Parov Stelar: Der
Maler im Musiker

Er war Maler, bevor ihm als Popstar Millionen zujubelten. Lange blieb die Malerei sein Rettungsanker im Verborgenen. Nun zeigt Parov Stelar seine Kunst, gemalt in der Isolation seiner Villa auf Mallorca.

von Menschen - Parov Stelar: Der
Maler im Musiker © Bild: Jan Kohlrusch

Die vergangenen Wochen waren besonders produktiv. Wenn man nicht raus darf, seien vier Wochen ohnehin eher wie acht Wochen, sagt Marcus Füreder über seinen beachtlichen Schaffensumfang. Damit meint der 45-jährige Oberösterreicher nicht sein musikalisches Werk. Als Parov Stelar ist er seit zehn Jahren weltweit gefeierter Electro-Swing-King und Österreichs erfolgreichster Electronic-Export. Nun wollte ein Dutzend Ölbilder allein im vergangenen Monat aus seinen Händen ans Licht. "Wenn mich etwas fesselt, kann ich nicht aufhören. Da bin ich wie ein Terrier", sagt der studierte Designer über den Schaffensprozess seiner bildenden Kunst, die ihn sein Leben lang begleitet. Lang hat er sie vor der Öffentlichkeit gehütet. Sie sei auch Rettungsanker gewesen in der Flut von Erwartungen, die der Brotjob als Musiker an ihn herantrug. So erzählt er im Skype-Telefonat mit News.

Wie ein Chirurg

Vor der Musik war die Kunst. Parov Stelar studierte Angewandtes Design in Wien, bevor er Millionen mit seiner Musik begeisterte. Die Kunst war auch da, als der Musiker sich vor einem Jahr eine Pause verordnete. Ruhe geben. Hinterfragen. Neu ordnen.

Nun ist der Künstler auf beiden Gebieten erstarkt zurück. Am 24. April bringt er den zweiten Teil der Trilogie "Voodoo Sonic" auf den Markt. Seine Bilder plant er, bald öffentlich zugänglich zu machen.

Parov Stelar hat es sich im Studio seiner Villa auf Mallorca gemütlich gemacht. Es ist übersichtlich möbliert und auch bei Tag dunkel. Mit seiner Frau Barbara, die als Künstlerin Lilja Bloom bekannt ist, und Sohn Max genießt er sein Leben westlich von Palma, abseits von Starrummel und anderen typischen Attributen des Musikgeschäfts, die er lieber meidet. Hat er einem Bild einmal die "Seele eingehaucht", wie er den Beginn des Schaffensprozesses umschreibt, malt im Atelier auch Sohn Max mit, während Papa einem der 1,80-Meter-Werke die "Fönfrisur" verpasst. So Füreders bildhafte Umschreibung für den Fertigstellungsprozess.

Zuvor erstellt er am Computer aus bis zu sieben Gesichtern sein Motiv und praktiziert es im Siebdruckverfahren auf einen abstrakt gemalten Hintergrund. "Wie ein Chirurg im Kunstbusiness", sagt er über sich. Dann wird gemalt, ausdrucksstark, düster, fesselnd.

Wie begegnen Sie Ihrer Kunst? Gibt es bestimmte Themen, die Sie umtreiben?
Ich merke erst kurz vor der Fertigstellung eines Bildes, welches Gefühl sichtbar werden wollte. Das ist für mich das Spannende an der Malerei. Es ist wie ein Besuch beim Therapeuten: Du gehst mit der Feststellung hin, dass es dir nicht gut geht, dann dreht sich das Gespräch, und du merkst, wie sich ein Kreis schließt. Du merkst, dass dich gewisse Themen, von denen du es gar nicht gedacht hast, mehr berühren, als du denkst. In der Malerei zeigen sie sich. Das ist aber nur eine Ebene, die das Thema eines Bildes hat. Die andere Ebene erhält das Thema durch den Betrachter. Der sieht oft mehr, als ich selbst gedacht habe.

Gibt es ein Bild, das Ihnen Neues über Sie selbst verraten hat?
Das Persönlichste ist sicher "Hello Mom!". Meine Mutter ist auch Künstlerin, und ich bin mit Pinsel und Farben aufgewachsen. Jetzt könnte man denken, der Bub steht einsam und verloren und verletzlich in der Dunkelheit. Aber meine Mutter hat mich gelehrt: Auch wenn du alleine bist und augenscheinlich verletzlich, du bist es nicht. Der Bub auf dem Bild steht ja auch sehr selbstsicher da. Ich sage vielmehr: Danke, Mama, dass ich diesen Weg zur Kunst von Kindesbeinen an erleben durfte.

Wenn jemand nur Düsteres sieht, sagt das demnach mehr über ihn aus als über Sie.
Ein spannender Ansatz, stimmt. Ich interpretiere meine Bilder ja nicht, ich kann sie nur reflektieren. In der Interpretation der Anderen liegt natürlich viel von deren Geschichte. Das ist auch spannend in Bezug auf die Frage, warum mich ein Bild positiv berührt oder gruselt oder sich gar nichts tut.

"Untitled" ist in meinen Augen zum Beispiel bedrohlich.
Ich habe das Gegenteil empfunden: Er ist ihr Beschützer. Andererseits sind Beschützer die, die dich bewachen, die dich lieben, und das Gefühl kann sich ins Gegenteil drehen.

© Privat

Das Werk "Conflict" zeigt einen schreienden Jesus mit einem Mund statt eines Auges. Was will er uns sagen?
Das muss ich vor unserer Haushälterin versteckt halten! Die ist streng katholisch und fällt in Ohnmacht, wenn sie das sieht. Im Entstehungsprozess habe ich selbst Gänsehaut bekommen. Dabei hat sich am Computer zufällig eine Ebene so verschoben, dass der Mund auf dem Auge lag. Für mich war es wie eine andere Seite dieses Jesus, die an die Oberfläche wollte. Das gibt soviel Interpretationsspielraum, dass ich gar nicht wüsste, wo anfangen. Definitiv zeigt es einen Konflikt, der bedeutet ja immer, dass etwas in dir raus will.

Sie begegnen Konflikten eher positiv, richtig?
Das hat mich die Vergangenheit gelehrt, ja. Natürlich sollte ein Konflikt nicht die Zerstörung eines Tsunamis an den Tag legen -und das gibt es auch. Aber ich bin überzeugt, dass ein Konflikt nichts anderes ist als eine erzwungene Auseinandersetzung, damit du im Leben weiterkommst. Ich weiß, das sagt sich leicht, aber Schmerzen bereitet der Konflikt nur, solange du dich dagegen wehrst. Das Gegenteil von Konflikt ist Annehmen. Darum finde ich Konflikte positiv.

Weil Konflikte verändern?
Sie zeigen dir, dass du noch nicht tot bist.

Veränderungen positiv begegnen zu können, ist dieser Tage eine hilfreiche Eigenschaft.
Ich glaube, das ist jetzt gerade das Um und Auf. Wir werden gezwungen, uns gewisse Dinge näher anzusehen -egal, was wir davon halten. Mir wurde klarer, was wirklich wichtig ist. Es hat in der Küche angefangen: Schmeiße ich die halbe Tomate, die ich nicht brauche, weg oder lege ich sie in den Kühlschrank, weil es morgen vielleicht keine gibt? Allein dieser Gedanke verändert dich. Wie oft habe ich die Oma ermahnt, wenn sie zehn Kilo Zucker und Mehl gekauft hat: Oma, wir sind nimmer im Krieg! Aber jemand, der so etwas durchgemacht hat, wird das einem anderem, der das nicht kennt, nie erklären können. Jetzt sind wir in einer Phase, wo die Leute einen Anfall bekommen wegen dem Klopapier. Wie geht's denn erst zu, wenn das Essen knapp wird? Das macht mich nachdenklich.

Wie ist die Stimmung generell auf Mallorca?
Es gibt keine Stimmung, höchstens Panik, wir dürfen ja gar nicht raus. Das ist grotesk, weil die Insel sonst vom Tourismus und Halligalli geprägt ist. Wir haben im Hafenbecken angeblich kristallklares Wasser mit türkiser Spiegelung wie auf den Malediven. Die Insel kann wieder ihre natürliche Schönheit herauskehren und durchschnaufen. Das war schon lange fällig. Aber es ist gespenstisch. Gestern bin ich draußen gesessen und habe den Mond angeschaut. So ruhig habe ich es hier noch nie erlebt.

Kann man diese Krise auch als Chance begreifen?
Das ist der Punkt, über den ich mir die meisten Gedanken mache. Es gibt Argumente dafür, dass viele zu schätzen lernen, was selbstverständlich war, und wieder gerne zum Greißler gehen. Andererseits gewöhnen sich gerade ältere Generation an Onlineshopping. Viele meinen, der Rechtsruck wird durch den neuen Zusammenhalt unterbunden. Andererseits kann erst recht Ausgrenzung verstärkt werden. Prognosen sind schwer. Ich glaube, die Menschheit hat spirituell eine Wahl. Im Inneren, wo Veränderung stattfinden kann, stehen wir jetzt vor einer Wahl.

Ist es entscheidend, dieser Wahl guten Mutes zu begegnen?
Ich persönlich sehe es so. Wenn man sich und seinen Weg selbstkritisch hinterfragt und es als Geschenk sieht, etwas an seinem Weg verändern zu können, geht das.

Bitte erklären Sie.
"Der Mensch kann zwar tun, was er will. Er kann aber nicht wollen, was er will", hat Schopenhauer gesagt. Es gibt viele Dinge, von denen wir gar nicht wissen, dass sie begehrenswert wären. Spirituelle Entwicklung hatte zuletzt kaum Platz in unserer Gesellschaft. Nun erleben wir, was von uns übrig bleibt, wenn wir wochenlang nicht tun können, was wir sonst tun. Es kristallisiert sich heraus, wer man ist. Es ist definitiv eine Zeit der Korrektur.

Zurück zum Jesus-Bild: Es erinnert an Helnwein. Wie halten Sie es mit Vorbildern?
Mein Papa hat mir ein Leiberl geschenkt, auf dem stand: "Vorbilder sind Bilder, die man aufhängen sollte." Man sammelt Eindrücke und findet irgendwann seinen Stil. Inwieweit dich jemand beeinflusst hat, ist dann nicht mehr ersichtlich. In diesem Fall ist es naheliegend, beim Schrei an Helnwein zu denken, er hat das vorgemacht. Er wollte schockieren, glaube ich. Das liegt mir fern, wir schockieren uns eh alle genug.

Beim Malen denken Sie nicht über die Konsequenzen nach, haben Sie gesagt. Ist der Maler ehrlicher als der Musiker Parov Stelar?
Er ist ein anderer. Lange Zeit habe ich in der Malerei die Freiheit gehabt, die ich in der Musik gesucht habe. Heute fühle ich mich in beidem frei. Der Unterschied bleibt, dass in der Malerei niemand etwas von mir erwartet. Es gibt keine Auktionen, nach denen verglichen wird, wie viel mein Bild erzielt hat. Den Druck gibt es bei Liedern schon, wenn man schaut, wie viele Streams es hat. Aber auch das sind nur Zahlen am Computer. Wichtig ist das richtig gute, ehrliche Gefühl, das ich gehabt habe, als das Lied entstanden ist.

Sie stellen den Selbstzweck in den Vordergrund?
Wir Künstler sind Egoisten.

»Egoist zu sein, ist nicht nur negativ, das unterscheidet ihn vom Egomanen«

Das muss so sein, oder?
Egoist zu sein, ist ja nicht immer nur negativ, das unterscheidet ihn vom Egomanen. Es geht um eine Auseinandersetzung mit der eigenen Person, die trotzdem mit allem rundherum verflochten ist. Eine harmlose Auseinandersetzung, es muss sich ja keiner die Bilder anschauen.

Sie zitieren gerne Picasso, der sagte, Kunst sei nicht da, um Häuser zu verschönern. Was ist Kunst für Sie?
Sie muss berühren, egal, ob man sie schön findet oder nicht hinschauen kann. Kunst muss etwas bewegen in dir. Andernfalls ist es Dekoration.

In Galerien oder Austellungen sind Werke von Parov Stelar nicht zu finden. Wie kommt das?
Mein Leben war wirklich Unterlippe Oberkante in den letzten zehn Jahren. Ich habe gewusst, wenn ich mir noch etwas aufhalse, kann ich mich mit einem Zehnerblock in der Burnout-Klinik anmelden. Ich habe genug Anfragen für Ausstellungen gehabt, die Bilder stapeln sich, aber ich habe bewusst abgelehnt. Die Malerei sollte mein Rettungsanker bleiben. Ich weiß, welchen Aufwand eine Ausstellung erfordert, und das will ich gescheit machen, wenn die Zeit reif ist. Ich habe es eingeplant.

© Privat

Wie wichtig ist der Titel für ein Bild?
Er ist der konkreteste Hinweis, den der Künstler zur Interpretation geben kann. Bei mir kommt er zum Schluss: Ich mache mir ein Bier auf, schaue das Bild an, dann ist der da.

Wann wissen Sie, dass ein Bild fertig ist?
Ist es nie. Wenn ich es hängen lasse, entdecke ich jede Woche etwas, das fehlt. Deshalb ist es wichtig, es irgendwann abzuhängen. Jedes Bild ist die Jagd nach dem Drachen.

Das Malen erfüllt ein archaisches Bedürfnis?
Ein tief archaisches Bedürfnis. Die Höhlenmalereien zeigen, dass es früh das Bedürfnis gab, Erlebnisse durch Bilder festzuhalten. Das Malen ist für mich auch eine Form von Meditation, weil ich die Umwelt dabei komplett ausblende. Dann bin ich nur noch Farbe, und mir gehen Sachen durch den Kopf, dass es einer Therapiestunde gleicht.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Maler und Musiker ist der Applaus, den nur der Musiker bekommt. Welchen Stellenwert hat er für Sie?
Applaus kommt noch vor der Gage, weil ich gehe ja immer noch unsicher auf die Bühne. Er ist ein frenetisch emotionales Bekenntnis, das sagt: Hey, du hast uns nicht enttäuscht! Wir sind zufrieden mit dem Abend. Applaus ist in beide Richtungen schön. Wenn ich ein Konzert besuche und dort begeistert klatsche, ist der Moment für mich genauso schön, wie selbst Applaus zu bekommen, denn dann hat mich etwas bewegt. Vielleicht sollten wir alle mehr klatschen?

Ursprünglich ist das Interview in der Printausgabe von News (16/2020) erschienen!