Glauben Sie an die Existenz des
Fliegenden Spaghettimonsters?

Das Bundesverwaltungsgericht muss darüber entscheiden, ob die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters in Österreich eine anerkannte Bekenntnisgemeinschaft wird. Die Initiatoren meinen, den formalen Kriterien zu entsprechen

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Politik - Glauben Sie an die Existenz des
Fliegenden Spaghettimonsters?

Auf den ersten Blick ist alles unauffällig. Montagmorgen, Nieselregen. Die Menschen, die sich vor dem Verhandlungssaal 12 im Bundesverwaltungsgericht in Wien versammelt haben, wirken relativ normal. Die eine oder andere kleine Extravaganz bei der Kleidungswahl vielleicht. Hier eine Bandana, also ein buntes Stofftuch, auf einem Männerkopf, dort ein dezentes, kleines Nudelsieb am Revers. Aber hey, es ist 2017, und diese Stadt hat schon Wilderes gesehen. Das Problem liegt woanders. Glauben diese Menschen wirklich, dass das Universum von einem fliegenden Spaghettimonster erschaffen wurde und sie nach dem Tod in einen Himmel kommen, in dem es einen Biervulkan und Stripperinnen gibt (für Frauen Stripper, die laut "Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters" für heterosexuelle Männer allerdings unsichtbar sind)? Dass in der Hölle das Bier schal ist und die Stripperinnen Geschlechtskrankheiten haben?

Soll die "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters"(KdFSM) als religiöse Bekenntnisgemeinschaft anerkannt werden? Um das zu klären sind sie alle hier.

Ein langer Rechtsweg liegt hinter ihnen - das Kultusamt hat den Antrag schon zweimal abgelehnt -, ein langer vor ihnen. Der Richter will es ganz genau wissen. 20 Zeugen, Mitglieder der Kirche, hauptsächlich Männer, viele davon akademisch gebildet, sind heute geladen. Ein Chemiker, ein Koch, ein Beamter, ein Manager...

es könnten noch viel mehr werden in den nächsten Wochen, Monaten. Sie müssen über ihre religiöse Praxis Auskunft geben: Wie lebt man als "Pastafari"? Gibt es Gottesdienste, religiöse Unterweisungen, wird missioniert? "Handelt es sich", fragt der Richter jeden Zeugen, "um eine Religionspersiflage oder um eine Religion, deren Anhänger mehrheitlich an die Existenz des Fliegenden Spaghettimonsters glauben? In anderen Worten: Hat der Mensch das Fliegende Spaghettimonster erschaffen oder das Fliegende Spaghettimonster den Menschen?" Viele zögern bei dieser Frage, verweisen auf andere Religionen. "Glauben Sie an die Existenz des Fliegenden Spaghettimonsters?", hakt der Richter nach. Es ist das eine oder andere bestimmte "Ja" zu hören.

Pastafari-Hochzeit

Doris Nußbaumer, die auch als Zeugin geladen ist, und Wolfgang Pechlaner haben 2014 nach Pastafari-Ritus geheiratet. Nußbaumer legt dem Richter ein Fotoalbum vor. Die Braut trug eine weiße Bluse und ein mit Blumen geschmücktes Nudelsieb auf dem Kopf. Er sei der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters kurz vor der Trauung beigetreten, erzählt Pechlaner, und habe Niko Alm, den damaligen "Obersten Maccherone", gebeten, die Zeremonie durchzuführen. Doris war einverstanden, auch damit, der Spaghettimonster-Kirche selbst beizutreten. Die Tische bei der Pastafari-Hochzeit waren mit (abgelaufenen) Nudeln dekoriert, zu Essen gab es die japanische Nudelsuppe Ramen. "Es war ein schönes Fest", erinnert sie sich, "ich würde es jederzeit wieder machen. Aber diesmal würde ich mehr Gemüse in die Suppe geben. Einfach, weil es gut ist."

© Copyright 2018 Matt Observe

Wenn mindestens 300 in Österreich wohnhafte Menschen, die keiner anderen Religionsgemeinschaft angehören, sich Statuten geben und zu einem bestimmten Ritus bekennen, darf der Staat ihnen dann die Anerkennung als Bekenntnisgemeinschaft verweigern? Wie definiert man Bekenntnis, wie Gemeinschaft? Muss Religion automatisch ernsthaft sein? Und wenn die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters, die formal den oben genannten Kriterien entspricht - weitere sind zumindest nirgendwo festgehalten -, nicht anerkannt wird, warum dann alle anderen?

"Der Beginn der Religion hat natürlich parodistische Elemente in sich gehabt", sagt Niko Alm, jener Mann, der vor Jahren mit einem Nudelsieb auf dem Kopf international Schlagzeilen machte. Da Kopfbedeckungen aus religiösen Begründungen auf Lichtbildausweisen akzeptiert werden, focht er unter Berufung auf die Spaghettimonster-Religion das Recht auf Nudelsieb aus. Und kündigte schon damals an, einen Antrag auf Anerkennung des "Pastafarianismus" in Österreich stellen zu wollen.

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Mittlerweile, beteuert Alm, gebe es eine Gruppe von Menschen, die "ganz ernsthaft eine Religionsgemeinschaft bilden wollen. Die Frage, ob das eine Persiflage ist, ist nicht mehr relevant. Wir machen das nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil das unsere Interpretation von Religion ist." Die, meint er, allen Kriterien entspreche. Auch wenn sie auf Außenstehende möglicherweise skurril wirke. "Das haben Religionen so an sich. Es geht ja nicht darum, ob die Lehre der Religion wahr ist, sondern ob sie vorliegt. Und sie liegt vor."

Grundlage des Glaubens ist das "Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters", das der junge amerikanische Physiker Bobby Henderson 2006 veröffentlicht hat. Eine kurzweilige, verspielte und freche Satire, die neben einer Schöpfungsgeschichte und Basteltipps auch praktische Anleitung für die Pastafaris bereithält. Der Freitag, heißt es etwa, sei der heiligste Feiertag der Pastafarianer. "Während dieses hohen Tages sollen es die Pastafarianer ruhig angehen lassen und wenn möglich etwas Sonne tanken. Freitage sind den Idealen vorbehalten, für die der Biervulkan und die Strippermanufaktur stehen." Die "Acht Am Liebsten Wäre Mirs" formulieren, ähnlich den Zehn Geboten, ethische Regeln. Punkt acht: "Am liebsten wäre mir, wenn ihr anderen nicht antätet, was sie auch euch nicht antun sollen, sofern ihr auf, äh, Sachen steht, für die reichlich Leder/Gleitmittel/Las Vegas nötig sind."

Korrekte Zitierung

Mit korrekter Zitierung des Evangeliums hält sich in Saal 12 des Bundesverwaltungsgerichts zum Glück niemand auf. Die österreichischen Pastafarianer leben ihren Glauben offenbar undogmatisch.

Wie begehen Pastafari ihren heiligen Tag, den Freitag?
"Ich koche Pasta, verspeise sie und bete."
Was passiert bei einer Zusammenkunft der Anhänger der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters?
"Die männlichen Mitglieder pflegen auch das Biertrinken, das rituell ist."
Warum gehören Sie der Kirche an?
"Ich lese in den Statuten nichts Böses und Menschenfeindliches."

Die Zeugen erklären, warum sie der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters beigetreten sind, wie oft sie an Versammlungen teilnehmen, wie sie ihren Glauben im Alltag leben. Einen besonders fanatischen Eindruck machen sie nicht, aber das ist im Evangelium auf Seite 96 begründet: "FSM-Gläubige sind friedlich, aufgeschlossen, gebildet und lehnen jedes Dogma ab." Es ist, stellt sich im Laufe des Prozesstages heraus, sogar in Ordnung, wenn ein FSM- Gläubiger lieber Reis als Nudeln isst.

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Roland Giersig ist der Mann mit der Bandana. Der Physiker, der als Sachverständiger für Sicherheit im Eisenbahnwesen arbeitet, ist Pirat, also Mitglied des religiösen Führungsgremiums der Kirche. Piraten haben einen besonderen Stellenwert für die Pastafaris, daher auch das Kopftuch. Sie sind laut "Prophet" Henderson das auserwählte Volk, das Seinem Göttlichen Plan folgt, und es empfiehlt sich für FSM-Gläubige, "Piratenkluft oder wenigstens eine Augenklappe zu tragen".

Giersig kommt seinen religiösen Pflichten zusätzlich nach, indem er ein Bier bestellt, und erklärt seinen Glauben. Ob er wirklich an das Fliegende Spaghettimonster glaubt?"Ich glaub wirklich daran, dass das Fliegende Spaghettimonster unsere Gesellschaft verbessern wird." Sollte die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters den Status der Bekenntnisgemeinschaft erlangen, könnte sie in 20 Jahren als Religionsgesellschaft anerkannt werden. Und hätte dann, wie alle anderen Kirchen, gewisse Privilegien, mit denen man "durchaus Gutes tun könnte", meint Giersig. "Oder sie stellen fest, bevor wir sie denen geben, schaffen wir sie lieber ab. Dann gäbe es einen rein säkularen Staat, eine scharfe Trennung, und die Religionen wären auf demselben Level wie normale Vereine." So oder so, meint er, eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation.

Formale Kriterien

Es sei für das Verhältnis von Staat und Religion in Österreich wichtig, dass das Anerkennungsverfahren positiv ausgehe, meint Niko Alm. "Es gibt 16 gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften und acht religiöse Bekenntnisgemeinschaften. Der Zugang zu diesen Instituten ist über formale Kriterien definiert. Wenn es schon ein Regelwerk gibt, dann sollte der Staat es auch einhalten. Sonst muss man wirklich darüber diskutieren, ob es diese Rechtspersönlichkeiten und diese Privilegien noch braucht."

Bis es zu einer Entscheidung kommt, werden noch Monate vergehen. Theoretisch könnte der Richter alle angegebenen 444 Mitglieder der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters vorladen und zu ihren Glaubenspraktiken befragen, und er hat es auch nicht ausgeschlossen. "Schau ma mal", hielt er sich die weitere Vorgehensweise am Montag offen. Das Fliegende Spaghettimonster hätte für diesen Satz, bei allen möglichen inhaltlichen Auffassungsunterschieden, sicher Sympathien.