Viktor Orbán,
Europas Sorgenkind

Seit Jahren liegen die EU und Viktor Orban im Clinch. Der ungarische Regierungschef eckt regelmäßig mit Reformen an, über die er die Macht seiner rechtskonservativen Fidesz-Partei zementieren will. Nach der Plakatkampagne gegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker droht dieser nun der Ausschluss aus der konservativen Europäischen Volkspartei. Heute berät die EVP-Fraktion erstmals über den Fall.

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Europäische Union - Viktor Orbán,
Europas Sorgenkind

Demokratie

Seit Orbans Amtsantritt 2010 hagelt es Kritik an Vorhaben zur Einschränkung von Bürgerrechten, der Unabhängigkeit der Justiz sowie der Medien- und Meinungsfreiheit in Ungarn. Vor diesem Hintergrund verabschiedete die EU Anfang 2014 einen Rechtsstaatsmechanismus gegen "Demokratie-Sünder". Doch Orban blieb stur und verfolgte sein erklärtes Ziel weiter, in Ungarn eine "illiberale Demokratie" zu errichten.

Dies blieb zunächst ohne Folgen, auch wenn Juncker Orban bei einem EU-Gipfel 2015 schon einmal mit "Hallo, Diktator" begrüßte. Im September 2018 reichte es dem Europaparlament: Wegen der Verletzung von Grundrechten beschloss es ein Strafverfahren, das bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen kann.

Zentralbank

Auch die ungarische Zentralbank wollte Orban an die kurze Leine legen. Hier eröffnete die Kommission 2012 ein Vertragsverletzungsverfahren. Der ungarische Regierungschef nahm die Eingriffe schließlich zurück, weil sonst Finanzhilfen aus Brüssel und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) in Gefahr geraten wären.

Todesstrafe

Nach der Ermordung einer Verkäuferin bei einem Raubüberfall wollte Orban im April 2015 die Todesstrafe wieder "auf die Tagesordnung" setzen. Es gab massiven Protest aus dem Europaparlament, Juncker erinnerte den Ungarn daran, dass die Grundrechtecharta der EU die Todesstrafe verbietet. Nach wochenlangem Streit ruderte Orban zurück.

Flüchtlingskrise

In der Flüchtlingskrise bot Orban der EU von Anfang an die Stirn: Er schottete Ungarn mit Stacheldrahtzäunen zu Serbien und Kroatien ab und ließ Asylanträge nur in schwer gesicherten Transitlagern an der Grenze zu. Gegen einen EU-Mehrheitsbeschluss vom September 2015, der die Umverteilung zehntausender Asylbewerber auf alle Mitgliedstaaten vorsah, reichte er Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein.

Orban verlor zwar, nahm aber bis heute keinen einzigen Flüchtling zur Entlastung der Hauptankunftsländer Italien und Griechenland auf. Wegen der Weigerung hat die Kommission Budapest ihrerseits im Dezember 2017 vor dem EuGH verklagt. Dort liegt seit Juli 2018 auch ein Verfahren wegen der Transitzonen.

Nichtregierungsorganisationen

Im Juni 2018 beschloss das ungarische Parlament ein Gesetzespaket, das Hilfeleistungen für Asylbewerber im Namen einer Organisation verbietet. Dabei drohen Flüchtlingshelfern Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr. Das Vorhaben firmierte unter dem Namen "Stopp Soros Gesetz" wegen des US-Milliardärs George Soros. Ihm wirft Orban vor, illegale Einwanderung über die Finanzierung solcher Organisationen zu fördern. Auch hier leitete die EU-Kommission im Juli ein Vertragsverletzungsverfahren ein.

Universitätsgesetz

Im April 2017 trat das neue Hochschulgesetz in Kraft. Es beschränkt die Befugnis von Universitäten mit Hauptsitz außerhalb der EU, ungarische Abschlüsse zu verleihen. Das Gesetz zwang die von Soros gegründete Central European University, den Umzug von Budapest nach Wien zu beschließen. Wegen des Hochschulgesetzes läuft seit Dezember 2017 ein EU-Vertragsverletzungsverfahren.

"Stoppt Brüssel!"

Die Plakatkampagne gegen Juncker war nicht der erste öffentlichkeitswirksame Angriff auf die EU-Kommission. Anfang April 2017 startete Orbans Regierung bereits eine Bürgerbefragung unter dem provozierenden Titel "Stoppt Brüssel!". Darin wurde gefragt, was Ungarn tun soll, "wenn Brüssel es zwingen will, illegale Einwanderer ins Land zu lassen - trotz der jüngsten Serie von Terrorangriffen in Europa?".

Die Anti-Juncker-Kampagne soll nun am 15. März enden. Doch die nächste ist schon angekündigt: Sie soll sich gegen den sozialdemokratischen Vize-Kommissionspräsidenten Frans Timmermans richten, der für das Rechtsstaatsverfahren gegen Budapest zuständig ist.

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