Österreichische Parteienförderung: Zeitungen als Geburtshelfer

Mit 41 Millionen Euro förderte der Staat 2021 die Parteien. Möglich wurde das durch die gleichzeitige Einführung der Presseförderung. Bruno Kreisky hoffte damals, die Zeitungsmacher würden nicht allzu kritisch darüber berichten: die Geschichte hinter Österreichs Parteienfinanzierung.

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Österreichische Parteienförderung: Zeitungen als Geburtshelfer

Gemeinsam in die finanzielle Obhut des Steuerzahlers. So lautete einst der Plan, den Mitte der 1970er-Jahre die Bundesregierung in Wien schmiedete. Das Vorhaben: die öffentliche Finanzierung von Parteien und Presse zur Stärkung zweier Bausteine der Demokratie. Gesagt, getan.

Nach Abstimmung mit den Zeitungsmachern ließ Bundeskanzler Bruno Kreisky Gesetze entwerfen, die Parteien und Verleger gegenüber äußeren Einflüssen stärken sollten. Am 24. Juli 1975 veröffentlichte die Republik zeitgleich das neue Parteiengesetz und das Gesetz zur Förderung der Presse.

Heute, 46 Jahre später, lässt sich eines mit Gewissheit feststellen: Eine der beiden Seiten stieg im Lauf der Jahrzehnte und entgegen den ursprünglichen Plänen schlechter aus. Welche? Seit damals überwies die Republik den Bundesorganisationen der politischen Parteien 1,05 Milliarden Euro. Die Förderung der Presse summierte sich seit Inkrafttreten der beiden Gesetze auf 530 Millionen. Wie es zu dem ungleichen Abtausch kam, davon erzählt die folgende Geschichte.

"Niveau von Rumänien erreicht"

Um die Mechanismen der vergangenen Jahrzehnte zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf den Status quo. 2021 verlief für Österreichs Parteien und Verlage höchst unterschiedlich. Zunächst zu den Zeitungen. Sie verloren weiter Werbegelder an die Internetriesen Google und Facebook. Die Förderung der Presse stagnierte erneut bei 8,9 Millionen Euro. Und abgesehen von den Erfolgen einzelner Titel reduzierten sich Auflagen, Gesamtreichweiten und Verkaufserlöse. Wieder einmal.

Ganz anders gestaltete sich die Stimmungslage in den Parteisekretariaten. Zumindest dann, wenn man die Finanzen betrachtet. Ja, politisch war 2021 auch für sie schwierig. Der Ibiza-Untersuchungsausschuss bot der Opposition eine hell erleuchtete Bühne. Gleichzeitig durchlebten die Regierungspartner eine Beziehungskrise, standen kurz vor der Trennung. Alles begleitet von den unterschiedlichsten parteipolitischen Aktivitäten, Positionen und Auseinandersetzungen zur alles beherrschenden Covid-Krise.

Und dennoch: Auch wenn das Meinungsforschungsinstitut Sora vor Weihnachten feststellte, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik inzwischen "das Niveau von Rumänien erreicht" hat, gab es für Österreichs Parteimanager, Generalsekretäre, Bundesgeschäftsführer, Obleute und Präsidenten durchaus auch positive Nachrichten.

Sieht man einmal von 2013 ab, als eine größere Reform des Parteienförderungsgesetzes wirksam wurde und alle Empfänger von einer Übergangsbestimmung profitierten, schüttete die Republik noch nie so viel Geld für das politische Personal aus wie 2021. Trotz Krise, trotz Rekordausgaben der Republik. Ende vergangener Woche wurden die jährlich aktualisierten Dokumente dafür ohne viel Aufsehen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Millionen Euro in Bund und Ländern

30,9 Millionen Euro überwies das für die Materie zuständige Bundeskanzleramt im Vorjahr an die im Parlament vertretenen Parteien. Weitere 10,5 Millionen Euro flossen zur Unterstützung ihrer politischen Bildungsarbeit, also an die jeweiligen Parteiakademien. Mit Abstand am meisten überwies das Kanzleramt an den Finanzreferenten der ÖVP, und zwar 11,7 Millionen Euro für die Partei und 3,2 Millionen für die Akademie. Auf den Plätzen: SPÖ (6,7/2,2), FPÖ (5,2/1,9), Grüne (4,5/1,8) und Neos (2,7/1,4 Millionen Euro).

Dass Österreichs Parteien - zumindest die großen - traditionell von ihren starken Landesorganisationen getragen werden, kann man, wenn man sich ein wenig durch die Landesgesetze und Transparenzberichte wühlt, schlüssig erklären. Jahr für Jahr kommen dort nämlich noch viel höhere Beträge zusammen. Am meisten in Wien, wo das Rathaus jährlich 29,7 Millionen Euro für Parteien und 9,7 Millionen Euro für deren politische Bildungsarbeit überweist. Am sparsamsten insgesamt (aber auch pro Wähler) ist Vorarlberg mit 2,9 Millionen Euro. Die Förderung der jeweiligen Landtagsklubs ist dabei noch gar nicht abgebildet.

Staat statt Sponsoren

Nun gibt es hierzulande über Sinn, Höhe und Auszahlungsmodus der Parteienförderung unterschiedliche Positionen. In der öffentlichen Debatte, in den Meinungsspalten und Blogs heißt es oft, sie wäre zu hoch. Und regelmäßig taucht die Frage auf, warum sich die Parteien anstatt über Beiträge und Spenden von Mitgliedern und Unterstützern aus dem Steuertopf finanzieren. In Österreich übrigens erheblich mehr als im Ausland.

Die Antwort darauf ruht in der Geschichte. Genau genommen in der Zeit der Ära Kreisky. Bis Mitte der 1970er-Jahre stand die Parteienfinanzierung nämlich auf wackeligen Beinen. Regelmäßig tauchten Spendenskandale auf, das Finanzministerium hatte Parteien per Erlass von Gebühren befreit, die sie laut Ansicht des Rechnungshofs jedoch hätten zahlen müssen. Mit einer absoluten Mehrheit im Parlament im Rücken wagte sich Bruno Kreisky 1974 schließlich an das Thema, wollte die Finanzierung der Parteien auf solide Beine stellen und sie gleichzeitig von den Spenden potenter Geldgeber unabhängig machen. Ein System, das bis heute das politische Geschäft in den USA prägt.

Einer, der damals mit Kreisky innerhalb der SPÖ über diese und andere Dinge nachdachte, war Heinz Fischer. Der spätere Bundespräsident war damals junger Abgeordneter im Nationalrat. "Eines der Themen, die Kreisky besonders interessierten, waren die Beziehungen zwischen Politik und Medien", erinnert er sich heute an jene Zeit. Der Kanzler wusste wohl, dass er eine so tiefgreifende Reform der Finanzierung der Parteien nicht gegen den ernsthaften Widerstand der Meinungsmacher in den Redaktionen und Verlagen durchsetzen konnte. "So entwickelte Kreisky den Gedanken, Parteienförderung und Zeitungsförderung miteinander zu koppeln", so Fischer weiter, der damals gemeinsam mit dem späteren Zentralsekretär und Innenminister der SPÖ Karl Blecha an dem Thema arbeitete.

Blecha, der selbst aus dem Journalismus stammt und dabei einst für die sozialdemokratische Parteizeitung "Neue Zeit" tätig war, erzählt heute von einer anderen Beobachtung aus jener Zeit. "Damals zeichnete sich deutlich ab, dass finanzkräftige Gruppen immer mehr Einfluss auf die Presse gewinnen wollten. Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer blickten mit Interesse auf den 'Kurier' und 'Die Presse'. Die neu zu schaffende Presseförderung sollte das ein wenig dämpfen."

Also setzte sich Kreiskys Taskforce zusammen. Als wichtigster juristischer Berater soll Ludwig Adamovich, später Präsident des Verfassungsgerichtshofs, tätig gewesen sein. Ergebnis? Wieder gräbt Heinz Fischer in seinen Erinnerungen.

»Kreisky hoffte, dass eine finanzielle Förderung der politischen Parteien von den Medien nicht kritisiert werden kann, wenn auch Zeitungen gefördert werden.«

"Kreisky entwickelte den Gedanken, Parteienförderung und Zeitungsförderung miteinander zu koppeln. Er hoffte, dass eine finanzielle Förderung der politischen Parteien von den Medien nicht kritisiert werden kann, wenn auch Zeitungen gefördert werden." Aus dieser Gemengelage würde sich letztlich die Gleichzeitigkeit der beiden Gesetze erklären.

Proporz, wohin man schaut

Einer, der damals auf der anderen Seite des Verhandlungstisches saß, ist Walter Schaffelhofer. Der Bürgerliche war damals Generalsekretär des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ), der Interessenvertretung der Verlage und gleichzeitig Schauplatz politischer Ränkespiele. So war es bis zu Schaffelhofers Amtsübernahme Usus, dass der Generalsekretär des VÖZ nach der Logik des alles durchziehenden Proporzes stets einen anderen politischen Hintergrund hatte als dessen Präsident.

Weil mit Schaffelhofer als General und Hanns Sassmann als Präsident zwei Bürgerliche den Verband führten, traten die SPÖ-Parteizeitungen -zumindest kurzzeitig -geschlossen aus. Das stärkte die Position der Verleger nicht gerade. Schaffelhofer nahm die polit-medialen Geschäfte jener Zeit übrigens etwas anders wahr als Fischer und Blecha. "Die Presseförderung war für mich nur die Wiedergutmachung für die Einführung der Mehrwertsteuer auf die Verkaufserlöse für Zeitungen." Als Gegenleistung im Zuge eines Paktierens mit der Politik über die Parteienförderung habe er sie nie wahrgenommen. "Ich kann aber nicht ausschließen, dass solche Überlegungen vereinzelt angestellt wurden."

Genervter Kanzler

Demnach muss es eine Reihe bilateraler Gespräche zwischen Politikern und Verlegern gegeben haben, ohne VÖZ. "Wenn sich die Verleger selbst etwas richten können, dann machen sie das auch", sagt Schaffelhofer. "Das tun sie bis heute so."

Wegen der stark unterschiedlichen Finanzkraft der einzelnen Titel hatten sie zum Abtausch Parteienförderung gegen Presseförderung offenbar auch unterschiedliche Positionen. Von Kreisky sind in diesem Zusammenhang leicht genervte Äußerungen in der "Sozialistischen Korrespondenz" dokumentiert. So lud er die Verleger, "die in vielen Fragen selbst uneinig" seien, zu einem klärenden Gespräch, bei dem er sich selbst wörtlich als "Friedensrichter" einbringen wolle.

"Unausgesprochenes Agreement"

Und tatsächlich liegen für die Zeit vor der Beschlussfassung im Nationalrat mehrere Indizien dafür vor, dass es eine Art Abtausch zwischen der Regierung und zumindest den einflussreichsten Verlegern gegeben haben dürfte.

So ließ Kreisky schriftlich festhalten, dass für Presse-und Parteienförderung zusammen ein Betrag in Höhe von 150 Millionen Schilling vorgesehen sei. Auch Walter Schaffelhofer erzählt zumindest in diesem Zusammenhang, dass es ein "unausgesprochenes Agreement" gab, dass dieser Betrag in den Folgejahren stets geteilt ausbezahlt werden sollte. Ein Agreement, das allerdings recht bald schon von der Politik ignoriert wurde: Während die Parteienförderung in bisher unerreichte Höhen stieg, ging die Presseförderung sogar zurück. Und wurde mit der willkürlichen Vergabe von Regierungsinseraten ergänzt.

Im Archiv der APA ist folgendes Kreisky-Zitat zum Gleichschritt zwischen Politik und Verlagen dokumentiert: "Die Förderung der Presse und der Parteien sind 'Finanzprobleme der Demokratie'." Zwischen ihnen bestehe "kein Junktim, aber ein kausaler Zusammenhang".

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im News-Magazin Nr. 04/2022.