Zum Teufel
mit den Statuten

Neuer Chef, neue Statuten

Jeder neue Parteiobmann verändert die Regeln. Nicht immer hat das auch den gewünschten Effekt.

von
Parteien - Zum Teufel
mit den Statuten

Ohne Befugnisse kann der beste Chef nichts ausrichten. Problematisch wird es dann, wenn es nur noch um Formalitäten geht. Ein starker Obmann braucht das nicht, ein schwacher wird sich auch daran nicht festhalten können.

Beförderungen haben es in sich. Aus Kollegen werden plötzlich Mitarbeiter, aus Ideen werden Vorgaben. Ist man zudem neu in die Spitzenposition einer politischen Partei gekommen – wie Sebastian Kurz (ÖVP) und soeben Ingrid Felipe bei den Grünen – macht es aber trotzdem Sinn, die Befugnisse von Anfang an klar zu stellen. Allein schon, um nicht – sobald die innerparteiliche Euphorie über das neue Gesicht wieder verschwunden ist – mit leeren Händen dazustehen. Und sich kurz darauf vielleicht schon in der Position als „früherer Parteichef“ wiederzufinden.

Im Griff

Außenminister Kurz will dieses Problem gleich von Anfang an in Griff bekommen. Schon bei seiner ersten Rede als designierter ÖVP-Parteiobmann ging es fast ausschließlich um Entscheidungskompetenzen, Kandidatenlisten und Wahlkampfmodalitäten. Um Kurz den dafür notwendigen Spielraum zu geben, sollen unter anderem die Statuten der Volkspartei entsprechend abgeändert werden.

Denn das gerade einmal vor einem Jahr runderneuerte Organisationsstatut der Bundespartei sieht zwar den Bundesparteivorstand als oberste Entscheidungsinstanz an, nicht aber den Bundesparteiobmann. Dieser vertritt die Partei zwar als Vorsitzender „nach innen und außen“, unterschreibt alle Dokumente und darf jedes Parteimitglied jederzeit zu sich zitieren, ansonsten aber nur an allen Sitzungen „mit beratender Stimme“ teilnehmen.

Das soll sich unter Kurz ändern. Er möchte Minister, Staatssekretäre und Generalsekretäre sowie alle künftigen Mandatare allein bestimmen. Dies soll nicht nur für die Bundesliste, sondern auch für die Landeslisten gelten. Vorzugsstimmen und das Reißverschluss-System (Anm.: Mann und Frau abwechselnd) sollen stärker etabliert werden. „Das ist es, was wir definitiv in unserem Land brauchen“, sagt Kurz.

Diese offen zur Schau gestellte Positionierung des Neo-Parteichefs hat viele erschreckt. Politikinsider hingegen sind wenig erstaunt darüber, dass der Neue versucht, so viele Fehler wie möglich zu vermeiden. „Der Bundesparteiobmann bekommt jetzt nur die Möglichkeiten, die wir schon lange haben“, skizziert etwa die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner die Situation. Schon bisher waren die in der Volkspartei vertretenen Länder und Bünde dafür bekannt, ihre Entscheidung sehr strikt – und sehr einsam – zu treffen. In dieser Hinsicht will Kurz offensichtlich nachziehen.

„Wenn ein Obmann jedoch die Erwartungen nicht erfüllt, hat er mittel- bis langfristig sowieso wenig Autorität“, relativiert Politikwissenschafter Hubert Sickinger alle Hoffnungen auf festgeschriebene Regeln. Auch bisher habe es schon regen Austausch zwischen Bund und Ländern gegeben: „Bei Landes- und Regionallisten musste Einvernehmen mit der Bundespartei hergestellt werden.“ Über die Bundesliste habe der ÖVP-Chef sowieso verfügen können: „Kurz möchte die Macht haben, die bisher der gesamte Parteivorstand innehatte.“

Blindes Vertrauen

Dabei unterscheiden sich die Regeln in der ÖVP nicht wesentlich von denen der SPÖ. In deren Organisationsstatut von 1998 – vor drei Jahren aktualisiert – kommt der Bundesparteiobmann als eigener Punkt nicht einmal vor, sondern nur in Zusammenhang mit den Gremien, denen er vorsteht.

Die Statuten der Parlamentswahlen ähneln sich alle, so der Parteienexperte. Einige würden aber Besonderheiten aufweisen: So könne der FPÖ-Parteiobmann bei Wahlen „sehr viel machen“ und die Grünen vertrauen bei ihren Parteitagen auf alle Mitglieder und nicht bloß auf vorab ausgewählte Delegierte. „Auch die Neos haben ganz eigene Vorwahlmodelle.“

Die individuelle Macht ist abhängig von der Stärke des Parteiobmanns, so Sickinger: „Jörg Haider hatte die gleichen Statuten wie seine Vorgänger, hat aber viel mehr Möglichkeiten nutzen können, weil er Wahlerfolge vorzuweisen hatte.“ Und Heinz-Christian Strache habe 2015 sogar die gesamte Salzburger FPÖ-Spitze abgesetzt: „Ein Vorsitzender hat diese Möglichkeit immer, wenn Gefahr im Verzug besteht.“

Dennoch sollte man sich nicht zu sehr auf die von der Partei verliehenen Macht verlassen: „Wenn das Strahlemann-Image verwelkt, ist meist auch das Amt dahin.“ Und in einem solchen Fall helfen dem Chef dann auch die schön ausformulierten Statuten nichts mehr: „Abgewählt kann ein Obmann an jedem Parteitag werden“, sagt Sickinger.

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