Ohrid-Abkommen brachte Friden aber keine Ruhe: Umsetzung verläuft schleppend

Verlagerung der Kompetenzen nicht reibungslos Bilanz der Ämterverteilung im Moment mittelmäßig

Das Zusammenleben der Volksgruppen in Mazedonien sollte das Abkommen von Ohrid verbessern, das 2001 monatelange Kämpfe zwischen albanischen Separatisten und der Armee beendete. Mehr als fünf Jahre danach ist die Braca-Miladinovi-Schule jedoch nur ein Beispiel dafür, dass die Umsetzung des Abkommens nicht ohne Probleme verläuft.

Vor allem durch die Übertragung weit reichender Aufgaben auf die Lokalbehörden sollte den Albanern in Mazedoniern mehr Selbstbestimmung zukommen. Doch die Verlagerung der Kompetenzen im Zuge der Dezentralisierung verläuft nicht reibungslos: Mynim Bajraktar, Beamter der Stadtverwaltung von Struga, beklagt, dass mitten durch die 62.000-Seelen-Gemeinde mit etwa 60 Prozent Albanern und einem albanischen Bürgermeister eine löcherige Straße führt, die die Zentralverwaltung aus angeblichem Geldmangel nicht ausbessere. Er selbst habe (noch) keine Befugnisse dafür und wünscht sich, dass die Straße bald zu einer Gemeindestraße wird.

Probleme auch bei Finanzen
Ein weiteres Problem der schleppend verlaufenden Dezentralisierung sind die Finanzen. Die Zentralregierung muss laut Gesetz die nötigen Mittel dafür zur Verfügung stellen. Die Kommunen bekommen allerdings nur drei Prozent der Einkommenssteuern. Allen Lokalvertretern voran bemängelt der Bürgermeister der Hauptstadt Skopje, dass er für Vorhaben kein Geld habe und mit einem Jahresbudget von umgerechnet 20 Mio. Euro auskommen müsse. Daher könne er auch kaum zweisprachige Ortstafeln aufstellen, erklärte der Parteiunabhängige Trifun Kostovski jüngst vor österreichischen Journalisten in Skopje. Er kritisierte das Proporzsystem nach ethnischen Gesichtspunkten und steht mit seiner Idee, die Minderheiten-Problematik über eine Hebung des Wohlstands für alle zu lösen, ziemlich allein da.

Weiteres Kernstück der in die Verfassung aufgenommenen Regelungen von Ohrid ist eine gerechte Ämterverteilung im Verwaltungsapparat. Derzeit ist auf allen Ebenen unter Anwendung positiver Diskriminierung ein Umstrukturierungsprozess im Gang. Nachdem ein Viertel der mazedonischen Bürger Albaner sind, sollen auch bei den Behörden ein Viertel der Beamten Albaner sein. Obwohl ihr Anteil inzwischen von rund fünf auf durchschnittlich 16 Prozent angestiegen ist, fällt die Bilanz eher mittelmäßig aus. Während die Quote in der Armee fast erreicht werde, seien Albaner im Wirtschaftsministerium stark unterrepräsentiert, heißt es aus mazedonischen Diplomatenkreisen. An mangelnder Qualifikation der Albaner liege dies nicht.

Weitere Forderungen
Während um die Umsetzung des Abkommen gerungen wird, geht die Albaner-Partei DUI (Demokratische Integrationsunion) über dessen Bestimmungen hinaus und stellt weitere Forderungen. Nach dem Willen von Parteichef Ali Ahmeti, der früher Kommandant der Separatisten war, soll etwa der Vorsitz von Ausschüssen und dem Plenum im Parlament auf Albanisch abgewickelt werden können. Bisher dürfen Abgeordnete Albanisch verwenden, nicht jedoch der Vorsitzende. Für die Veteranen der aufgelösten Nationalen Befreiungsarmee, die alle amnestiert wurden, will die DUI soziale Vergünstigungen.

Albaner-Partei boykottiert Parlament
Die Integrationsunion ist die stärkste Albaner-Partei Mazedoniens. Seit Jahresanfang boykottiert sie das Parlament, nachdem sie im Vorjahr in Opposition gehen musste. Aus Sicht der Regierung, in die die zweitgrößte Albaner-Partei DPA aufgenommen wurde, stellte die DUI unannehmbare Personalforderungen für die Beteiligung an der Koalition. Ahmeti wiederum sieht sich mit 60 Prozent der albanischen Stimmen ausgestattet, als legitimer Vertreter, der in die Regierung gehört. Auch wenn diese die Stimmen der DUI nicht zur Umsetzung der Volksgruppen-Gesetze braucht, wäre deren Einbindung in die Minderheitenpolitik wohl förderlich.

So hat der EU-Beitrittskandidat Mazedonien nach dem durch das Ohrid-Abkommen abgewendeten Bürgerkrieg auf dem Weg von einer multi-ethischen Gesellschaft, die er auf Grund seiner Geschichte ist, hin zu einem multi-ethnischen Staat noch ein Stück Weg zurückzulegen. "Es wäre besser, wenn Mazedonier und Albaner in einer Klasse wären", meint der 13-jährige Durim in der Braca-Miladinovi-Schule. Sein Klassenkamerad Mefludi räumt ein, dass er keine Mazedonier als Freunde hat, aber gerne welche hätte. Ein gemeinsamer Unterricht ist nach Darstellung von Schuldirektor Agni Nexhipi wünschenswert, aber nicht möglich. Als Argument nennt er, dass Albaner zwar Mazedonisch lernten, die wenigsten Mazedonier aber Albanisch könnten. Auch wenn immer mehr junge Mazedonier des Albanischen mächtig seien, sein Angebot eines Unterrichts "Albanisch für Mazedonier" habe niemand angenommen.

(apa/red)