Organisierte Verschleierung

Über die Vorarlberger Wirtschaftsbundaffäre sollte man sich nicht wundern: Bundesweit wird viel zu wenig Transparenz zugelassen. Bestrebungen, das zu ändern, sind gering

von Kolumne - Organisierte Verschleierung © Bild: Privat

Es gibt eine schöne Begründung dafür, dass Parteien in Österreich so gut gefördert werden wie in kaum einem anderen Land der Welt. Das sei wichtig, um ihre Unabhängigkeit zu stärken, heißt es. Das hat was. Allein: Den meisten reichen die Förderungen nicht, sie organisieren sich mehr. Dabei mangelt es jedoch an Transparenz und Verständnis dafür, was politisch geht und was nicht. Von einem Straftatbestand "Illegale Parteienfinanzierung" ganz zu schweigen. Ein solcher fehlt.

Ausgerechnet aus Vorarlberg, dem Land, das klischeehaft als korrekt und sparsam gilt, kamen zuletzt Berichte, die unter dem Titel "ÖVP-Wirtschaftsbundaffäre" für Schlagzeilen sorgten: Der Wirtschaftsbund, eine Teilorganisation der Partei, betrieb bis zum vergangenen Herbst ein inseratenreiches Magazin und leitete Erträge gerne auch weiter. Im Landtagswahljahr 2019 ging eine halbe Million Euro an die ÖVP, die von Landeshauptmann Markus Wallner geführt wird. Damit steht diese Geschichte schon einmal im Widerspruch zum eingangs erwähnten Ansatz: Die Volkspartei meinte, zusätzliches Geld zu benötigen. Das ist das eine, es ist so verbreitet, dass es nicht einmal eine Grundsatzdebatte darüber gibt. Das andere betrifft die Art und Weise, wie es zu den Werbeschaltungen kam und wer in dem Heft inserierte: Der ehemalige Vizechef der Tischlerinnung, Michael Stadler, erklärte in der "ZIB 2", er habe den Eindruck gehabt, es sei um "reine Parteienfinanzierung" gegangen, seine Gruppe sei jedenfalls "auf sehr penetrante Weise drangsaliert" worden. Das ist brisant. Zumal es nicht selbstverständlich ist, sich einem solchen Druck zu widersetzen: Im Hintergrund steht eine Partei, die bis in die Gemeinden hinunter bestimmend ist, auf deren Wohlwollen Unternehmen bei Auftragsvergaben angewiesen sein können.

Jahrelang weggeschaut

Zu den großen Inserenten im Magazin des Wirtschaftsbundes zählten Beteiligungsunternehmen des überwiegend ÖVP-geführten Landes sowie Wirtschaftskammern, die ebenfalls von ÖVP-Funktionären geleitet werden. In Summe flossen in den vergangenen zehn Jahren 385.000 Euro. Das ist allerdings nur der Teil, der veröffentlicht werden musste. In Wirklichkeit handelte es sich um mehr.

Bedenken, dass hier zumindest Unvereinbarkeiten vorliegen könnten, sind bisher untergegangen. Die äußerste Selbstkritik von Landeshaupt- wie -parteiobmann Markus Wallner lautet, dass er möglicherweise zu lange zugeschaut habe. Seit einem Vierteljahrhundert zählt er schon zu den Insidern im äußersten Westen der Republik. 1999 wurde er Landesgeschäftsführer der Volkspartei, davor war er Büroleiter des seinerzeitigen Landeshauptmannes Herbert Sausgruber.

»Hier konnte sich ein Herrschaftsverständnis halten, das Bürger als Untertanen begreift, die nichts wissen müssen«

Hier geht es um viel. Um politische Kultur etwa. Diesbezüglich hapert es bundesweit. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat in einem Interview einmal behauptet, dass es für ein Inserat natürlich ein Gegengeschäft gebe. Medienvertreter protestieren: Ein Inserat wird für marktübliche Bezahlung veröffentlicht. Das ist das "Gegengeschäft". Punkt. Darüber hinaus gibt es keinen Deal, keine Gefälligkeit, nichts dergleichen, wenn es sauber läuft. In Niederösterreich hat Sobotka ein Alois-Mock-Institut gegründet, das bis 2020 ebenfalls ein Magazin herausgab. Darin, im "Report", fanden sich neben Inseraten eines Glücksspielkonzerns ebensolche der Landeskliniken oder der Wohnbauförderung des Landes. Zur Erinnerung: In St. Pölten regiert die ÖVP mit absoluter Mandatsmehrheit, Sobotka zählt zu ihren prominentesten Mitgliedern.

Hemmungen? Gibt es nicht. Als oberösterreichischer Landeshauptmann brachte es Josef Pühringer (ÖVP) einst offen zum Ausdruck: "Wer uns unterstützen will, kann im 'Volksblatt' inserieren." Das ist das Parteiorgan, und das Land ist noch immer einer der bedeutendsten Werbekunden. Allein im vergangenen Jahr brachte es 412.961 Euro.

Im Vorarlberger Wirtschaftsbund betonte man wiederum, "sich an die gesetzlichen Vorschriften gehalten" zu haben. Ähnliches erklärte unlängst auch die Stadt Wien in Reaktion auf eine Enthüllung der Rechercheplattform "Dossier": Diese hatte alle Hebel in Bewegung setzen müssen, um letzten Endes über den Verwaltungsgerichtshof in Erfahrung bringen zu können, dass die Stadt für eine einzige Beilage 170.720 Euro an ein SPÖ-nahes Verlagshaus bezahlt hat. Das konnte geheimgehalten werden, weil alle bestehenden Regelungen voller Lücken und Umgehungsmöglichkeiten sind.

Es wirkt kafkaesk

Das ist Teil des Problems. In ihren Rechenschaftsberichten müssen Parteien nur grob angeben, woher ihre Einnahmen stammen. Bei der Vorarlberger ÖVP bleibt ungewiss, wie sie Erträge aus wirtschaftlicher Tätigkeit erzielt, bei der Wiener SPÖ ist nicht angeführt, von welchen nahestehenden Organisationen sie Zahlungen erhält, die in einem Wahljahr schon einmal siebenstellig werden können. Und so weiter und so fort. Gesetzlich gefordert sind Gesamtsummen, keine Erläuterungen dazu, die sinnstiftend wären. Es wirkt kafkaesk. Das betrifft auch die Bundesparteiorganisationen. Reformen sind in Aussicht gestellt, aber nicht beschlossen. In der Vergangenheit wurden Erwartungen enttäuscht. Es kam zu keinen aussagekräftigen Informationen. Nicht einmal angedacht ist etwas, was dem Ganzen nach Ansicht der Organisatoren des Antikorruptionsvolksbegehrens Zähne verleihen könnte, nämlich ein Straftatbestand "Illegale Parteienfinanzierung".

In Frankreich existiert ein solcher, es wurde Ex-Präsident Nicolas Sarkozy im Herbst zu einem Jahr Haft verurteilt, weil unter seiner Verantwortung eine Wahlkampfkostenobergrenze deutlich überschritten wurde. In Österreich hätte er persönlich nichts zu befürchten gehabt. Unter Frank Stronach und Sebastian Kurz wurden derartige Obergrenzen vor den Nationalratswahlen 2013 (Stronach) und 2017 (Kurz) ebenfalls weit überschritten, ihre Parteien kamen jedoch mit verkraftbaren Bußzahlungen davon. Abschreckende Wirkung hat das keine, Verfehlungen gelten als Kavaliersdelikt.

Wie zum Austricksen geschaffen

Doch zurück zu den Transparenzbestimmungen: Es gibt zu viele Möglichkeiten, Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Gesetze unwissend zu lassen. Bund, Länder und Gemeinden, die in der Regel von einem Kanzler, Landeshauptmann oder Bürgermeister geleitet werden, der zugleich auch Parteivorsitzender auf der jeweiligen Ebene ist, müssen zum Beispiel nur Inserate veröffentlichten, die in einem periodischen Medium erscheinen und die ebendort mehr als 5.000 Euro pro Quartal ausmachen. Daher war es für die Rechercheplattform "Dossier" so schwer, auf die 170.720 Euro für das SPÖ-nahe Verlagshaus zu kommen: In diesem Fall handelte es sich um kein periodisches Druckwerk.

Kritiker unterstellen besonders Ländern und Gemeinden, lichtscheu zu sein. Gemeint ist damit, dass sie nicht auf die Idee kommen, offenzulegen, worauf der Souverän einen Anspruch haben könnte - und das daher auch nicht pflegen. Der Druck, damit anzufangen, ist gering: Selten gibt es eine lästige Opposition, geschweige denn ebensolche Medien. Unter diesen Umständen konnte sich ein Herrschaftsverständnis halten, das Bürgerinnen und Bürger als Untertanen begreift, die nichts wissen müssen.

Nirgends kommt das so sehr zum Ausdruck wie beim Amtsgeheimnis: ÖVP und Grüne haben versprochen, es abzuschaffen und durch Informationsfreiheit zu ersetzen. Sie wäre ohnehin mit so vielen Ausnahmen versehen, dass Experten bezweifeln, dass sich viel ändern würde. Doch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die zuständig dafür ist, kommt auch damit nicht weiter. Grüne werfen ihr vor, zu wenig hinter der Sache zu stehen. Fakt ist, das sich Länder und Gemeinden parteiübergreifend querlegen. In gemeinsamen Stellungnahmen argumentierten sie, dass mit Auskunftserteilungen, zu denen sie verpflichtet werden könnten, ein unzumutbarer Bürokratieaufwand einhergehen würde. Damit dürfte es beim Amtsgeheimnis bleiben. 2025 wird es 100 Jahre alt.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at