Bogner-Strauß:
Eine Frau für Frauen?

Frauen-und Familienministerin Juliane Bogner-Strauß will Frauen und Mädchen in besser bezahlte, technische Berufe bringen. Diese sollten dann aber auch tatsächlich arbeiten gehen, sagt sie.

von Politik - Bogner-Strauß:
Eine Frau für Frauen? © Bild: News/Ricardo Herrgott

Werden unsere Töchter in zehn Jahren wirklich die gleichen Chancen haben wie die Buben?
Wir tun alles dafür. Und es gibt ja schon mehr Maturantinnen, beim Studium bis zum Master liegen Mädchen und Burschen auch noch ziemlich gleich. Aber dann dünnt es aus, da gibt es schon noch viel zu tun.

Woran liegt das?
Diese Ausdünnung hat mehrere Gründe. Ich habe bei Kolleginnen auf der Uni gesehen, wie sie Kinder bekommen und nicht mehr in den Job zurückgekommen sind. Der Karriereknick beim ersten Kind war immer sehr offensichtlich.

Sollten Frauen 50 Prozent der Topjobs haben?
Ich war auf der Technischen Universität Graz. Da kommen in gewissen Sparten einfach nicht genügend Absolventinnen raus, um überall 50 Prozent zu besetzen. Bei Maschinenbau oder Elektrotechnik wäre es schwierig, die Hälfte der Führungspositionen mit Frauen zu besetzen, wenn es nur fünf Prozent der Studienabschlüsse sind.

Liegt das an falschen Rollenbildern? An Eltern und Lehrern, die Mädchen sagen: Mach das nicht, das ist ein "schmutziger" Beruf?
Das ist ein wichtiger Punkt. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Ich hatte eine Chemieprofessorin und mich daher früh für dieses Fach interessiert. Man muss früh anfangen.

Im Kindergartenalter kann man Kinder noch mitnehmen. Mit 15 erreicht man sie kaum mehr. Und je mehr Frauen in technische Berufe gehen, desto mehr Role Models gibt es. Gleiches gilt für Führungspositionen. Da erfolgt die Besetzung halt nach dem Ähnlichkeitsprinzip.

Im Kindergarten macht man aber kaum technische Dinge. Es passiert schon viel. Dass junge, motivierte Frauen -es sind immer Frauen -aus naturwissenschaftlichen Fächern mit dem Chemiekasten in den Kindergarten gehen, und die Kinder damit vertraut machen. Meine beiden Jüngeren waren im Kindergarten ständig damit konfrontiert.

Sollte man das nicht bundesweit implementieren?
Wir wollen einen einheitlichen Qualitätsrahmen, was die Kinderbetreuung betrifft. Da könnte man das andenken.

»Herausforderung ist, dass Mädchen in vielen Fächern gut sind«

Wie bringt man Mädchen in die technischen Fächer?
Die Herausforderung ist, dass die Mädchen in vielen Fächern gut sind. Und es herrscht ja Wahlfreiheit. Man kann nicht wirklich lenken, es sei denn durch Beschränkungen bei Studienfächern, wo die meisten arbeitslosen Akademiker überbleiben. Das könnte zu Naturwissenschaften lenken. Was wir noch machen müssen: Die Kinder müssen mehr über das Portfolio an Berufen wissen. Da kann ich von den eigenen Kindern reden: Es sind die bekannten Berufe, und das, was die Eltern machen, ist immer spannend.

Oder justament nicht.
Bei uns gerade schon.

Also alle wollen Ministerinnen und Minister werden?
Nein, alle wollen Chemiekästen und herumpantschen. Mein Mann hat Maschinenbau gemacht, darum wollen die Kinder mit ihm herumschrauben. Ich bin als Kind am Bauernhof mit meinem Papa im Weinkeller im "Labor" gestanden.

2030 werden 57 Prozent der Mädchen maturieren und nur 43 Prozent der Burschen. Wird sich so das Frauen-und Familienbild ändern?
Ich glaube schon. Aber wir müssen einiges tun, damit die Mädchen in die richtigen Berufe gehen. Die Lohnschere gibt es ja auch deshalb, weil so viele Frauen in Niedriglohnberufen sind. Da muss man ihnen schon sagen: In anderen Fächern verdient ihr mehr.

Nach wie vor arbeiten rund 70 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 nur Teilzeit.
Und nur acht Prozent der Männer. Da gibt es einiges zu tun. Die Teilzeitarbeit ist zwar oft selbst gewählt, aber wenn sie zu lange dauert, bleibt man hängen. Da muss man Bewusstsein schaffen. Wenn du dich dafür entscheidest, musst du mit Folgen für Karriere und Pension rechnen. Männer würden ja laut Umfragen gerne auch Teilzeit und die Frauen mehr Stunden arbeiten. Aber dann müssen sie es halt auch tun.

Ist Teilzeit wirklich selbst gewählt, wenn der Kindergarten um 16 Uhr schließt?
Ich habe mir die Studie angeschaut, die die vergangenen 13 Jahre beschreibt. In dieser Zeit wurden 70.000 neue Kindergartenplätze geschaffen, es gibt sogar mehr Teilzeitarbeit als 2005. Daran, dass es die Kindergartenplätze nicht gibt, scheint es also nicht zu liegen.

»Ich bin am Anfang in Interviews dauernd gefragt worden, ob ich eine Rabenmutter bin.«

Da wären wir wieder beim Familienbild. Müttern wird oft ein schlechtes Gewissen gemacht.
Ich weiß, das hören wir Frauen ständig. Ich bin am Anfang in Interviews dauernd gefragt worden, ob ich eine Rabenmutter bin. Bis ich etwas deutlicher geworden bin und gesagt habe: Einen Mann fragen Sie das nicht!

Wir haben diese Frage ausdrücklich nicht im Programm.
Danke! An diesem traditionellen Bild muss man schon etwas ändern. Offenbar ist die Wertschätzung der Frauenarbeit noch nicht zu 100 Prozent gegeben. Frauen müssen sich bewusst entschließen, wieder ganz in die Arbeit zurückzugehen und Karriere zu machen. Und sie müssen ihrem Partner sagen: Nicht nur ich bin zuständig, sondern auch du.

Viele junge Frauen heute wollen zu Hause bleiben. Wo bleibt die Emanzipation?
Ich bin in den 70er-Jahren in der Südsteiermark aufgewachsen, das war damals ein Armenviertel, und wir haben danach gegiert, dass es uns besser geht. Meine Mutter hat immer gearbeitet. Was ich heute sehe: Es geht uns wirtschaftlich sehr gut, das könnte ein Grund sein, warum Maturantinnen zwar eine Ausbildung machen, aber dann doch bei der Familie bleiben wollen. Aber das ist ein Schritt in die falsche Richtung. Die Ausbildung hat den Staat viel gekostet, das sollte auch in die Wirtschaftswertschöpfung zurückfließen.

»Weil es uns besser geht, gibt es andere Standards«

Gibt es dieses Biedermeier auch, weil diese Generation zu gestresste Eltern hatte?
Das könnte sein. Aber wichtig ist ja nicht die Quantität der Stunden, die man miteinander verbringt, sondern die Qualität. Ich diskutiere das oft mit meinen Schwägerinnen, da laufen die Kinder im Betrieb nebenher mit. Es muss jeder den Weg gehen, den er gewählt hat, aber mit dem Wissen, was in der Pension rauskommt.

Können es sich Familien überhaupt noch leisten, dass nur einer verdient?
Vielleicht ist das jetzt rau, was ich sage. Weil es uns besser geht, gibt es andere Standards. Ich kann mich in meiner Kindheit an keinen Urlaub erinnern, zum Spielen hatten wir ein Lego Duplo. Heute haben viele Kinder Tablets und mehrere Urlaube pro Jahr. Das ist halt der Fortschritt, mit dem wir gehen, aber den muss man sich erarbeiten.

Zurück zur Chancengleichheit: Warum ist das Kind eines Managers beim Familienbonus mehr wert als das einer Alleinerzieherin?
Österreich hat noch nie in einem Paket 1,5 Milliarden Euro für Kinder in die Hand genommen. Wir möchten Steuer entlasten, denn es ist einfach so: Familien, die arbeiten, haben eine große Belastung und zahlen ins System ein. Diese Familien möchten wir ab dem ersten Steuereuro entlasten. Wenn man 1.750 Euro verdient -das ist unter dem Durchschnittseinkommen -, ist man für ein Kind komplett entlastet. Natürlich haben wir auch über die Alleinverdienerinnen nachgedacht. Die sind bei der Steuerreform 2016 sehr gut ausgestiegen und bekommen nun noch 250 Euro drauf.

Trotzdem sind diese Kinder nicht gleich viel wert.
Früher konnte man Kinderbetreuungskosten auch nur von der Steuer absetzen. Jetzt haben wir eine Absetzung auch für Kinder, die über zehn sind. Es soll mir keiner erklären, dass meine Tochter nächstes Jahr günstiger wird - eher nicht.

Nächste Ungleichheit: Bildung wird vererbt.
Meine Eltern hatten keine Matura.

Dass Kinder dann Hochschulprofessorinnen werden, sind noch immer statistische Ausreißer.
Aber es wird immer besser. Wir tun viel: Kindergartenkosten sind sozial gestaffelt. Jetzt werden die Bildungschancen mit Deutschförderklassen verbessert. Ich glaube, in Österreich ist alles niederschwellig: Die Schulen sind gratis, Universitäten sind gratis. Eigentlich müsste es gute Chancen geben, dass sich bei der Bildungsgerechtigkeit etwas ändert.

Ungerecht ist auch, dass Kinder, die im Ausland leben, weniger wert sind - auch wenn ihre Eltern hier ins System einzahlen.
Die Familienbeihilfe ist eine Sozialleistung. Mit dieser ersetzen wir Lebenshaltungskosten. Wenn das Kind in Rumänien oder Bulgarien lebt, sind diese Kosten sehr gering. 200 Euro entsprechen dort fast einem Durchschnittseinkommen. Damit kann man einem Kind etwas anderes bieten als in Österreich. Das ist nicht fair, muss man definitiv sagen. Es gibt sogar ein EU-Land, das Steuern auf unsere Familienbeihilfe einhebt. Das ist nicht okay, dass wir so andere Länder mitfinanzieren.

Die slowakischen Pflegerinnen werden damit bestraft, der heimische Diplomat in New York bekommt mehr.
Da kostet das Leben wahrscheinlich ein bisschen mehr.

Er verdient auch mehr.
Das sind zwei Paar Schuhe. Das eine ist das Gehalt, das andere die Familienbeihilfe. Und wenn die Pflegerinnen diese als Gehaltsbestandteil sehen, ist das schlecht für uns, weil dann gibt es Lohndumping auch noch.

Noch einmal Gleichbehandlung: Im Jugendschutz werden jetzt fast alle Kinder gleich behandelt - wenn sie abends in Raucherlokalen weggehen.
Früher gab es ganz unterschiedliche Zeiten, wie lange man fortgehen durfte. Wo ich herkomme, war man besonders konservativ -bis 23 Uhr.

Daran hat sich doch keiner gehalten.
Wir hätten uns nicht daran gehalten, aber meine Eltern waren eher streng, da war 23 Uhr schon zu lang. Was das Rauchen betrifft: Wir haben das Alter auf 18 Jahre erhöht. Die Bars in den Studentenvierteln sind für Jüngere sowieso gesperrt. Und in vielen anderen Lokalen wird ja nicht mehr geraucht.

»Dass man wenig von mir hört, kann auch heißen: Ich habe gut gearbeitet und mir keine Ausrutscher geleistet«

Das neue Jugendschutzgesetz wird Ihnen gar nicht so zugeschrieben. Stehen Sie nicht gern im Mittelpunkt?
Ich sehe das nicht so. Dass man wenig von mir hört, kann auch heißen: Ich habe gut gearbeitet und mir keine Ausrutscher geleistet. Und wir haben schon viele tolle Sachen gemacht: Zum Beispiel bei der Gewaltprävention, das ist mir ein besonderes Anliegen, Johanna Dohnal hat schon dafür gekämpft, ich kämpfe weiter.

Ist Johanna Dohnal ein Vorbild?
Ja, ich finde, das war eine großartige Frau. Was sie geleistet hat in Österreich, wird keine zweite Frau schaffen.

Man kann es sich vornehmen.
Mache ich gerne, aber man muss schon ein bissel Realismus an den Tag legen. Dohnal hat das in einer Zeit gemacht, in der extrem viel Änderungsbedarf da war für Frauen.

Sie übernehmen im Sommer die Agenden von Agrarministerin Elisabeth Köstinger, die ein Kind bekommt. Ist das "nur" eine Vertretung oder wollen Sie Akzente setzen?
Ich werde, natürlich in Abstimmung mit Elli Köstinger, schon Akzente setzen. Es kommt ja auch die Ratspräsidentschaft, das wird wirklich spannend. Ich freue mich darauf, ich komme ja von einem Bauernhof und habe oft Diskussionen mit dem Papa und den Brüdern zu Hause. Da geht es dann um Bienengifte oder Glyphosat.

Letzte Frage: Was soll am Ende Ihrer Amtszeit über Sie in Wikipedia stehen?
Eine Frau für die Frauen.

Zur Person: Die 46-Jährige ist im steirischen Gamlitz in einer Weinbauernfamilie aufgewachsen. Sie studierte an der Universität Graz Chemie, promovierte in Molekularbiologie und begann eine wissenschaftliche Karriere an der Uni Graz. 2005 wechselte die verheiratete Mutter dreier Kinder an die TU Graz und war zuletzt dort stellvertretende Institutsleiterin für Genomik und Bioinformatik. 2017 wurde Bogner-Strauß, die in Graz lebt, für die ÖVP in den Nationalrat gewählt und kurz darauf Ministerin.