Haslauer: "Habe nichts
gegen Kopftuch"

Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer hält nichts von Bundesregierungs-Bashing. Davon, dass „alles unter den Prätext Ausländer, Islam, Flüchtlinge gestellt wird“, allerdings auch nicht. Allfällige Probleme mit dem Kopftuch sollten die Kindergärten selbst lösen

von Politik - Haslauer: "Habe nichts
gegen Kopftuch" © Bild: Ricardo Herrgott

Reformminister Josef Moser hat zuletzt einen Vorstoß in Sachen Kompetenzbereinigung zwischen Bund und Ländern gemacht, es gab eine gewisse Erregung …
Nicht bei mir.

Sommertheater oder Vorläufer eines heißen Herbstes?
Das ist ein normaler Vorgang. Die Landeshauptleute haben schon vor einiger Zeit einen Beschluss gefasst über eine ­Reform des Bundesstaates, der Kompetenzverteilungen, es wurde auch vorgeschlagen, eine Arbeitsgruppe einzusetzen. Dann kamen die Wahlen, es ist ein bisschen ins Stocken geraten. Minister Moser hat das Ding jetzt neu aufgegriffen, und das ist okay.

Es wurde kritisiert, er sei vorgeprescht.
Ich bin da schmerzbefreit. Die Beschlüsse der Landeshauptleutekonferenz und das, was medial aufschlägt, sind ja nur die Eckpflöcke, die dann im Detail ausformuliert und ausgearbeitet werden. Das passiert jetzt im Herbst.

Sie haben sich nicht überfahren gefühlt?
Ich nehme an der allgemeinen Gereiztheit weder auf der einen noch auf der anderen Seite teil. Ich bin ziemlich tiefenentspannt, muss ich sagen. Letztlich muss man in der Politik immer präsent sein, auch medial präsent, das geht nun mal gut mit Schlagzeilen oder Ansagen. Aber wenn wirklich etwas Gescheites dabei herauskommen soll, muss man intensiv miteinander reden, und das tun wir, und da gibt es auch guten Kontakt zur Bundesregierung.

Salzburgs Gesundheitslandesrat Christian Stöckl hat die Befürchtung geäußert, die von Moser gewünschte Zentralisierung könne kleine Spitäler bedrohen. Teilen Sie seine Sorge?
Die teile ich nicht in Salzburg, weil es bei uns keine kleineren Spitäler mehr zuzusperren gibt. Die kleinen Spitäler, die wir haben, bleiben. Krankenanstaltenreform hin oder her. Dafür stehen wir auch. Insofern haben wir das Problem nicht. Wir haben natürlich schon einen Diskussions- und Handlungsbedarf im Bereich der Sozialversicherungen. Ich teile den Ansatz, dass es weniger Sozialversicherungen als bisher geben soll, fünf am Ende des Tages. Ich teile auch den Ansatz, aber da sind eben nicht alle der Meinung, dass eine von diesen fünf die AUVA sein sollte. Wir haben gemeinsam mit der Unfallversicherungsanstalt den Plan, das Unfallkrankenhaus aufzulassen und in das Gelände der Salzburger Landeskliniken (SALK) zu verlegen, das ist ein sehr großes Projekt und da brauchen wir den Partner, der weiter existieren muss.

Es gibt auch die Befürchtung, dass der geplante Ausbau der Primärversorgungszentren in Salzburg im Widerspruch zur von der Regierung ausgerufenen Kostenbremse bei den Sozialversicherungen steht.
Das müsste man im Detail hinterfragen. Es geht um eine gute Abstimmung des öffentlichen und des niedergelassenen Bereichs der Gesundheits- und Krankenversorgung, und da haben wir natürlich andere Voraussetzungen in einem Flächenbundesland – noch dazu mir schwieriger Topografie und längeren Anreisezeiten als in einer Großstadt wie Wien. Auf diese Unterschiede muss einfach Rücksicht genommen werden. Ich glaube auch, dass es wichtig ist, dass ausreichend Entscheidungskompetenz vor Ort verbleiben muss, weil die Strukturen und Bedürfnisse anders sind. Ich bin auch der felsenfesten Überzeugung, und das ist an sich ausgemacht, dass Rücklagen, die es in einigen Ländern gibt – Salzburg gehört dazu –, weiter für Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen müssen. Das ist so weit auch zugesagt.

Sie sehen also keine Gefährdung des Ausbaus?
Wir haben jetzt immer diese Weltuntergangserklärungen. Ich sage Ihnen: Der Weltuntergang hat seine Propheten noch meistens enttäuscht, weil er nicht stattgefunden hat. Wir sind in einer merkwürdigen Ambivalenz. Auf der einen Seite ist der Ruf nach Reformen und es muss endlich was weitergehen. Und wenn man dann Reformen beginnt, heißt es: „Überall, nur nicht bei mir.“ Oder: Das Tempo sei zu hoch. Ja, wenn man bereit ist, Dinge umzugestalten, auch zeitgemäßer zu organisieren, dann muss man irgendwann damit anfangen. Die Bundesregierung tut das, und das unterstütze ich.

Wo liegen die besonderen Herausforderungen für Salzburg?
Es ist viel zu tun im Verkehr. Im Bereich der Pflege, das ist die ganz, ganz große Herausforderung für die Zukunft, die ich sehe. Auch die Positionierung des Landes im wissenschaftlichen und kulturellen Bereich. Das hat alles mit Finanzierungen zu tun. Und da den richtigen Weg zu finden, Budgets im Griff zu behalten, den Maastricht-Kriterien zu entsprechen, Schulden weiter abzubauen, das ist eine große Aufgabe. Und das ist bisher gelungen ohne einen sozialen Kahlschlag, und den wollen wir auch nicht. Dafür stehe ich auch persönlich. Wichtig ist der soziale Friede in unserem Land, dieses Gefühl, füreinander einstehen zu können, und das zieht sich wie ein roter Faden durch meine Art, Politik zu machen. Sie werden von mir auch kein abschätziges Wort über den politischen Mitbewerber hören.

Aber da können Ihnen doch gewisse Töne, die jetzt aus der Bundesregierung kommen, nicht gefallen.
Welche meinen Sie?

FPÖ-Sozialministerin Hartinger-Klein hat kürzlich geäußert, man könne – wenn die Wohnkosten abgedeckt sind – mit 150 Euro im Monat auskommen.
Ich nehme mir die Freiheit, nicht alles zu kommentieren. Nicht zur Freude aller Medien. Aber man muss nicht zu allem seinen Senf abgeben. Es gibt vieles, was mir nicht gefällt, und vieles, was ich unterstütze. Letztlich ist jeder selber dafür verantwortlich, was er von sich gibt, und das richtet dann eh die Öffentlichkeit. Ich sehe mich nicht als Oberlehrer der Nation, der Zensuren verteilt.

© Ricardo Herrgott Es gibt keine kleinen Spitäler mehr zuzusperren, sagt Haslauer. Die AUVA will er erhalten

Die Länder waren zuletzt geschlossen gegen die Ankündigung der Familienministerin, die Mittel für die Kinderbetreuung zu kürzen, konnten sich aber nicht zu einer gemeinsamen Protestnote durchringen. Salzburg, Tirol und Niederösterreich haben eigene Briefe geschickt. Warum?
Es ist gut geübter Usus, dass Landeshauptleute, egal, von welcher Partei sie kommen, in der Sache einen sehr sachlichen Umgangston miteinander haben und bei der Durchsetzung der föderalen Interessen Parteipolitik möglichst hinten lassen. Jetzt hat das Burgenland den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz, hat also die sachlichen Stellungnahmen der Länder zu diesen 15a-Vereinbarungen gesammelt. Mit dem sachlichen Teil dieser gemeinsamen Stellungnahme habe ich sehr gut leben können, aber es gab eine zweieinhalbseitige Präambel, die rein parteipolitisch eingefärbt war, und die unterschreibe ich schlicht und einfach so nicht.

Einige ÖVP-Bundesländer haben unterschrieben.
In anderen Bundesländern ist das durch Abwesenheiten von Politikern und zum Teil durch die Beamtenseite vielleicht nicht so sensibel gelaufen wie bei uns. Man darf eines nicht vergessen: Es handelt sich um eine freiwillige gestalterische Aufgabe des Bundes, und ich habe es nicht als fair empfunden, dass man sozusagen Kritik übt, der Bund ziehe sich aus diesem Bereich zurück. Dieses Bundesregierungs-Bashing ist nicht notwendig. Ich glaube, dass wir im direkten Gespräch wesentlich mehr erreichen, und das scheint auch so zu sein.

Es geht also kein Riss durch die ÖVP – ein Teil bundesregierungsfreundlicher, ein Teil skeptischer?
Es ist offenbar der alljährliche Sommersport, einen Riss hineinzukonstruieren. Ich finde es bedauerlich, weil man kaum eine sachliche Debatte führen oder einen Diskussionsbeitrag liefern kann, ohne dass es gleich heißt: Streit, Landeshauptleute gegen Bundeslinien und so weiter. Auf der einen Seite wird die berühmte Message Control kritisiert, also dass Dinge vorher abgesprochen werden, um eine einheitliche Linie zu finden. Und auf der anderen Seite verlangt man doch immer wieder, dass in einem konstruktiven Diskurs um gemeinsame Lösungen gerungen wird.

Die FPÖ möchte die Finanzierung des Ausbaus der Kinderbetreuung an ein Kopftuchverbot für Kinder koppeln. Halten Sie das für sinnvoll?
Nein. Ich kann nur von Salzburg sprechen. Wir haben hier ganz, ganz wenige Fälle, und das wird im Kindergarten selber gelöst. Dafür braucht man keine gesetzliche Regelung. Ich kenne die Wiener Verhältnisse nicht und weiß nicht, ob es dort ein Massenphänomen ist. Es sind sich in der Sache alle einig, dass Kopftücher im Kindergarten nichts verloren haben. Die Diskussion geht ja nur darum, koppelt man das an die Finanzierung der Kinderbetreuungseinrichtungen oder, mit anderen Worten formuliert: Wird alles unter den Prätext Ausländer, Islam, Flüchtlinge gestellt. Es taucht immer in den unterschiedlichsten Materien auf. Und ich glaube, die Diskussion ist aus der Junktimierung zweier Themen entstanden, die eigentlich miteinander nichts zu tun haben.

Diese Junktimierung hat System. Sie halten davon nichts?
Ich persönlich nicht, weil das eine ist das eine und das andere ist das andere. Wie gesagt, bei uns ist das kein großes Problem und inhaltlich sind sich alle einig. Ich glaube, das ist auch eine politische Einflussnahme der FPÖ, die sich in diesen Themen einfach wiederfinden möchte, das Thema sehr stark für sich positioniert und glaubt, ihren Wählern das schuldig zu sein. So funktioniert halt eine Koalition. Die Alternative ist: Wenn die FPÖ nicht zustimmt, wird es die 15a-Vereinbarung nicht geben. Da muss man einen Ausweg finden. Daher ist es vielleicht auch eine Frage der Wortwahl. Wir haben eingebracht, dass man sie etwas milder und verträglicher gestaltet als im Erst­entwurf.

Ein allgemeines Kopftuchverbot: Wäre das sinnvoll?
Ich habe da einen liberalen Zugang, ich will nur nicht die Vollverschleierung haben. Aus Sicherheitsgründen und weil es auch nicht unserem Kulturkreis entspricht. Aber gegen Kopftuch habe ich persönlich nichts einzuwenden. Die Bäuerinnen bei uns tragen ja auch Kopftuch. Als ich aufgewachsen bin, war das am Land üblich. Aber Sie wissen ja, Politik lebt auch von Symbolen.

Sie sind in Salzburg einen anderen Weg gegangen als Sebastian Kurz auf der Bundesebene und koalieren mit Grünen und Neos. Wie oft haben Sie sich in den letzten Wochen schon dazu gratuliert?
Noch gar nicht. Gratulieren kann ich mir erst am Ende der Legislaturperiode. Auf Bundesebene würde ich die Situation als TINA einschätzen, „there is no alternative“. Die große Koalition wird eines Tages wiederkommen, davon bin ich überzeugt, aber die braucht jetzt einmal eine Ruhepause. In Salzburg hatten wir drei Varianten, eine mit SPÖ, eine mit FPÖ und eine mit Neos und Grün. Letztlich war es eine Bauchentscheidung. Ich habe mir angewöhnt, auf den Bauch und nicht auf den Kopf zu hören, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Ich wollte eine Regierung der Mitte haben, und die Mischung, die wir jetzt haben, passt sehr gut.

© Ricardo Herrgott „Wir können uns beim Thema Flüchtlingsquote nicht rausreden“

Aus christlich-sozialen Kreisen der ÖVP kommt immer wieder Kritik an der Flüchtlingspolitik der türkis-blauen Regierung. Können Sie die nachvollziehen?
Ja und nein. Die Widersprüchlichkeit in dem Thema liegt darin, dass man im Allgemeinen sagt, nicht zu viele Fremde, weil wir das auch von der politischen Stabilität und der kulturellen Ausrichtung unseres Landes nicht wollen. Und im Einzelfall rühren einen die Einzelschicksale zu Tränen. Aus dieser Widersprüchlichkeit kommen wir nur heraus, wenn wir das Thema Asyl und das Thema Arbeitsmarkt voneinander trennen. Wir haben im Lehrlingsbereich junge Leute, die einen negativen Asylbescheid hatten, danach eine Lehre begonnen haben und jetzt abgeschoben werden sollen. Wenn junge Leute in einem Mangelberuf eine Lehre machen und einen entsprechenden Lernfortschritt nachweisen können, warum sollten sie dann nicht einen Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bekommen? Wenn man dann die Lehre fertig hat und in diesem Mangelberuf tatsächlich arbeitet, warum sollte so eine Niederlassungsbewilligung nicht zeitlich befristet weiter gegeben werden? Das hat dann nichts mit Asyl zu tun, sondern ist ein Weg für Arbeitskräfte, die wir in Österreich momentan dringend brauchen.

Wir sitzen hier im Park des Schlosses Leopoldskron. Es hat einst dem Festspielgründer Max Reinhardt gehört, der vor den Nationalsozialisten in die USA fliehen musste. Hat Österreich eine besondere Verantwortung für Minderheiten?
Ja. Wir können uns sicher nicht ausreden auf Tschechen oder Polen, die beim Thema Flüchtlingsquote weniger machen als wir. Ich glaube, wir haben eine besondere Verantwortung, auch uns besonders anzustrengen, um uns am Abend in den Spiegel schauen zu können. Klar ist aber auch, dass es hier eine Begrenzung gibt. Es geht nicht unendlich. Österreich kann nicht das Unheil der gesamten Welt schultern. Aber ja, wir haben eine historische Verantwortung, auch wenn es unsere Generation nicht mehr unmittelbar betrifft. Ich finde auch, dass Kanzler Kurz mit seiner Reise nach Israel hier einen Meilenstein gesetzt hat.

In Ihrer Rede zur Festspiel­eröffnung haben Sie über die „Metamorphose des Menschen“ gesprochen. Wohin entwickeln wir uns Ihrer Meinung nach?
Die Frage, die mich sehr beschäftigt: Lernt die Menschheit in Summe dazu? Lernt der einzelne Mensch aus den Brüchen und Katastrophen der Vergangenheit? Entwickelt er sich weiter? Wir schwören bei diversen Gedenkveranstaltungen „nie wieder“ und so weiter. Die Frage ist ergebnisoffen. Es liegt an uns selber, was wir daraus machen. Es ist unsere Verantwortung. Und es ist letztlich auch eine Verantwortung an Bildung, die wir weiterzugeben haben, und die eben nicht nur mit einem Nützlichkeitsgebot, mit Funktionieren in der Gesellschaft, sondern auch sehr viel mit Kultur- und Herzensbildung zu tun hat. Ich glaube schon, dass sich die Gesellschaft ins Positive geändert hat. Aber es ist halt so eine Pendelbewegung, und die Frage ist immer, wie weit schlägt das Pendel dann wieder zurück in die andere Richtung.

Wie können wir besser werden?
Kunst und Kultur sind sicher wichtige Antreiber. Aber auch, wie man miteinander umgeht. Was wir einander in der Begegnung von Mensch zu Mensch wert sind. Da spielt Höflichkeit eine große Rolle, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft, nicht gleichgültig zu sein. Wenn das gelebte Lebensgrundsätze oder auch Erziehungsprinzipien sind, dann können sie in ihrer Summe schon etwas dazu beitragen, dass die Menschheit anders wird, als sie in den großen Katastrophen der Geschichte gewesen ist. Hoffe ich zumindest.

Dieses Interview erschien ursprünglich in der Printausgabe 32 2018