Pflege in Österreich: Pflegestufen, Pflegegeld, 24-Stunden-Pflege

In Österreich sind knapp 500.000 Menschen pflegebedürftig. In 80 Prozent der Fälle werden Betroffene von Angehörigen gepflegt. Die professionellen Angebote reichen von "Essen auf Rädern" bis hin zur 24-Stunden-Pflege.

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Eine Person in häuslicher Pflege. © Bild: Barcin

Inhaltsverzeichnis

Was ist Pflege einfach erklärt?

Als Pflege werden sämtliche Tätigkeiten und Maßnahmen gefasst, die der Erhaltung, Wiederherstellung oder Anpassung von physischen, psychischen und sozialen Funktionen und Aktivitäten einer Person dienen.

Eine umfassendere Definition von "Pflege" liefert die Weltgesundheitsorganisation WHO:

"Der gesellschaftliche Auftrag der Pflege ist es, einzelnen Menschen, Familien und ganzen Gruppen dabei zu helfen, ihr physisches, psychisches und soziales Potenzial zu bestimmen und zu verwirklichen, und zwar in dem für die Arbeit anspruchsvollen Kontext ihrer Lebens- und Arbeitsumwelt. Dabei müssen die Pflegenden Funktionen aufbauen und erfüllen, welche die Gesundheit fördern, erhalten und Krankheit vermeiden. Zur Pflege gehört auch die Planung und Betreuung bei Krankheit und während der Rehabilitation, und sie umfasst zudem die physischen, psychischen und sozialen Aspekte des Lebens in ihrer Auswirkung auf Gesundheit, Krankheit, Behinderung und Sterben. Pflegende gewährleisten, dass der Einzelne und die Familie, seine Freunde, seine soziale Bezugsgruppe und die Gemeinschaft gegebenenfalls in alle Aspekte der Gesundheitsversorgung einbezogen werden, und unterstützen damit Selbstvertrauen und Selbstbestimmung. Pflegende arbeiten auch partnerschaftlich mit Angehörigen anderer, an der Erbringung anderer gesundheitlicher oder ähnlicher Dienstleistungen beteiligter Gruppen zusammen."

Ein wesentlicher Unterschied ist der zwischen professioneller und nicht-beruflicher/privater Pflege. Etwa ein Fünftel der Pflegebedürftigen in Österreich werden professionell, also von ausgebildetem Pflegepersonal, betreut, rund 80 Prozent der Pflegebedürftigen von Angehörigen und Familienmitgliedern. Das Institut für Pflegewissenschaft und das Institut für Soziologie der Universität Wien schätzen in einer Studie, dass gut 800.000 Personen zu Hause und 146.000 Menschen im Bereich der stationären Langzeitpflege informell in die Betreuung einer pflegebedürftigen Person involviert sind. Das bedeutet, rund zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung sind nicht-beruflich mit Pflegetätigkeiten befasst. Insgesamt brauchen fast eine halbe Million Menschen in Österreich Pflege. Beruflich und nicht-berufliche Tätigkeiten zusammengerechnet sind österreichweit etwa 1,2 Millionen Menschen jedes Jahr mit ihrer Betreuung beschäftigt. 80 Prozent der in der Pflege beschäftigten Personen sind Frauen, pflegende Angehörige sind zu 70 Prozent weiblich.

Was macht eine Pflegekraft?

Pflegekräfte sind für die Betreuung und medizinische Versorgung (bis zu einem gewissen Grad) von pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen zuständig. Dabei ist es das Ziel, die Lebensqualität der zu pflegenden Personen zu erhalten oder zu verbessern. Pflegekräfte sind oft auch wichtige Schnittstellen in der Kommunikation mit Angehörigen. Pflegetätigkeiten sind mittlerweile zu einem eigenen Bereich im Gesundheitswesen geworden, weshalb es eine Reihe von Pflegeberufen und entsprechenden Ausbildungen gibt (Heimhilfe, Pflegefachassistenz, psychiatrische Pflege etc.). Im Zuge der Professionalisierung der Pflegetätigkeiten bildete sich eine eigene Pflegewissenschaft heraus. In Österreich haben sich mit "Pflegewissenschaft" (Bachelor und Master), "Gesundheits- und Krankenpflege" (Bachelor) und "Advanced Nursing Practice" (Master) auch eigene Pflegestudien etabliert.

Professionelle Pflege wird in Österreich meist von sozialen Diensten geleistet. Diese fallen in die Kompetenz der Bundesländer und werden von diesen, den Gemeinden oder von Wohlfahrtsverbänden (zum Beispiel Hilfswerk, Volkshilfe, Rotes Kreuz, Caritas oder Arbeiter-Samariter-Bund) angeboten. Für die Antragsstellung zuständig sind Gemeindeämter und Bezirkshauptmannschaften, in Wien das Sozialzentrum bzw. der Fonds Soziales Wien.

Durch medizinischen Fortschritt und steigende Lebenserwartung wird Pflege in Österreich ein zunehmend relevantes Thema. Bis 2030 werden laut einer Studie 76.000 Pflegekräfte gesucht (siehe hierzu "Wachsender Pflegebedarf").

Ab wann ist man pflegebedürftig?

Unter "Pflegebedürftigkeit" versteht man einen Zustand, in dem eine Person durch Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage ist, ihren Alltag selbständig zu bewältigen. Das heißt, betroffene Personen sind in der ein oder anderen Form auf die Hilfe anderer Personen angewiesen. In den meisten Fällen ist die Pflegebedürftigkeit altersbedingt. In Österreich fallen knapp 500.000 Menschen in die Kategorie "pflegebedürftig". Dabei wird zwischen verschiedenen Pflegestufen unterschieden, welche vor allem beim Bezug von Pflegegeld entscheidend sind.

Von der Haushaltshilfe bis zur 24-Stunden-Betreuung

In Österreich gibt es in Sachen Pflege verschiedenste Angebote für Personen, die ihren Alltag aufgrund körperlicher oder geistiger Einschränkungen nicht (mehr) in vollem Umfang alleine bewältigen können. Die Angebote richten sich nach Bedarf und Gesundheitszustand der Person. Je nach Bundesland, Pflegestufe und Art der Pflege können Betroffene unterschiedliche finanzielle Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen. Eine Übersicht über sämtliche Förderungen finden Sie im Transparenzportal des Bundesministeriums für Finanzen.

  • Bei der sogenannten Hilfe im Haushalt unterstützen Hilfsdienste bei Haushaltstätigkeiten wie Waschen, Bügeln oder kleinen Reparaturen. Leistungen und Preise unterscheiden sich je nach Bundesland, Einkommen und Anbieter.
  • Essenszustelldienste, besser bekannt als "Essen auf Rädern", helfen, wenn Einkaufen oder Kochen zu beschwerlich wird. Leistungen und Preise unterscheiden sich je nach Bundesland, Einkommen und Anbieter.
  • Besuchs- und Begleitdienste können Tätigkeiten erledigen, die außerhalb des Haushalts stattfinden, zum Beispiel Banktermine oder Besorgungen in Apotheken. Besuchs- und Begleitdienste können außerdem bei Arztbesuchen unterstützen. Leistungen und Preise unterscheiden sich je nach Bundesland, Einkommen und Anbieter.
  • Heimhelfer:innen unterstützen bei Alltagsaktivitäten, Arztbesuchen, im Haushalt und bei der Körperpflege. Leistungen und Preise unterscheiden sich je nach Bundesland, Einkommen und Anbieter.
  • Bei der Hauskrankenpflege helfen professionelle Pfleger:innen je nach Bedarf wöchentlich, mehrmals pro Woche oder mehrmals pro Tag bei Körperpflege und medizinischen Aufgaben, wie Medikamenteneinnahme oder Verbandswechsel. Außerdem können sie Angehörige beraten und Hilfestellung leisten. Leistungen und Preise unterscheiden sich je nach Bundesland, Einkommen und Anbieter.
  • Bei der medizinischen Hauskrankenpflege handelt es sich um eine Möglichkeit, Spitalsaufenthalte zu verkürzen oder zu vermeiden. Eine medizinische Hauskrankenpflege wird von diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger:innen auf ärztliche Anordnung durchgeführt und ist auf 28 Tage beschränkt (eine Verlängerung ist möglich). Die Kosten werden von der zuständigen Krankenkasse übernommen.
  • Die umfangreichste Form der Pflege ist die 24-Stunden-Pflege. Eine solche kann über einen kurzen Zeitraum, etwa in der Woche nach einer Operation, oder über mehrere Jahre in Anspruch genommen werden. 24-Stunden-Betreuer:innen unterstützen Betroffene beim Essen, der Körperpflege und beim An- und Ausziehen. Außerdem leisten sie Gesellschaft oder helfen bei Erledigungen und Arztterminen. Eine Förderung kann ab Pflegegeldstufe 3 beantragt werden (siehe hierzu Absatz Pflegegeld). Sämtliche Unterlagen zur Beantragung einer 24-Stunden-Pflege finden Sie hier. Das Sozialministerium empfiehlt zertifizierte Vermittlungsagenturen.
  • Eine weitere Möglichkeit sind Alten- und Pflegeheime. Die Kosten hierfür unterscheiden sich je nach Pflegebedürftigkeit und Einrichtung teils gravierend und hängen insbesondere davon ab, ob es sich um eine öffentliche oder eine private Einrichtung handelt. Der Aufenthalt in einem Alten- und Pflegeheim muss mit Einkommen bzw. die Pension und Pflegegeld finanziert werden. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Zuschüsse möglich, diese sind im Sozialhilfe- bzw. Mindestsicherungsgesetz des jeweiligen Bundeslands geregelt. In einem solchen Fall verbleiben den Betroffenen 20 Prozent der Pension samt Sonderzahlungen sowie 47,50 Euro Pflegegeld als Taschengeld monatlich. Es sind auch vorübergehende Aufnahmen möglich, zum Beispiel zur Übergangs-, Urlaubs- oder Kurzzeitpflege. Recht auf Aufnahme in ein Pflegeheim bzw. auf ein Pflegebett hat man nur nach schriftlicher Zustimmung durch den Heimträger.
  • Unter der Hospiz- und Palliativpflege (häufig als "Palliative Care" bezeichnet) ist eine ganzheitliche Betreuung von Menschen mit schweren Erkrankungen zu verstehen, bei denen eine Heilung unwahrscheinlich ist. Ziel der Palliative Care ist, ein möglichst hohes Maß an Lebensqualität bis zum Lebensende zu gewährleisten. Zentraler Wert der Palliative Care ist die Würde des Menschen.

Das Sozialministerium liefert Empfehlungen zur Wahl der passenden Pflege- und Betreuungsform, über entsprechende Trägerorganisationen, Kosten und Fördermöglichkeiten.

Pflegende Angehörige

Rund 80 Prozent der pflegebedürftigen Personen in Österreich werden zu Hause von Angehörigen gepflegt, in den meisten Fällen von weiblichen Familienmitgliedern. Oben genannte professionelle Unterstützungsleistungen wie Essenszustelldienste oder Heimhelfer:innen können auch als Unterstützungsleistung zugezogen werden. Organisationen wie das Rotes Kreuz bieten außerdem Schulungen für pflegende Angehörige an. Eine Übersicht finden Sie hier.

Um Pflege und Beruf besser vereinbaren zu können, steht nahen Angehörigen in einem Lohnarbeitsverhältnis die Möglichkeit der Pflegekarenz oder die Inanspruchnahme einer Pflegeteilzeit offen. In dieser Zeit besteht für Pflegende ein besonderer Kündigungsschutz, ein Rechtsanspruch auf Pflegekarenzgeld sowie eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung in Form einer beitragsfreien Kranken- und Pensionsversicherung. Voraussetzung für Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit sind der Anspruch auf Pflegegeld ab der Stufe 3 (bei demenziellen Erkrankungen oder minderjährigen Personen ab Pflegegeldstufe 1), eine schriftliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber und ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis von mindestens drei Monaten vor Inanspruchnahme der Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit. Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit können in einem Zeitraum von einem bis maximal drei Monaten vereinbart werden. In Pflegeteilzeit kann die Arbeitszeit auf bis zu zehn Wochenstunden reduziert werden. Eine einmalige Verlängerung ist nur im Falle einer Erhöhung der Pflegestufe der zu pflegenden Person möglich.

Pflegende Angehörige können im Falle von Krankheit, Urlaub oder anderen wichtigen Gründen Geld aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung beantragen, um als Überbrückung professionelle Pflege zu beantragen. Voraussetzung dafür ist, dass die zu pflegende Person seit mindestens einem Jahr gepflegt wird und mindestens Pflegegeldstufe 3 hat. Bei nachgewiesenen demenziellen Erkrankungen oder minderjährigen Personen reicht Pflegegeldstufe 1. Das entsprechende Antragsformular finden Sie hier.

Als nahe Angehörige gelten Ehegatt:innen und deren Kinder, Eltern, Großeltern, Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern, Kinder, Enkelkinder, Stiefkinder, Adoptiv- und Pflegekinder, Lebensgefährt:innen und deren Kinder, eingetragene Partner:innen und deren Kinder, Geschwister sowie Schwiegereltern und Schwiegerkinder. Ein gemeinsamer Haushalt ist keine Voraussetzung.

Pflegegeld und Pflegestufen: Wie viel Geld bekommt man?

Die Aufwendungen für Pflegeleistungen werden in Österreich durch eine pauschale Geldleistung abgegolten, das heißt sie ist unabhängig von der in Anspruch genommenen Pflegeleistung. Die Wahl der Betreuungsart soll somit den Pflegebedürftigen überlassen werden. Insgesamt liegt der Fokus des österreichischen Pflegegelds darauf, familiäre und ambulante Pflege zu fördern. Pflegegeld wird unabhängig von Alter und Ursache der Pflegebedürftigkeit gewährt.

Für die Inanspruchnahme von Pflegegeld müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Ein ständiger Betreuungs- und Hilfsbedarf wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung, die voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird
  • Pflegebedarf von mindestens 65 Stunden pro Monat
  • Ständiger Aufenthaltsort in Österreich

Die Höhe des Pflegegeldes (Stand 2023) bemisst sich anhand von sieben Stufen, welche sich am monatlichen Pflegebedarf und Art der Unterstützung orientieren.

  • Pflegestufe 1: Bedarf von mehr als 65 Stunden, 175,00 Euro
  • Pflegestufe 2: Bedarf von mehr als 95 Stunden, 322,70 Euro
  • Pflegestufe 3: Bedarf von mehr als 120 Stunden, 502,80 Euro
  • Pflegestufe 4: Bedarf von mehr als 160 Stunden, 754,00 Euro
  • Pflegestufe 5: Bedarf von mehr als 180 Stunden und außergewöhnlichem Pflegeaufwand, 1.024,20 Euro
  • Pflegestufe 6: Bedarf von mehr als 180 Stunden und zeitlich unkoordinierbarer Betreuungsmaßnahmen sowie die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson bei Tag und bei Nacht, 1.430,20 Euro
  • Pflegestufe 7: Bedarf von mehr als 180 Stunden und wenn keine zielgerichteten Bewegungen der vier Extremitäten mit funktioneller Umsetzung möglich sind, 1.879,50 Euro

Anträge können beim jeweiligen Pensionsversicherungsträger gestellt werden. Einen Überblick über sämtliche Anlaufstellen finden Sie hier.

Das Pflegegeld wird zwölfmal pro Jahr monatlich ausbezahlt. Über die Höhe des Pflegegeldes wird nach einem Hausbesuch eines Arztes bzw. einer Ärztin per Bescheid entschieden. Es wird empfohlen, diese Einschätzung in der Gegenwart einer/eines Angehörigen vorzunehmen. Gegen den Bescheid kann Klage beim Arbeits- und Sozialgericht eingebracht werden. Stand 2022 beziehen laut Statistik Austria im Jahresdurchschnitt 468.942 Personen in Österreich Pflegegeld, die meisten davon befinden sich in den Pflegegeldstufen 1 und 2. Insgesamt beläuft sich die Summe auf rund 2,8 Milliarden Euro.

Entfall des Pflegeregresses

Seit 1. Jänner 2018 ist ein Zugriff auf das Vermögen zu pflegender Personen in Pflegeeinrichtungen, deren Angehörigen und Erb:innen untersagt. Das heißt, zur Abdeckung der Pflegekosten dürfen zwar Einkommen und Pension, nicht aber Vermögensbestände herangezogen werden. Darunter fallen Immobilien, Wohnungseigentum, Barvermögen und Sparbücher.

Wachsender Pflegebedarf

Medial ist in Österreich oftmals vom "Pflegenotstand" die Rede. Das hat vor allem demographische und arbeitsmarktpolitische Gründe. In Österreich lebende Menschen werden im Durchschnitt immer älter, gleichzeitig ist Pflegepersonal auf dem Arbeitsmarkt Mangelware. Pflege- und Gesundheitspersonal führen das auf mehrere Gründe zurück: die unfaire Entlohnung, körperlich und psychische herausfordernde Arbeitsbedingungen sowie mangelnde gesellschaftliche Wertschätzung. In Summe braucht Österreich bis 2030 zusätzlich 76.000 Pflegekräfte, bis 2050 weit über 100.000.