Die 10 wichtigsten Fragen rund um die Inseraten-Affäre

Was wirft die Staatsanwaltschaft Ex-Kanzler Sebastian Kurz und seinen Vertrauten eigentlich vor? Und wie funktioniert Medienkorruption? Ein einfacher Blick auf eine komplexe Causa

von Politik - Die 10 wichtigsten Fragen rund um die Inseraten-Affäre © Bild: 2021 Getty Images

#1 Was wirft die Justiz Exkanzler Kurz vor?

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft vermutet, dass Vertraute von Sebastian Kurz als Gegenleistung für Inserate- Schaltungen des Finanzministeriums in "Österreich" und "OE24" Einfluss auf redaktionelle Themen erhielten. Themen, mit denen sich Sebastian Kurz als künftiger ÖVP-Parteichef und Kanzler präsentieren wollte. Er selbst war damals Außenminister.

Die Absprache mit dem Medienhaus der Brüder Wolfgang und Helmuth Fellner beinhaltete laut Verdachtslage auch die Veröffentlichung manipulierter Umfragen. All das sei aus Mitteln des Ministeriums bezahlt worden. Der Schaden soll über 300.000 Euro betragen. Sowohl Kurz und sein Team als auch die Brüder Fellner bestreiten die Vorwürfe.

#2 Was versteht man unter Inseratenkorruption?

Damit ist ein unsauberes Verhältnis zwischen Politik und Medien gemeint. Die Regierung schaltete in den vergangenen zwölf Monaten Werbung im Wert von 50,1 Mio. Euro. Die Verteilung dieses Geldes scheint nicht immer nach sachlichen Kriterien zu erfolgen. Umgekehrt gibt es seit Jahren glaubhafte Gerüchte, dass auch Medien Druck ausüben und für Zurückhaltung von Kritik Werbeschaltungen verlangen.

#3 Betrifft mich das als Bürger oder Leser?

Ja. Die Werbebudgets der Ministerien werden aus dem Steuertopf gespeist, jedoch immer wieder für die parteipolitische Vermarktung von Politikern missbraucht. Umgekehrt bringt das Publikum Medien ein gewisses Vertrauen entgegen. Ein Vertrauen, das durch die sogenannte "Lügenpresse"-Debatte erschüttert wurde und nun weiter erodiert.

#4 Sind Regierungsinserate per se problematisch?

Nein. In demokratischen Systemen sind Politiker sogar dazu verpflichtet, die Ergebnisse ihrer Arbeit zu kommunizieren. Etwa dann, wenn es neue Covid-Bestimmungen gibt, die in redaktionellen Berichten zu wenig thematisiert wurden. Grenzwertig wird es bei Korruption und der Gewährung großer Kampagnen, die den Empfängern Wettbewerbsvorteile verschaffen. Oder wenn die Inhalte buchstäblich sinnlos sind. Beispiel: Eine Inseraten-Serie, die 2020 "Frohe Weihnachten, Ihre Bundesregierung" zum Thema hatte.

#5 Gibt es für das Schalten von Inseraten Regeln?

Ja. Laut Gesetz dürfen nur sachliche Informationen zur Rechtslage oder Handlungsanweisungen (z. B. Covid-Regeln) vermittelt werden. Das Abbilden von Politikern wurde nach zahlreichen Missbrauchsfällen verboten. Das gilt auch für Imagewerbung, wie sie das Ressort von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner in zahlreichen Medien betreibt ("Wir schützen Österreich"). Allerdings sieht das Gesetz bei Verstößen keine Strafen vor - weshalb sich die Behörden im Fall Kurz auf andere Delikte wie Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit konzentrieren.

#6 Sind Regierungsinserate ein österreichisches Phänomen?

Ja und nein. Natürlich kommunizieren auch andere Regierungen ihre Arbeit der eigenen Bevölkerung. Im Vergleich zur Größe oder besser Kleinheit des Landes gibt Wien dafür jedoch auffällig viel Geld aus. Von 2013 bis zu Beginn der Covid-Pandemie (mit ihr stiegen die Ausgaben noch einmal deutlich) gaben Kanzleramt und Ministerien die Summe von 117 Mio. Euro aus. Zum Vergleich: Die Bundesregierung des ungleich größeren Deutschland vergab im gleichen Zeitraum mit 129 Mio. Euro Werbeaufträge in ähnlicher Dimension.

#7 Welche Bedeutung haben Inserate für Medien?

Eine ursprüngliche große, die zusehends sinkt. Zu tun hat das mit den großen Digitalkonzernen Google, Facebook & Co., die immer mehr Werbung auf sich vereinen und von anderen Werbeträgern abziehen. Da es den Zeitungen zugleich nicht gelingt zahlende Neuabonnenten zu gewinnen, entsteht eine Finanzierungslücke. In diese Lücke stieß zuletzt die Bundesregierung, die ihre Werbetätigkeit deutlich steigerte und so an Einfluss gewann.

#8 War nicht schon Faymann ein (zu) großer Werber in Öterreichs Medien?

Tatsächlich hob Ex-Bundeskanzler Werner Faymann die Zeitungswerbung während seiner Amtszeit auf ein bisher nicht gekanntes Niveau. Er (und seine Minister der rot-schwarzen Koalition) gaben monatlich 1,2 Mio. Euro für Regierungswerbung aus. Doch das ist wenig im Vergleich zur Regierung Kurz II. Seit Beginn 2020 verteilt die türkis-grüne Koalitionsregierung Monat für Monat 3,9 Mio. Euro an Medien. Mit dem Argument, man verbreite Informationen zur Covid-Pandemie. Der mit Abstand größte Teil davon ging an Tageszeitungen.

#9 Geht es wirklich nur um Inserate der Regierung?

Nein. Auch die Bundesländer schalten Inserate -und sind damit Financiers von Medien. Bis zum Einzug von Sebastian Kurz ins Kanzleramt war Wien der größte Werber überhaupt mit Abstand. In den letzten zwölf Monaten gab die Stadt 25 Mio. Euro für Schaltungen aus. Alle anderen Bundesländer zusammen 14 Mio. Euro. Zudem fließen Schalt-Gelder nicht nur aus den Büros der Politiker, sondern werden manchmal ebendort bei staatsnahen Unternehmen veranlasst (Infrastrukturbetreiber etc.).

#10 Wird die Regierung nach der Covid-Krise weniger werben?

Vermutlich nicht. Im Frühling vergab die Regierung einen Rahmenvertrag über Schaltungen in Höhe von 180 Mio. Euro, verteilt auf vier Jahre. Inklusive einer Umgehungsklausel, die zusätzliche Ausgaben erlaubt

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News-Ausgabe Nr. 41/21

Kommentare