Der Einpeitscher
des Erlösers

Bei Ö3 war Peter Leo Eppinger noch selbst der Star. Doch dann schmiss er überraschend hin, um als Stimmungsmacher für sein großes Vorbild Sebastian Kurz durch die Lande zu ziehen. Warum nur? Weil auch er die Republik verändern will - womöglich sogar als künftiger Staatssekretär

von Peter Eppinger - Der Einpeitscher
des Erlösers © Bild: News Ricardo Herrgott

September 2016: Radiomoderator Peter Leo Eppinger und seine Frau, Nina, genießen auf der griechischen Halbinsel Chalkidiki die letzten Badetage. Seit Kurzem weiß er, dass er zum ersten Mal Vater wird. Doch die Zäsur weckt auch leise Zweifel: "Was würde ich gerne tun?", sinniert Eppinger unter der milden Sonne des Spätsommers. "Was könnte ich Sinnvolles machen, falls ich tatsächlich einmal nicht mehr bei Ö3 arbeiten sollte?" Und da wird ihm rasch klar: "Es müsste irgendetwas an der Seite von Sebastian Kurz sein."

September 2017: Nur langsam tröpfeln die Anhänger des türkis-schwarzen Kanzlerkandidaten Sebastian Kurz auf dem Freigelände der Salzburger Messe ein. Beachtliche 2.000 sollten es letzten Endes werden, doch anfangs sind es nur ein paar versprengte Grüppchen. Denn auch vertikal tröpfelt es, erst verhalten, dann dicht und monoton. Adio, Griechenland, servus, Salzburger Schnürlregen! Auf der Bühne steht Eppinger und müht sich nach allen Regeln der Motivationskunst ab. Gut, dass er damit Erfahrung hat: In seinem Leben vor Kurz gab er nämlich auch die Stimmungskanone auf Summersplash-Maturareisen.

© News Ricardo Herrgott

Doch feuchtfröhliche Poolparty war gestern. Kälte und Nässe, das ist die klimatische Gegenwart; und die Wahlkampftour, die unter dem Motto "Aufbruch" steht, legt an diesem Spätnachmittag eher einen wetterbedingten Abbruch nahe.

Was nun? Der Mann vom Fach weiß, was jetzt noch hilft, helfen muss - und plötzlich wummert "Last Christmas" von Wham! aus den Boxen. "Nehmt euch in die Arme, nehmt euch an den Schultern und schunkelt", ruft Eppinger dem Publikum zu, hebt beide Arme und schwenkt sie im Takt. Und tatsächlich, die Zaungäste, die sich langsam zur Masse verdichten, singen teils lauthals mit: "Laaast Christmesss, ei gefff ju mei haaat "

Politische Hemmschwelle

Früher war Eppinger, jovial "Eppi" genannt, die vertraute Stimme aus dem Radio, jetzt fängt er selber Stimmen. Doch an Sendungsbewusstsein hat er nichts eingebüßt. "Sprecher von Sebastian Kurz", das ist sein Job. Aber der Neue weiß selbst, dass es da auch noch zwei Ministersprecher und einen Parteisprecher gibt - und sieht seine Aufgabe daher eher pragmatisch als hochtrabend. "Ich bin die Verringerung der Hemmschwelle", sagt er bescheiden und meint damit den Barriereabbau zwischen Wahlvolk und Kandidat.

"Ihr habt ja in Salzburg einen Kapitelplatz", schmettert er von der Bühne. "Nun sorgt dafür, dass auch in der Politik ein neues Kapitel geschrieben wird!" Applaus wahrnehmbar, Hemmschwelle verringert. Und so hat Kurz himself, der wenig später die Bühne entert, relativ leichtes Spiel: "Unsere Bewegung hat mittlerweile so viel Anziehungskraft, dass wir sogar die Wolken mitnehmen." Wieder Applaus, diesmal stärker. "Eppi" hat gesät, Kurz erntet.

Doch was treibt einen Mann wie Eppinger, als "Hitradio"-Moderator der Prototyp eines Unpolitischen, ausgerechnet in die Niederungen eines Wahlkampfs? Was motiviert einen, der selbst Publikumsliebling war, den Einpeitscher für den bürgerlichen Erlöser zu machen und als dessen Vorhut kreuz und quer durchs Land zu ziehen?

"Zunächst", holt Eppinger aus, "ist es das Bekenntnis zu einer Idee, zu einem Menschen." Außerdem habe er das Bedürfnis, als ehemaliger Ö3-Moderator auch endlich weltanschaulich ernst genommen zu werden. "Ich liebte meinen früheren Job - aber nicht, dass ich mich für nichts öffentlich einsetzen durfte, denn das hat mich immer schon aufgeregt." Deswegen habe er nun, da sich "die historische, einzigartige Chance" bot, beschlossen, nicht weiterhin einer der acht Millionen österreichischen Teamchefs zu sein, die nur von außen gescheit daherreden.

Smart, aber herzlich

Auch wenn das Shaped-fit-Hemd da und dort schon ein klein wenig spannt, der mittlerweile 42-jährige Eppinger wirkt noch immer jugendlich und dynamisch. Und vor allem so richtig herzlich. Für fast alle Menschen, mit denen er im Rahmen seiner Tour in Kontakt kommt, hat er ein paar erheiternde Worte parat.

"Wie jung ist denn die kleine Dame?", fragt er etwa die Mutter eines sieben Monate alten Mädchens, die auf den Auftritt von Kurz wartet. "Also mein Kleiner ist jetzt vier Monate", schäkert Eppinger, "aber er steht auf ältere Frauen, vielleicht können wir da ja was machen -hahahaha."

Und auch die Mutter des kleinen Valentin schließt den smarten Wiener sofort ins Herz. "Vielleicht ist der Valentin ja noch etwas zu jung für die Junge ÖVP, aber wir schauen, dass wir Nachwuchs bekommen, wo es geht - hahahaha!" Doch Eppinger kann nicht nur gut mit dem Nachwuchs und dessen wahlberechtigten Eltern, sondern auch mit den Hundemuttis und -vatis im Auditorium: "Wir haben auch gerne Hunde in der ersten Reihe, die finden alles so - wauuuu! Hahahaha!"

Mehrheit ohne Wahlkampf

Im Ö3-Studio am Wiener Donaukanal könnte er ruhig weiter werken, dort, wo er ganz ohne Wahlkampf über absolute Mehrheiten verfügt. Stattdessen macht er für "den Sebastian" Quote. In jeder größeren Stadt, auf jedem größeren Platz, trotz kleinerer und größerer Wetterkapriolen. Und, ganz Profi, stets so penibel vorbereitet, dass es immer wieder spontan wirkt. "Wir erzählen auf unserer Tour eine Geschichte der Veränderungen und der Möglichkeiten", sagt Eppinger. Und: "Wir haben diese Bewegung nicht umsonst gegründet." Und: "Uns verbindet eine gute Bekanntschaft und ein freundschaftliches Verhältnis - wir wissen beide, was wir aneinander haben, und können uns zu 100 Prozent aufeinander verlassen."

Dass man bereits auf Kurz, den 24-jährigen Integrationsstaatsekretär, wegen seines jugendlichen Alters hinhaute, habe Eppinger schon damals genervt. Erst recht, seit er ihn vor sieben Jahren bei der Verleihung eines Nachhaltigkeitspreises persönlich kennenlernte. Kurz überreichte die Trophäe, Eppinger moderierte. "Und das Gespräch, das wir damals begonnen haben, dauert noch heute an." Und obwohl Eppinger schon jenseits der vierzig ist und Kurz erst knapp über dreißig, erinnert sich der Ältere an keinerlei Generationskonflikte: "Die schnöde Welt der Zahlen ist nichts gegen die magische Welt der Empathie, des Charakters." Kurz habe die Kraft und das Selbstbewusstsein, die ihm, Eppinger, in diesem Alter gefehlt habe. "Für mich ist das jetzt wie eine Auffrischungsimpfung."

Erst Jungschar, dann Khol

Doch eigentlich ist Eppinger weit davon entfernt, die Politik poetisch zu verklären. Von klein auf wusste er genau, wo er stand. "Ich würde mich als christlichsozial-konservativ bezeichnen", sagt er. Als Bub ging er mit der Großmutter in die Sonntagsmesse. Später wurde er Gruppenleiter bei der Jungschar, heute hält er es mit dem einstigen Präsidentschaftskandidaten Andreas Khol, dessen ausgeprägter Katholizismus in den Reihen der neuen Liste Kurz auf den ersten Blick eher unterrepräsentiert ist, wenn er den alten Tiroler zitiert: "Ich mag das Land, ich mag die Leut'."

Doch das prägendste politische Erlebnis des jungen Eppinger ging im eigenen Wohnzimmer über die Bühne. Es passierte im Jahr 1986, in der Finalphase des Präsidentschaftswahlkampfes zwischen dem ÖVP-Mann Kurt Waldheim und seinem sozialdemokratischen Herausforderer, Kurt Steyrer: Der ehemalige UN-Generalsekretär stand wegen seiner nebulösen Kriegsvergangenheit am Pranger, der rote Kandidat holte langsam auf. "Als der ORF dann eine für Steyrer sehr, sehr günstige Umfrage präsentierte, schrie mein Vater vor Empörung vor dem Fernseher." So aufgeregt, erinnert sich Eppinger, habe er den Senior weder zuvor noch danach erlebt - wenn man von Gerhard Bergers schwerem Unfall in Imola, der ebenfalls vom Fernsehen frei Haus geliefert wurde, einmal absieht. Und da war mit einem Mal auch der Junior politisch sozialisiert.

Der Traumjob

Doch was ist nach der Wahl, wenn sich die Politik wieder von der Straße ins Parlament verlagert? Wenn die Stimmen gezählt und der Stimmenfänger vom Dienst sein Pensum erfüllt hat? "Auch wenn ich betonen möchte, keinerlei Anrecht darauf zu erheben: Integrationsstaatsekretär - dieser Job würde mich irgendwann schon reizen", sagt Eppinger frei heraus. Erstens könne er gut mit Leuten, zweitens inspiriere ihn, wie gut Kurz seinerzeit den Job gemacht habe.

Doch noch ist alles offen, und Eppinger muss wieder hinauf auf die Bühne. Showtime, zu den Klängen von Status Quo und "Whatever You Want" wird der Chef anmoderiert: "Er ist der, der niemanden anpatzt! Er ist der, der alles anders macht! Für uns, für euch: Willkommen, Sebastian Kurz!

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