Rendis Mann
fürs Grobe

Als Parteimanager der SPÖ muss Thomas Drozda die Schläge für seine Chefin einstecken. Die Hiebe kommen nicht nur von der Konkurrenz, auch die eigenen Leute sind noch skeptisch. Wie rot ist der Neue an der Spitze?

von Politik - Rendis Mann
fürs Grobe © Bild: Ricardo Herrgott

Von seinem Büro in der SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße sieht Thomas Drozda das Burgtheater. Noch vor einem Jahr war er Kulturminister, und es fiel in seine Zuständigkeit. An den Wänden seines nunmehrigen Arbeitsplatzes hängen derzeit: ein Victor-­Adler-Porträt und ein riesiger Terminkalender. Sonst: alles weiß. Noch einmal will sich Drozda nämlich nicht in einer Debatte wiederfinden, wie er sie soeben hinter sich gebracht hat. Als Kunstminister war er auch für die Museen zuständig, lieh ein Bild von Kurt Kocherscheidt vom Belvedere für sein Arbeitszimmer im Kanzleramt, nahm es mit ins Parlament und später in die SPÖ, kümmerte sich nicht um die Leihverträge („Ich hatte bei der Übersiedlung andere Themen. Es war immer vereinbart, dass ich das Bild Ende dieses Jahres zurückgebe“) – und die Spindoktoren von Türkis und Blau nahmen die sehr unprofessionelle Geschichte dankbar auf. Das gab der ohnehin schon laufenden Debatte – ist ein Roter, der gerne ins Theater geht, belesen ist und das auch zeigt, der teure Uhren besitzt, ein basisferner Bobo? – noch mal richtig Feuer.

Dass sich ÖVP und FPÖ auf den neuen Bundesgeschäftsführer der SPÖ einschießen, ist nicht so überraschend. Die neue SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner auf diese Art anzugehen, da haben selbst die härtesten Knochen der Regierungsparteien noch Hemmungen. Sie ist neu, sie passt nicht in den gängigen politischen Feindbildkatalog, sie ist eine Frau – das kommt womöglich bei den bürgerlichen Regimentern nicht so gut, wenn man der studierten Medizinerin gleich einmal die erste Breitseite verpasst. Aber Drozda? Den kennt die ÖVP schon als Koalitionskoordinator, als man noch mit der SPÖ regierte, da kann man weitermachen, wo man im Infight vor der Wahl aufgehört hat.

Probleme mit dem politischen Mitbewerber gehören für einen Parteimanager zum Tagesgeschäft. Bloß die eigenen Reihen hinter ihm sollten dicht geschlossen sein. Doch als Drozda von Pamela Rendi-­Wagner ins neue Amt befördert wurde, war die Irritation der Basis spürbar, vor allem auch, weil dort der hemdsärmelige Max Lercher beliebt war. Viele SPÖ-Funktionäre fremdeln mit dem ehemaligen Kulturmanager, den Christian Kern zum Minister machte, der also auch für jene Ära steht, die sie rasch vergessen möchten.

Also: Wie viel Sozialdemokratie steckt in Thomas Drozda? „Ich bin seit 40 Jahren dabei, hab in der Jungen Generation in Traun, wo ich aufgewachsen bin, begonnen“, erzählt er. Hochpolitisch waren die Aktivitäten damals noch nicht. „Wir haben Feste veranstaltet und den Ostbahn-Kurti nach Traun eingeladen.“ Seine Eltern waren „klassische Aufsteiger“, die Mutter Buchhalterin, die aus Gesundheitsgründen früh in Pension gehen musste, der Vater hat sich vom kaufmännischen Lehrling zum Betriebsleiter hochgearbeitet. „Es war kein sehr politisches Elternhaus. Aber ich bin ein Kind der Kreisky-Generation, weil ich der Erste in der Familie war, der studiert hat. Diese Selbstverständlichkeit, mit der andere gesagt haben, jetzt mach ich das Gymnasium und dann ein Studium, das war bei mir nicht angelegt und klar.“

Seine politische Prägung? „Die Waldheim-Zeit. Die ÖVP-Plakate ,Wir Österreicher wählen, wen wir wollen‘ auf gelbem Grund – unvergessen.“ Vergangenheitsbewältigung wurde ein wichtiges Thema für Drozda, er las Thomas Bernhard und Josef Haslingers „Politik der Gefühle“. „Diese Zeit hat mich am meisten beeinflusst.“

Nach der Matura folgten in Linz Studien der Betriebswirtschaft (wo sich eher die schwarzen Studenten engagierten) und der Volkswirtschaft (die Domäne der sozialistischen Studenten). Was war er damals? Linker Revoluzzer? Bürgerschreck? „Ehrlich gesagt: Ich bin die ganze Zeit mit schwarzen Rollkragenpullis herumgelaufen und sehr in die französischen Existenzialisten hineingekippt. Ich habe Sartre, Camus und Simone de Beauvoir gelesen und bin sehr durch Filme beeinflusst wurden, diese ganze Nouvelle-Vague-Geschichte.“ Jene Schule der Linken also, die mehr in der Literatur, in der Kultur, in der Beschäftigung mit der Geschichte das ­Landes als an den Werkbänken stattfand.

In der Schule des Titanen

Als Drozda von Franz Vranitzky als Mitarbeiter ins Bundeskanzleramt geholt wurde, war mit Josef Cap ein Mann SPÖ-Zentralsekretär, der einen ebenso intellektuellen Zugang zur Politik pflegt – und auf die Funktionäre vielleicht ebenso abgehoben wirkte. Spricht er von seiner Zeit bei Franz Vranitzky, wird Drozda nostalgisch. Eine besonders schöne berufliche Phase sei das gewesen. Vranitzky ist für ihn „ein Titan, der gegen Widerstände der Partei, der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft den EU-Beitritt herbeigeführt hat. Und es war genauso eine Großtat, sich endlich der Geschichte des Landes zu stellen und nach Israel zu fahren, um sich zu entschuldigen. Das sind, aus der Vogelperspektive betrachtet, historische Ereignisse, diesen Atem der Geschichte zu spüren, hat etwas Faszinierendes.“

Mit Vranitzky und den Kollegen von damals blieb er freundschaftlich verbunden, als er die Politik verließ, um zunächst ins Burgtheater-Management (siehe auch S. 26) und dann an die Spitze der Vereinigten Bühnen Wien zu wechseln. Und Freundschaft ist es auch, die ihn nun ins Parteimanagement beförderte. Michael Rendi, der Mann der nunmehrigen Parteichefin, war Drozdas wichtigster Mann im Ministerkabinett. Nun ist er Rendi-Wagners Troubleshooter in der Partei. Wie es dazu kommt? „Die Verbindung ist eigentlich eine Freundschaft meiner Frau mit ihr“, erzählt er. „Die hat dazu geführt, dass wir uns als Paare angefreundet haben. Das ist jetzt sicher 15 Jahre her. Seit ich meine Frau kenne, kenne ich die Familie Rendi-­Wagner.“ Bei Treffen habe man immer über Politik diskutiert – ohne einschlägige Zukunftspläne. „Es gibt die Sandkistenmenschen (wie Alfred Gusenbauer, der angeblich dort schon wusste, dass er Kanzler werden will, Anm.). Es gibt jene, die an der Tür des Kanzleramts rütteln wie Gerhard Schröder in Deutschland. Und es gibt die politischen Menschen, bei denen sich das im Laufe einer Biografie ergibt, ohne dass man sagt, über welche Netzwerke organisier ich mir das.“

„Eher misstrauisch“

Sein zweites Leben in der Politik begann Drozda mit Christian Kern. Den kannte er ebenfalls aus den Vranitzky-Jahren, in denen Kern Pressesprecher von SPÖ-Klubobmann Peter Kostelka war. Drozdas Aufgabe war nun, neben den Kulturagenden das Räderwerk der Koalition am Laufen zu halten. Ein Verhandlungspartner von damals beschreibt ihn als „eher misstrauisch, ohne den klassischen Stallgeruch der SPÖler, ein bissel eitel mit teuren Uhren und einem Porsche“.

Als Kulturminister traf Drozda Personal­entscheidungen von Burg bis Oper, die, so hört man, auch sein Nachfolger Gernot Blümel gar nicht schlecht findet. Bei manchen dieser Ernennungen fischte auch er im Topf persönlicher Freund- und Bekanntschaften: Kunstsektionschef Jürgen Meindl etwa ist ein Freund aus Linzer Jugendtagen, der nun Blümel zuarbeiten muss. SPÖ-intern wird ihm in dieser Zeit zugebilligt, im erratisch geführten Nationalratswahlkampf als einer von wenigen kühlen Kopf bewahrt zu haben.

Drozda bestätigt die Zuschreibung „misstrauisch“ zumindest indirekt, indem er über seine Zeit im Kabinett Kern sagt: „Die 19 Monate dort, das war ein reines Zerstörungsprojekt der ÖVP. Da ging es nur darum, dass der junge Mann (Drozda bezeichnet Sebastian Kurz im Gespräch durchgehend nur so) seine Beliebtheitswerte optimiert, möglichst wenig in der Regierungssitzung vorkommt, seine Themen setzt und alle applaudieren und keinerlei Verantwortung übernimmt, obwohl er ein zentrales Ressort zu führen hatte.“

Nun soll er die SPÖ mit Pamela Rendi-­Wagner zurück ins Kanzleramt führen. Und das mit einer finanziell wie personell ausgehungerten, demoralisierten Partei. Rendi-Wagner sei „das positive Gegenmodell zu dem, wofür diese Regierung steht“, beteuert er. „Sie steht für ein soziales, gemeinsames, faires Land.“ Als ausgebildete Ärztin gehe sie an die Themen anders heran: „Es geht nicht um die Schlagzeile des nächsten Tages, sondern, du musst eine Anamnese machen, eine Diagnose stellen und eine Therapie machen, so nähern wir uns den Themen des Landes. Konstruktive sinnvolle Oppositionspolitik.“ Ob das vier Jahre lang durchzuhalten ist? „Vielleicht verliert diese Regierung ja schon in zwei Jahren die Lust, wenn es ihnen nicht gelingt, dort drüben (Drozda deutet auf das Rathaus vis-à-vis) einen schwarz-blauen Bürgermeister zu installieren. Jetzt halten ÖVP und FPÖ nur zusammen, um uns in Wien zu vernichten. Weil das nicht gelingen wird, wird man danach ganz andere Diskussionen führen.“

D-Day Wien-Wahl also. Ob bis dahin die SPÖ-Funktionäre von ihm überzeugt sein werden? Drozda: „Ehrlich gesagt, wo immer ich hinkam, hat man gesagt, schau ma mal. Das ist auch legitim. Ich bin nicht der Mensch, dem unmittelbar die Herzen zufliegen. Das ist auch nicht nötig, mir geht es nicht darum, mit großen Vorschuss­lorbeeren empfangen zu werden. Ich bin uneitel und möchte am Ende gemeinsam etwas weiterbringen.“

Dieser Artikel erschien ursprünlgich in der Printausgabe 47 2018