Ereignisreiches
Orgien-Musik-Theater

Franz Welser-Möst kehrte mit „Elektra“ von Richard Strauss an die Staatsoper zurück – ein Triumph.

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Opernkritiken - Ereignisreiches
Orgien-Musik-Theater © Bild: Michael Poehn

Ovationen, Bravo-Rufe, Jubel – Ausnahmezustand an der Wiener Staatsoper. Dirigent Franz Welser-Möst nahm seinen Posten am Pult im Haus am Ring ein. Mit Harry Kupfers kluger, visionärer Inszenierung von Richard Strauss’ „Elektra“ aus dem Jahr 1989 demonstrierte er mit dem Staatsopernorchester, respektive den Wiener Philharmonikern, wie Musiktheater funktioniert. Höchste Dramatik, orgiastisch bis ins Extremste, dann wird feinsinnig mit Tiefgang. Da fehlte nichts. Vor sechs Jahren hatte Welser-Möst wegen künstlerischer Differenzen sein Amt als Generalmusikdirektor in der Direktion von Dominique Meyer zurückgelegt. Welche Lücke er damit aufgerissen hatte, zeigte niemand anderer als er selbst bei seiner Wiederkehr, als er das Archaische dieses Werks spüren ließ und sich als idealer Partner für das Ensemble erwies. In der Titelrolle war Ricarda Merbeth zu hören. In Harry Kupfers und in Eric Uwe Laufenbergs Inszenierung war sie eine wackere Chrysothemis gewesen. Als Elektra mutete sie nun auf einen ersten Blick wie eine sehr reife rächende Tochter mit einer Neigung zur Matrone an, zunächst auch stimmlich, steigerte sich aber nach und nach ins Dramatische. Camilla Nylund brillierte bei ihrem Debüt als Chrysothemis. Doris Soffel erweckt den Eindruck, als hätte Claire Zachanassian (Friedrich Dürrenmatt „Besuch der alten Dame“) das Stück gewechselt, zeigte aber als Klytämnestra das Psychogramm einer von Schuld und Sühne gezeichneten Frau. Das stimmliche Ereignis dieser Aufführung war Derek Welton als Orest mit seinem kräftigen, markanten Bassbariton. Auch die kleineren Partien waren vorzüglich besetzt. Allen voran ließ die 5. Magd aufhorchen. Dank der neugestalteten Texte auf den Monitoren werden ab dieser Saison auch die Rollen angegeben. Man weiß, wer singt. Das will man im Fall von Vera-Lotte Boecker auch wissen. Die Intensität, mit der diese Sopranistin aus Köln aufhorchen ließ, klang mehr als vielversprechend. Harry Kupfers Inszenierung faszinierte ungebrochen. Und der Ausnahmezustand? Der ist ab nun wieder der „alte Normalzustand“. Applaus und Bravo-Rufe wollten nicht enden.