Die große Pensionsfrage:
Was bringt die Zukunft?

Welche staatliche Pension erhält ein heute 30-jähriger noch? Experten klären auf

Eine neue Studie zeigt auf, was viele Österreicher schon lange vermuten: Unser Pensionssystem versumpert im internationalen Nachhaltigkeitsvergleich im unteren Mittelfeld und hat ordentlichen Verbesserungsbedarf. Was müsste sich ändern? Und sehen wir in Zukunft überhaupt noch eine staatliche Pension?

von Gehen wir leer aus - Die große Pensionsfrage:
Was bringt die Zukunft? © Bild: Shutterstock

Wie unser System aufgebaut ist

Pensionssysteme - auch das österreichische - lassen sich klassischerweise in 3 Säulen unterteilen:

  1. Gesetzliche oder staatliche Altersvorsorge
  2. Betriebliche Altersvorsorge
  3. Private Altersvorsorge

In Österreich ist die staatliche Säule sehr stark ausgeprägt, während die betriebliche Vorsorge und die private Altersvorsorge eher wenig Platz einnehmen. Zur zweiten Säule, die für Arbeitgeber nicht verpflichtend ist, kann die Abfertigung neu zählen, da die Möglichkeit besteht, die Abfertigung von der betrieblichen Vorsorgekasse auf ein Versicherungsunternehmen oder eine Pensionskasse zu übertragen.

Österreich hat weltweit die fünfthöchsten Staatsausgaben für die erste Säule des Pensionssystems. Das hat eine aktuelle Studie der Allianz ergeben, die internationale Pensionssysteme auf ihre Nachhaltigkeit hin überprüft hat. Dabei ist herausgekommen: Österreich liegt lediglich im Mittelfeld. Die Spitzenreiter heißen Australien, Dänemark und Schweden.


»Unser Pensionssystems ist finanziell nicht nachhaltig aufgestellt«

"Der Hauptmangel unseres Pensionssystems besteht darin, dass es finanziell nicht nachhaltig aufgestellt ist", sagt Ulrich Schuh, Pensionsexperte und Vorstand vom industrienahen Forschungsinstitut Eco Austria. Drei Prinzipien seien für ein gutes Pensionssystem ausschlaggebend: Transparenz, Verständlichkeit und Fairness. Und alle drei erfüllt das österreichische System nicht, wie Schuh kritisiert.

Durch zahlreiche kleine Reformen und Sonderregelungen ergebe sich für jeden Jahrgang eine unterschiedliche Rechtslage. Es daure noch bis 2040 bis alle im gleichen System seien. "Mit dem momentanen System ist keine Planung für die Zukunft möglich", teilt Schuh mit.

Was die Spitzenreiter anders machen

Was machen die Top-Länder anders oder besser als Österreich? "Vor allem Schweden und Dänemark haben ein sehr ausgewogenes Pensionssystem", sagt Michela Coppola, Pensions-Expertin und Ökonomin des Versicherungskonzerns Allianz. Sie besitzen laut Experten eine erste Säule als Basis, die aber nur kleine Ausgaben produziert, und eine stark ausgebaute zweite und dritte Säule. "Das bringt mehr Spielraum für Reformen mit sich", erklärt Coppola. Vor allem die betriebliche Vorsorge sei in diesen Ländern extrem gut ausgebaut. Das bedeutet mehr Geld aus der zweiten Säule. Auch seien die Regulierungen in diesen Ländern teilweise so angelegt, dass bei den Pensionsfonds ein aggressiveres Investieren möglich sei.

Doch Vorsicht! Die aktuelle Studie gibt den sogenannten "Pensions Sustainability Index" (Nachhaltigkeits-Index) an und sagt nichts darüber aus, wie hoch die Alterseinkommen der Pensionisten sind. Vielmehr wurde die Reformbedürftigkeit der Systeme anhand von Faktoren wie demographische Entwicklungen, öffentliche Finanzen und Design der Pensionssysteme analysiert. Länder mit einem PSI von 10 haben also gar keinen Reformbedarf, Länder mit einem PSI von 1 einen akuten.

Australien liegt in der Studie zwar auf Platz eins in Bezug auf die Nachhaltigkeit des Pensionssystems, doch die Expertin gibt zu bedenken: Australien hat keine erste Säule. Das System ist daher leicht zu finanzieren, schneidet jedoch in Bezug auf den "Retirement Income Adequacy Indikator" (RIA) schlecht ab. Dieser bewertet das Potential, zukünftigen Pensionisten ein angemessenes Alterseinkommen zur Verfügung zu stellen. "Für viele reicht das Pensionseinkommen in Australien aus, aber die Bürger tragen ein viel größeres Risiko", sagt Coppola. Länder wie Schweden, Dänemark, die Niederlande, Großbritannien oder Neuseeland schneiden hingegen sowohl bei der Nachhaltigkeit als auch beim adäquaten Einkommenspotenzial gut ab.

Grafik
© Allianz

QUELLE: ALLIANZ Asset Management, International Pensions
GRAFIK:
Feld links oben: gutes PSI- und RIA-Ranking
Feld rechts oben: gutes PSI-Ranking, aber unzureichende Einkommenssituation
Feld links unten: gutes RIA-Ranking aufgrund von starker ersten Säule, aber geringe finanzielle Nachhaltigkeit
Feld rechts unten: schlechtes PSI- und RIA-Ranking

Können wir uns etwas abschauen?

Die Modelle der Spitzenreiter sind für Coppola nur bedingt auf Österreich umlegbar. "Die Systeme sind historisch gewachsen und können nicht einfach in ein anderes Land verpflanzt werden", teilt die Ökonomin mit. Die Idee der Flexibilität, die beispielsweise Schweden und andere Länder bieten, und einzelne Elemente wie eine starke zweite Säule seien sehr wohl für Österreich interessant. In Großbritannien ist 2008 das sogenannte "automatic enrolment" in Kraft getreten. Es verpflichtet jeden Arbeitgeber, für seine Angestellten eine betriebliche Rente abzuschließen.

Dieses Modell könnte sich der Pensionsexperte durchaus für Österreich vorstellen: In Österreichs Pensionssystem ist die erste Säule sehr dominant, während die zweite und dritte Säule kaum genutzt werden. Hier ortet der Experte Handlungsbedarf. Die zweite Säule ist für ihn ausbaufähig - zum Beispiel, indem man die Abfertigung neu in eine verpflichtende Pensionsvorsorge umwandelt. Momentan gibt es zwar die Möglichkeit einer Übertragung in eine Pensionskasse, aber die wird kaum genutzt. Da die Vorsorgekasse jederzeit die Beiträge auszahlen können muss, beispielsweise im Falle eines Arbeitgeberwechsels, kann das Geld nur kurzfristig veranlagt werden. Dementsprechend niedrig sind die Erträge. Eine verpflichtende und damit langfristigere Pensionsvorsorge könnte höhere Erträge bringen. Die betriebliche Altersvorsorge gibt es vor allem in größeren Unternehmen und betrifft großteils einkommensstärkere Gruppen. "Flächendeckend ist die zweite Säule sicher nicht", sagt Schuh. Genau das sollte sich ändern.

Warum es Sinn macht, später in Pension zu gehen

Österreich unterscheidet sich vor allem in einem Punkt von anderen Pensionssystemen: dem Pensionsantrittsalter. "Das gesetzliche und das tatsächliche Antrittsalter ist in Österreich weit weg von den Spitzenreitern", sagt Coppola. In Schweden, Dänemark oder Italien sei das Antrittsalter an die Lebenserwartung angepasst, sodass die Auszahlungsphase konstant bleibe. In Dänemark liegt für einige Geburtsjahrgänge das gesetzliche Pensionsantrittsalter schon bei 71 Jahren. Doch müssen die Arbeitnehmer tatsächlich so lange arbeiten? Nein. Wer früher in Pension gehen will, kann die Abschläge mit der betrieblichen und der privaten Vorsorge abdecken. In Schweden gibt es kein fixes gesetzliches Antrittsalter, sondern ein Fenster. Die Schweden können ab einem Alter von 61 Jahren in Pension gehen – natürlich mit einem weniger hohen Einkommen. Altersteilzeitmodelle sind ebenfalls möglich. "Das finde ich vernünftig, weil das Tempo heruntergeschraubt wird, aber man nicht sofort auf Null fällt", sagt die Expertin. Die Menschen können also selbst entscheiden, ob sie körperlich und psychisch noch in der Lage sind, weiterzuarbeiten, ohne der Gefahr der Altersarmut ausgesetzt zu sein.

Und die Pensionssysteme in Dänemark und Schweden haben einen weiteren Vorteil: Sie sind transparent und übersichtlich. Die Bürger wissen zu jeder Zeit, wie viel ihre Ansparungen ihnen am Ende für die Pension bringen.

»Aktuell müsste die Richtschnur bei 65 Jahren liegen«

Was müsste sich also in Österreich ändern? "Es braucht ein System, dass sich anpasst und auf dessen Leistungen man sich verlassen kann", sagt Schuh. Länder wie Schweden, Dänemark und Italien hätten das bereits erkannt. Bis 2050 soll sich Österreichs "Altenquotient" verdoppeln, der das Verhältnis der über 65-Jährigen zu denjenigen im Haupterwerbsalter zwischen 15 und 64 Jahren misst. Schuh plädiert für eine Anpassung an die steigende Lebenserwartung, auf die in Österreich bisher keine Rücksicht genommen worden ist. Das Pensionsantrittsalter soll in Österreich deutlich höher werden – derzeit liegt das durchschnittliche tatsächliche Antrittsalter bei rund 60 Jahren. "Aktuell müsste die Richtschnur bei 65 Jahren liegen", sagt Schuh. Das würde eine finanzielle Nachhaltigkeit garantieren.

Ein weiteres Problem in Österreich ist das Thema Frauen: Ein Großteil der Teilzeitbeschäftigten in Österreich sind weiblich. Frauen kommen häufig auf viele Arbeitsjahre, doch die Pension fällt aufgrund des monatlichen Gehalts meist mager aus. Zur Lösung dieser Problematik schlägt Schuh vor, auf ein verpflichtendes Pensionssplitting zu setzen, das auf freiwilliger Basis in Österreich bereits existiert. Dabei sollen in einer Partnerschaft die Pensionsansprüche für die Dauer der Partnerschaft aufgeteilt werden.

Welche staatliche Pension ein heute 30-jähriger noch erhält

Eine staatliche Pension können die jungen Arbeitnehmer laut Schuh noch erwarten, wie diese aussehen wird, ist aber unklar. "Schon vor 30 Jahren hat man gesagt, dass man keine staatliche Pension mehr bekommen wird. Diese Generation ist heute mit einer staatlichen Pension im Ruhestand", sagt der Pensionsexperte. Allerdings hat sich das Leistungsniveau nicht so entwickelt wie angekündigt. Die Pensionsversprechen werden auch in Zukunft nicht eingehalten werden können, wenn sich nichts ändert, lautet die Prognose des Experten. Das hat Konsequenzen: Das Vertrauen in das System schwindet zusehends.

Kommentare

AdLa melden

Es wird weiter ein staatliches Standbein geben, aber wesentlich geringer sein, da zu viele Menschen, die nie eine Leistung erbracht haben dieses System ausnützen, und dadurch die Beitragszahler schädigen. Irgend wann wird es nicht mehr funktionieren !

parteilos melden

Und die Grünen und Roten sorgen jedes Monat für das notwendige Übel.

Henry Knuddi
Henry Knuddi melden

2316 wirds nimmer funktionieren,aber da sehen sich eh alle die erdäpfel von unten an :)

Ivoir
Ivoir melden

@parteilos Was verstehen Sie unter einem notwendigen Übel?

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