"Gehen in Opposition,
wenn wir nicht Erster werden"

Kanzler Kern warnt vor Schwarz-Blau

Mit Kanzler Christian Kern sind die heurigen ORF-"Sommergespräche" zu Ende gegangen. Kern sprach über eine mögliche Regierung, parteiinternen Schwierigkeiten und Urlaub.

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ORF-Sommergespräch - "Gehen in Opposition,
wenn wir nicht Erster werden"

Kanzler Christian Kern hat am Montagabend gleich zu Beginn des ORF-"Sommergesprächs" den gemeinsamen Urlaub mit Moderator Tarek Leitner auf Ibiza von vor zwei Jahren thematisiert - damals noch als ÖBB-Chef. "Was wir beide ja nicht können, ist über gemeinsame Urlaube in meiner Kanzlerzeit zu diskutieren, die hat es ja bekanntlich nicht gegeben", sagte der SPÖ-Chef zu den Vorwürfen.

»Was wir beide ja nicht können, ist über gemeinsame Urlaube in meiner Kanzlerzeit zu diskutieren«

"Ich finde das bedauerlich, dass der Außenminister und ÖVP-Chef und seine engsten Mitarbeiter da Unwahrheiten darüber verbreiten. Aber mir ist wichtig, ihnen zu versichern, wie auch immer hart Sie fragen werden, ich werde nachher sicherlich nicht wehleidig mich über den ORF beschweren, das ist ganz wesentlich, weil ich Respekt vor der journalistischen Arbeit habe." Leitner selbst äußerte sich während des Fernsehinterviews nicht zu der Causa.

Analyse zum ORF-Sommergespräch: Kerns klare Ansagen

Der gemeinsame Urlaub der Familien Kern und Leitner hatte im Vorfeld des Sommergesprächs für Aufregung gesorgt. Der von den Grünen auf die Liste der Volkspartei gewechselte Efgani Dönmez grub diesen Ferienaufenthalt aus, um Leitner vorzuwerfen, dass er trotz der Nähe zu Kern das Sommergespräch moderiert.

Bundeskanzler Christian Kern im ORF-Sommergespräch

Darüber hinaus behauptete Dönmez, dass die beiden auch im Herbst 2016, also zu einer Zeit, wo Kern schon SPÖ-Vorsitzender und Regierungschef war, gemeinsam in Marokko auf Urlaub waren - was nicht stimmte, wie Dönmez am Montag gegenüber der APA auch einräumte; vielmehr habe es sich um einen Urlaub der Familien Kern und Leitner gehandelt, bei dem Christian Kern nicht dabei war, sagte Dönmez mit Verweis auf Aussagen von SPÖ-Geschäftsführer Georg Niedermühlbichler in der "Presse" vom Montag. An seiner Kritik hielt der nunmehrige ÖVP-Politiker fest.

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Leitner und der ORF haben die Kritik schon zurückgewiesen, aus dem ORF hieß es laut mehreren Medienberichten vom Montagabend, man prüfe auch rechtliche Schritte. Der Moderator hatte bereits im Juni erklärt, "dass wir durch die Schulfreundschaft unserer Kinder im Sommer 2015 mit mehreren Familien auf Urlaub waren, darunter auch mit der Familie Kern." Der ORF-Redakteursrat kritisierte am Wochenende "ein bewusstes und absichtliches Anpatzen mit dem Zweck, einen ORF-Journalisten vor einem wichtigen Interview einzuschüchtern".

Kern will bei Wahlniederlage keiner Regierung angehören

Kern ließ zu Ende des Interviews damit aufhorchen, dass die SPÖ in Opposition gehen werde, wenn sie nur Zweiter wird. "Wenn wir Erster sind, dann werde ich Kanzler bleiben, wenn wir das nicht werden", so Kern, dann werde er die SPÖ in die Opposition führen und Österreich eine schwarzblaue Regierung bekommen.

Schon zuvor warnte Kern im ORF-Sommergespräch vor einer Regierungszusammenarbeit von ÖVP und FPÖ. Die beiden Parteien hätten Wirtschaftsprogramme, "wo du nicht weißt, wer von wem abgeschrieben hat". Es gehe in der Politik nicht um die Fassade, sondern um Interessen, so Kern, der sich dabei auf der Seite der Mittelschicht sieht. Er verteidigte seine Forderung nach einer Erbschaftssteuer und einer Wertschöpfungsabgabe; von einem bedingungslosen Grundeinkommen sei er aber "kein großer Anhänger".

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Dass die SPÖ unter Kern eine Zusammenarbeit mit der FPÖ nicht mehr kategorisch ausschließt, begründete Kern mit dem geringen politischen Erfolg der Ausgrenzungspolitik, die FPÖ habe sich immer als der Verfolgte aufgespielt. Sein Weg sei es, so Kern, inhaltliche und personelle Angebote zu bewerten und vor der Wahl niemanden auszuschließen, eine Ausnahme sei der FPÖ-Mandatar Johannes Hübner, der sich evident antisemitisch geäußert habe.

Für die Aufhebung des Anti-FPÖ-Parteitagsbeschlusses brauche es eine Urabstimmung, erinnerte Kern. Dies sei aber eine artifizielle Diskussion. "Wir verschwenden Gesprächszeit mit einer Frage, die sich am 16. Oktober (dem Tag nach der Wahl, Anm.) nicht stellen wird", sagte Kern.

Affäre rund um Berater Tal Silberstein

Die parteiinternen Anlaufschwierigkeiten im SPÖ-Wahlkampf streifte der rote Parteichef nur am Rande. Zur Affäre rund um den Berater Tal Silberstein sagte Kern lediglich, dass hier ein Vertrauensverhältnis enttäuscht worden sei. Mit dem früheren BZÖ-Politiker Stefan Petzner habe er zwar diskutiert, eine Beraterzusammenarbeit sei aber nie ein Thema gewesen, so Kern.

Kern betonte mehrmals, dass er aus einem Unternehmen in die Politik gekommen sei und dass unter seiner Kanzlerschaft die Trendwende am Arbeitsmarkt gelungen sei. Auch das Budgetdefizit in Relation zum BIP sei gesunken. Es sei das noch mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ausgehandelte Programm, dass Österreich wieder in die Spur bringe.

In der Flüchtlingspolitik der drei großen Parteien SPÖ, ÖVP und FPÖ konstatierte Kern, dass sich die Positionen angenähert haben. Auch für die SPÖ seien der Grenzschutz und der Kampf gegen die illegale Migration wichtig, "Wirtschaftsflucht wird nicht gehen". Der Unterschied liege aber in der Beurteilung der Menschenwürde und darin, nicht gegen Flüchtlinge zu hetzen, ihnen eine Chance zu geben sowie darin, dass die Integration im Vordergrund steht, legte Kern die SPÖ-Linie dar. Es sei auch klüger, hinter verschlossenen Türen miteinander zu sprechen als öffentlich von Italien die Schließung der Mittelmeerroute zu fordern.

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) soll übrigens - falls die SPÖ in der Regierung bleibt - als "Sicherheitsminister" für Inneres zuständig sein, das Dogma der Trennung von Militär und Polizei werde aber nicht aufgehoben, stellte Kern klar.

Seine Analyse, dass die Politik zu 95 Prozent aus Inszenierung bestehe, erhalte er nach wie vor aufrecht, es werde oft bewusst ein Konflikt gesucht, weil die Medien nicht in der Lage seien oder nicht willens, über etwas anderes zu berichten.

Analyse des "ORF-Sommergesprächs" mit Christian Kern

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