das Sein zu stellen. Das kann funktionieren, aber nicht ewig lang. Jörg Haider hat einmal über Karl-Heinz Grasser gesagt, er sei in ideologischer Flachwurzler. Ich will nicht beurteilen, ob das stimmt. Ich kann nur sagen: Wer nicht eine inhaltliche, ideologische Sub­stanz und eine Gestaltungsvision hat, sondern nur daran denkt, wie er seine Macht behalten kann, wird das nicht lang machen.

13.Bezirk

Hier steht das ORF-Zentrum. Da gibt es im Moment wilde Begehrlichkeiten von Türkis-Blau, den ORF auf Linie zu bringen. Aber: Sind rote Kanzler da frei von Schuld und Vorbildwirkung?
(Lacht.) Na ja, ich habe den ­Eindruck, dass es bei vielen SPÖ-Vorsitzenden eher beim Wünschen und Wollen geblieben ist, während das jetzt einfach gemacht wird. Das Ziel ist, dass man eine Medienlandschaft erreicht, wie es sie in Ungarn gibt. Aber diese Zeiten sind vorüber. Das hat schon Silvio Berlusconi begreifen müssen. Daher bin ich mäßig beunruhigt. Mich irritiert eher, dass es schon Vorleistungen auf befürchtete Ereignisse gibt.
An den Schalthebeln sitzen ja Leute, die als rot gelten.
Na ja, nicht alle, aber alle sind derzeit im Amt.

14.Bezirk

Die Heimat des bei der Parteiabstimmung unterlegenen Andreas Schieder. Was wird nun aus seinem Lager?
Es gibt nur mehr ein Lager: das SPÖ-Wien-Lager. Denn wenn wir 2020 die Wahl gewinnen wollen, wird es dieses einheitliche Lager brauchen, und nicht zwei. Sonst geht das schief. Andi Schieder weiß das auch ganz genau und nahezu alle aus der Gruppe, die ihn unterstützt haben. Er ist Klubobmann im Nationalrat, und in dieser Transformationsphase von Regierung zu Opposition bedarf es eines erfahrenen Geschäftsführers. Denn der Parteivorsitzende hat mehr zu tun, als den Nationalratsklub zu dirigieren.

15.Bezirk

Einer der Bezirke mit hoher Zuwanderung. Probleme damit sind das Thema, mit dem Wahlen gewonnen oder verloren werden. Hat die SPÖ versucht, das Thema durch Leugnen zu lösen?
Nein, gar nicht. Wir haben viel zu wenig geredet. Das ist der große Vorwurf, den ich mir mache. Viel zu wenig und zu wenig offensiv. Zu wenig aggressiv in der Auseinandersetzung mit der FPÖ. In der Frage der Integration haben wir jede Menge gemacht, und es funktioniert ja auch über weite Strecken. Was hätte man tun sollen? Bei den Kindergärten hätte man die Kontrolle effizienter machen können. Aber dort, wo wir die Möglichkeit hatten, Einfluss zu nehmen, haben wir es getan. Wo unsere Möglichkeiten enden und die des Kultusamtes des Bundes beginnen: Ich kann nicht Schulen, die in Moscheen sind, kontrollieren. Leider nicht! Wenn Kinder zum Kriegsspielen animiert werden, wie jetzt bekannt wurde, ist so eine Schule aufzulösen und das zu sanktionieren. Das ist ja wirklich das Letzte!

16.Bezirk

Der Bezirk ist ein Beispiel für Gentrifizierung, den sich die einfachen und armen Leute dann nicht mehr leisten können. Würden Sie das heute anders machen?
Das ist Gott sei Dank nicht so. Am Wilhelminenberg war es schon immer relativ teuer, das war der schwarze Teil Otta­krings, und der Bereich in Gürtelnähe war ziemlich Blau-anfällig, weil dort erst spät die Altstadtsanierung gemacht wurde. Und jetzt, wo das passiert ist und wo es noch dazu tolle Märkte gibt, werden die Wohnungen teurer. Dafür gibt es kaum mehr FPÖ-Wähler, was ich als ziemlich angenehm empfinde. Aber in Gründerzeit- und Gemeindebauten dort ist das Wohnen wirklich leistbar.
Bonusfrage: Wann wird es dort einen Michael-Häupl-Platz geben?
Das interessiert mich nur mäßig, denn man muss gestorben sein, damit Plätze nach einem benannt werden. Das Einzige, das ich mir wünsche, ist eine g’scheite Leichenrede, auch wenn ich sie nicht mehr höre.

17.Bezirk

Die Heimat von Josef Cap. Welche Zukunftshoffnung der SPÖ hat denn gehalten, was man sich von ihr versprochen hat?
Der Pepi Cap hat absolut seine Meriten. Gut, das begeisterte Zugehen auf die Menschen, das hat nicht gleich funktioniert. Aber er ist ein Menschenfänger, ein exzellenter Rhetoriker, ein gescheiter Mensch und origineller Denker, mit dem ich ungebrochen befreundet bin.

18.Bezirk

Ein heute grüner Bezirk. Es könnte die Grünen auch in Wien zerbröseln. Sehen Sie das mit einem lachenden oder weinenden Auge?
Weder noch. Eine Koalition ist eine Zweckgemeinschaft mit Vertragscharakter auf Zeit. Nachher kann alles anders sein. Es hängt von der Mathematik ab – denn ohne Mehrheit ist es schwierig – und von der inhaltlichen Überschneidung. Dann gibt es einen Vertrag, und der ist einzuhalten. Ich bin nicht der Politikberater der Grünen, die müssen selber wissen, was sie tun. Nur: Leute wählen Leute, der Wähler muss erkennen, wofür eine Partei steht, warum soll man sie wählen, sonst hast ein Problem.

19.Bezirk

Was hat der schwarze Bezirksvorsteher Adi Tiller besser gemacht als so mancher SPÖ-Bezirkskaiser?
Er ist einer dieser typischen Vorsteher, einfach allgegenwärtig, die gehen auf die Leute zu, kümmern sich um alles. Es kann nicht daran liegen, dass sich Tiller mit den Leuten zusammengesoffen hätte, denn er trinkt keinen Alkohol – was für einen Vorsteher im 19. Bezirk bemerkenswert ist. Ich finde diesen Typus gut. Es ist kein Zufall, dass nicht die ÖVP Tiller für den großen Stadtorden eingereicht hat, sondern ich.

20.Bezirk

Eines der besten Unfallspitäler Europas muss um seine Ressourcen fürchten. Wie weit sind wir, angesichts der Einschnitte, vom britischen Gesundheitswesen entfernt?
Noch sehr weit. Aber der Weg dorthin ist vorgezeichnet. Ich halte das für einen vollkommenen Irrsinn. Würde sich die FPÖ ihre eigenen Lebenserfahrungen zunutze machen, könnte sie Minister Hofer fragen, welchen Vorteil die AUVA auch für Leute hat, die einen Freizeit­unfall haben. Dass man nicht 500 Millionen Euro einsparen kann, ohne die Leistungen in Spitälern und Rehab zu kürzen, ist ja klar. Bei den Gebietskrankenkassen geht das weiter: Hier geht es nur darum, die Selbstverwaltung zu zerstören und unter staatlichen Einfluss zu stellen. Und das Nächste wird der Pensionsbereich sein. Die Regierung muss nur langsam aufpassen: So locker, wie sie mit der Verfassung umgeht, wird der Verfassungsgerichtshof bald etwas sagen. Die Herrschaften dort sind nämlich in erster Linie Richter.

21.Bezirk

Floridsdorf bekommt nun endlich seinen Bürgermeister. Wird jetzt alles gut?
Ich glaube, dass Bürgermeister weniger danach auszusuchen sind, aus welchem Bezirk sie kommen, sondern was sie können. Daraus kann man lesen, dass ich kein Fan der politischen Geografie bin.

22.Bezirk

Großprojekte wie der Lobautunnel stehen in Konflikt mit Naturschutzinteressen. Wo ist da die rote Linie des Biologen, wo die des Bürgermeisters?
Das ist ein und dieselbe. Dass wir über den Lobautunnel reden, schreibe ich mir als meinen Verdienst hin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man eine Brücke über ein Nationalparkgebiet baut, aber Tunnels darunter gibt es in ganz Europa. Der wird jetzt auch gebaut, wir haben keine politischen Beschlüsse in Wien mehr zu fassen. Da werden wir ewig unterschiedlicher Auffassung mit den Grünen sein, aber ein Autobahnring um eine Millionenstadt ist unerlässlich. Natürlich schaut man, dass man viele Leute in den öffentlichen Verkehr bringt. Aber wenn man glaubt, man kann sie zu etwas zwingen, werden sie bockig. Und ich verstehe das.

23.Bezirk

Heimat von Werner Faymann. Seine Ablöse wirkt in Verletzungen nach. Was haben Sie falsch gemacht?
Ich war ihm gegenüber immer loyal. Und wenn mir an einem Bundesparteivorsitzenden etwas nicht gepasst hat, habe ich es ihm unter vier Augen gesagt, gelegentlich unter Mitbringung einer Flasche Brunello. Ich bin weder Königsmörder noch Königsmacher. Faymann hat mich vorgeschlagen, seinen Nachfolger zu suchen, weil er wusste, dass ich keine Eigen­interessen habe. Ich habe mir da nichts vorzuwerfen.
Noch eine Frage: Was wünschen Sie sich für Doris Bures, die auch aus diesem Bezirk kommt: Bundespräsidentin, Parteichefin?
Das ist ja noch ärger als die Frage, wenn ich mir als Nachfolger wünsche. Ich wünsche ihr alles Gute und entscheide als einfaches Parteimitglied nicht mit, wer Kandidat bei der Präsidentschaftswahl sein wird. Vielleicht einigen wir uns ja darauf, mit den Grünen Alexander Van der Bellen zu unterstützen, das würde uns einen Haufen Geld ersparen. Am liebsten wäre mir, sie wäre wieder erste Nationalratspräsidentin, weil dann gäbe es einen sozialdemokratischen Kanzler, und die Welt könnte heil werden.

Dieses Interview ist ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 19/2018) erschienen.