Paulo Coelhos „Untreue“

Brasilianischer Schreiber widmet sich der mangelnden Bereitschaft, zu verzeihen

von Paulo Coelho © Bild: THOMAS LOHNES/AFP/Getty Images)

Dabei verkaufte sich das schmale Bändchen anfangs zäh: Nur 900 Exemplare setzte die erste in Brasilien erschienene Auflage ab, und auch das nur, weil der Verfasser im Wortsinn eigenhändig auslieferte. Nicht Kritiker und Feuilletonisten, sondern Mundpropaganda machten das Buch zu dem, was es heute ist: ein Literaturphänomen von 65 Millionen Verkauften, das seit 315 Wochen die Bestsellerliste der „New York Times“ blockiert.

Ein Guru aber wollte er nie sein. Seine Bücher, sagt Coelho stets, geben keine Antworten, sondern werfen Fragen auf. Trotzdem oder gerade deshalb folgen unvorstellbare 36 Millionen Menschen seinem Blog via Twitter und Facebook folgen (Coelho ist begeisterter Nutzer der neuen Medien und stellte seine Bücher als einer der ersten Autoren frei ins Netz).

Nun bringt Coelho sein neues Werk in den Handel (Diogenes, € 20,50,–), das sich ursächlich aus einer unter seinen Bloggern gestarteten Umfrage generierte. Er wollte einen Roman über Depressivität schreiben, die er als das bestimmende Thema unserer Zeit ansah. Doch die Lockmails, die er ausschickte, zeitigten ein anderes Ergebnis: Ehebruch, (sexuelle) Untreue, so Coelho, sei das, was die Menschen mehr als alles andere beschäftige, ihre Folgen, die mangelnde Bereitschaft zu verzeihen und den Neuanfang zu wagen. Das Buch mit dem Titel „Untreue“ (im Original: „Ehebruch“) erschien Mitte August in den USA und erklomm augenblicklich Platz 2 der „New York Times“-Liste.

Das Buch trifft den Nerv der Zeit. Eine 31-jährige Genfer Journalistin durchlebt eine schwere Sinnkrise und bricht aus ihrem scheinbar perfekten Leben aus, das zwei Kinder und einen treusorgenden Ehemann inkludiert. Sie beginnt eine Affäre mit ihrem ehemaligen Jugendfreund, der inzwischen Politiker mit Anwärterposition auf eine hohe Position ist. Linda muss, einer Katharsis gleich, in die Abgründe ihrer Seele eintauchen, um sich selbst (und die Liebe) wieder zu finden.

Er selbst, so Coelho kürzlich, sei vielleicht nicht immer der treueste Ehemann gewesen, dasselbe gelte für seine Frau seit 35 Jahren, die Malerin Christina Oiticica. Doch sie hätten das überwunden. Die meisten würden heute viel zu früh das Handtuch werfen. Danach täte es ihnen Leid, aber dann sei es zu spät.
Das fast poetische Ende des Buchs lässt keinen Zweifel daran, was im Leben zählt: die Liebe und immer „besser lieben“ zu lernen. Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

Kommentare