Das letzte Gefecht
des Überlebenskünstlers

Es gibt keinen Wettbewerb um die Führung des ORF. Das unsägliche Geschacher der Politik schreckt viele Fähige ab. Auch deshalb hat Alexander Wrabetz Chancen auf eine weitere Wiederwahl, obwohl er parteilich nicht passt. Falls er kandidiert.

von Medien & Menschen - Das letzte Gefecht
des Überlebenskünstlers © Bild: Gleissfoto

Das Volksbegehren für einen unabhängigen Rundfunk war das erste der Zweiten Republik. Es sorgte für eine neue Grundlage des ORF. 30 Jahre später erlebte er seinen zweiten Umbruch: 1997 ging er online, 1998 starteten Österreichs Privatradios: der überfällige Anfang vom Ende des ramponierten Sendemonopols -infolge deutschen Privatfernsehens. Dorthin ging Gerhard Zeiler zurück, der 1994 als Nachfolger des 1967 erstmals bestellten ORF-Generals Gerd Bacher gekommen war: Seine Mission, das Unternehmen wettbewerbsfähig zu trimmen, übernahm Gerhard Weis, "ein altes Schlachtross, das die Trompeten hört" (Eigendefinition). Der damals 60-jährige gelernte Journalist holte sich Alexander Wrabetz als Finanzdirektor an seine Seite.

Weis wurde von der ersten schwarzblauen Koalition "eiskalt abmontiert", schrieb sein Sohn 2019 über die "ekelerregende Heuchelei" mancher Kondolenzen zum Tod des Vaters. Aber Nachfolgerin Monika Lindner hatte noch unter Kanzler Wolfgang Schüssel das Nachsehen gegen Wrabetz. Dessen erste Wahl zum General war ein Signal für das Ende der ÖVP-FPÖ/BZÖ-Regierung. Die Wiederbestellungen waren dagegen geradezu ein Kinderspiel.

Heute beschert die Digitalisierung dem ORF den dritten Umbruch, Sonntag wird Wrabetz 61, im August ist wieder eine Wahl zum General, doch der amtierende hört noch keine Trompeten. Er ficht eher als Spinne denn Schlachtross: da ein Treffen mit einem Landeshauptmann, dort die Vorstellung der "Starmania", hier Verzicht auf Gebührenerhöhung. Er webt ein Netz. Aber es wird schwerer denn je, dass sich darin genügend Stimmen zur Wiederwahl verfangen. Erstmals hat die ÖVP die Mehrheit im Stiftungsrat, dessen größte Macht die Wahl des Generals ist.

Aufgrund von Österreichs Realverfassung müsste Wrabetz als einstiger Vorsitzender des Verbandes Sozialistischer Studenten in solcher Konstellation chancenlos sein. Schon dass er weiter als Kandidat gilt, auch wenn er sich noch nicht deklariert hat, ist ein Erfolg für ihn. Doch seine Chancen wachsen von Tag zu Tag. Wenn die türkise Medienpolitik sich nicht klar zu Qualifikation als einzigem Maßstab für die Wahl bekennt, wird es kaum fähige externe Bewerber geben. Sie würden durch die politische Vereinnahmung ihren Ruf als Medienmanager beschädigen.

Gemessen an Wechselfristen aus der Privatwirtschaft hat die ÖVP schon zu lange gezaudert, um sich derart zu deklarieren. Der Posten des ORF-Chefs muss bis Jahresmitte ausgeschrieben werden, die Wahl ist sechs Wochen danach. Das weist auf interne Neubesetzung hin. Als türkise Favoritin dafür galt Lisa Totzauer, Kanalchefin von ORF 1. Sie wäre auch aufgrund des journalistischen Hintergrunds eine Alternative zu Jurist Wrabetz. Doch es ist ihr nicht gelungen, den Quotensturz des Programms aufzufangen. Das verbessert die Position des stellvertretenden Finanzchefs Roland Weißmann. Beide hätten Fürsprache aus Niederösterreich.

Dagegen steht eine durchwachsene Bilanz von Wrabetz, aus der die Informationsleistung hervorragt. Bei aller berechtigten Kritik haben sich unter ihm doch politisch widerständige Redaktionen wie die "ZIB 2", der "Report" oder die Ö1-Journale behaupten dürfen. Das ist aus Sicht der türkisen Medienpolitik nicht selbstverständlich. Überdies gerieten die größten Erschütterungen der Republik zu Glücksfällen für den Überlebenskünstler auf dem Küniglberg. Vor Ibiza war er schon ein "Dead Man Walking", seit Corona ist der ORF im Quoten -Aufwind. Nach der Papierform bräuchte es stärkere Konkurrenten und bessere Argumente, als sich derzeit abzeichnen, um ihn abzulösen. Das spricht nicht unbedingt für Wrabetz, aber gegen eine Politik, die das größte Medium des Landes derart verkommen lässt. Statt eines Schaulaufens um seine Führung erleben wir die parteiliche Abstoßreaktion. Österreich braucht (ein Volksbegehren für) ein unabhängiges öffentlich-rechtliches Medium des 21. Jahrhunderts.