"Ich könnte mir gleich die Kugel
geben" - Petanque in Österreich

Die beliebteste Boule-Variante ist hierzulande längst etabliert. Und erfolgreich.

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Mediterraner Sport - "Ich könnte mir gleich die Kugel
geben" - Petanque in Österreich

Szenenwechsel. Wien, es ist spät und es ist kalt. Fritz Vida wirft eine seiner drei im Schnitt 680-780 Gramm schweren Kugeln in weitem Bogen Richtung "Schweinchen", wie die Zielkugel genannt wird. Der Routinier ist wie sein Sohn Günter Mitglied des Vereins "HAPetanque Wien" und an diesem Tage einer der Lehrmeister von NEWS.AT. Die "Happy Angels", so der Alternativ-Name der Sportvereinigung, haben sich 2002 gegründet und sind 2005 dem Österreichischen Pétanque-Verband (ÖPV) beigetreten. Gemeinsam gespielt haben die Freunde aber schon wesentlich länger.

Boccia oder Petanque - Hauptsache Boule

Schon 1991 wurde das erste "Schrattenberger Boccia Turnier" veranstaltet und genau da liegt schon das Problem. Was gespielt wurde, war nämlich nicht Boccia. Wie bei vielen Spielern herrschte zunächst Unklarheit über die verschiedensten Ausformungen der Sportarten, die unter dem Oberbegriff "Boule" zusammengefasst werden können. "Bei Boccia sind die Kugeln größer und es wird nicht im Kreis sondern von einer Linie geworfen", erklärt Bruno Majnaric, Gegner von Fritz Vida beim Schaukampf im Wiener Donaupark, zwei Unterschiede.

Petanque Wien
© CE Geworfen wird beim Petanque aus einem Kreis heraus

700.000 Lizenzspieler in Frankreich

Majnaric ist Mitglied der BVA (Boules Volantes d'Autriche), einem weiteren Wiener Petanque-Club. In der Bundeshauptstadt gibt es insgesamt vier, in ganz Österreich 16 registrierte Vereine. Warum seiner einen französischen Namen trägt? "Es waren die Franzosen, die den Sport nach Wien gebracht haben", erinnert sich der kroatisch-britische Kosmopolit. Und Frankreich ist die Hauptschlagader von Petanque. "Dort gibt es 700.000 Lizenzspieler und eigene Sportschulen so wie bei uns in Stams", wirft Günter Vida ein. Kein Vergleich also zu den 650 Lizenzspielern in Österreich.

Doch selbst wenn es hierzulande nur knapp 150-200 ständige Spieler gibt, sind im ÖPV durchaus gute Strukturen vorhanden. Die Saison dauert von März/April bis etwa Ende Oktober und umfasst sowohl Open-Turniere ohne Lizenz als auch 25 bis 28 Ranglisten-Turniere. Neben der Bundesliga gibt es auch einen Cup-Bewerb und - das sucht man im österreichischen Fußball mittlerweile vergebens - den Supercup. "Und die besten Spieler vertreten Österreich dann bei internationalen Großevents", betont Fritz Vida und schwelgt in Erinnerungen an die "55+ EM" im schwedischen Lulea im vergangenen Jahr. "Spiele bis 2 Uhr früh und Live-Übertragungen."

Österreich gewinnt Nationencup

Schickten anfänglich noch die in Wien lebenden Franzosen Spieler aus ihren Reihen zu den internationalen Bewerben, haben sie ihren Nummer-1-Status - Nationalsport hin oder her - mittlerweile eingebüßt. Zur jüngsten "Tete-a-tete-WM" (Duell Mann gegen Mann) reiste ein HAPetanque-Duo (Alberto Hinojosa mit Günter Vida als Coach) nach Nizza und schrieb prompt österreichische Boule-Geschichte.

Hinojosa, Wahl-Wiener mit Wurzeln im spanischen Alicante, gewann durch einen Sieg im Finale über Deutschland den Nationencup für Österreich, vergleichbar etwa mit dem Titel bei der B-WM im Eishockey. "Es war nicht nur für Alberto, sondern auch für mich als sein Coach ein einzigartiges Erlebnis", zeigte sich VIda hocherfreut über den größten Erfolg für den ÖPV in 20 Jahren.

Von wegen nur Altherren-Sport

Mit dem knapp über 30 Jahre alten Hinojosa als Paradebeispiel kann sogleich mit einem Vorurteil aufgeräumt werden, mit dem der Sport seit jeher behaftet ist. Petanque ist keine Altherren-Beschäftigung. Auch wenn es sich dank so wunderbarer Hilfsmittel wie dem Magnetseil, mit dem man sich das ständige Bücken zum Kugelaufheben erspart, für ältere Semester hervorragend eignet, ist Petanque ein Sport für alle. Es ist ein Sport für Männer und Frauen, ein Sport, der durch Kommunikation lebt und der nicht nur deshalb großen Spaß macht. Und dennoch hege viele Club-Verantwortliche einen Wunsch: mehr Nachwuchs in den eigenen Reihen.

Erste Versuche, Volksschüler dem Sport näher zu bringen, mussten als gescheitert abgetan werden. „Da haben wir vielleicht einen Fehler gemacht. Für 8-Jährige ist das noch zu früh“, konstatiert Fritz Vida. Für die bevorstehende Saison hat man aber wieder neuen Mut gefasst. Und das Wetter scheint auf der Seite der Petanque-Spieler zu sein, früh mit ihren werbewirksamen Spielen beginnen zu können. Dank frühlingshafter Temperaturen dürfte der eine oder andere in den nächsten Tagen schon das aus dem Urlaub bekannte Klacken auch bei uns vernehmen.

Petanque Wien
© CE Fundstück des Vereins-Schaukastens: Auch der Papst spielt Petanque


Wo genau Petanque in Österreich gespielt wird, die gesamte Regelkunde, Ranglisten und noch viel mehr, finden Sie HIER.

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