Pandemie: Sind Offiziere bessere Krisenmanager?

Immer mehr Länder setzen bei der Pandemiebekämpfung auf hochrangige Militärs. Auch in Österreich wurde nun mit Rudolf Striedinger ein Generalmajor zum obersten Krisenmanager und in Wien steht mit Thomas Starlinger ebenfalls ein Generalmajor hinter dem erfolgreich aufgesetzten "Alles gurgelt"-Testsystem. Sind Offiziere bessere Krisenmanager?

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Pandemie: Sind Offiziere bessere Krisenmanager?

Widersprüchliche Aussagen, unterschiedliche Ansätze und Maßnahmen, deren Erfolg regional völlig unterschiedlich ist - wenn die Bekämpfung der Corona- Pandemie eines bestätigt hat, dann das Sprichwort, dass viele Köche den Brei verderben. Anders ist es wohl kaum zu erklären, dass hierzulande die Impfquote im internationalen Vergleich hinterherhinkt und beim Umsetzen einer bundesweiten Testinfrastruktur bislang das Chaos regiert. Doch es geht auch anders: In Portugal, einem der Länder mit der höchsten Impfquote Europas, wurde bereits frühzeitig ein Admiral, der in der Vergangenheit das Kommando über Kriegsschiffe und U-Boote hatte, zum Chef der Impfkampagne bestellt. Auch in Italien, dessen Impfquote deutlich über der in Österreich liegt, hat ein General, der früher Logistikexperte im Afghanistan-und Kosovo-Einsatz war, die Verantwortung. Und auch die deutsche Regierung setzt künftig auf einen Militär im Kampf gegen die Pandemie.

Und auch in Österreich hat fügt man sich nun in diese Reihe ein: Mit Generalmajor Rudolf Starlinger übernimmt ebenfalls ein Mann aus dem Heer - gemeinsam mit der Ärztin Katharina Reich - das Krisenmanagement des Landes. Er und Reich fungieren an der Spitze der neuen "gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination", kurz "GECKO" genannt.

Militärische Qualitäten

Auch ein anderer Militär hat sich bereits bei der Implementierung von Anti-Covid-Maßnahmen hervorgetan: Generalmajor Thomas Starlinger, als Adjutant von Bundespräsident Alexander van der Bellen sozusagen dessen oberster Sicherheitsberater, hat beim Aufsetzen der "Alles gurgelt"-PCR-Tests in Wien eine führende Rolle gespielt. "Er war für die Entstehung und Durchführung des Systems sehr wichtig, vor allem was die strategische Ausrichtung und detaillierte Organisation betrifft", sagt Virologe Christoph Steiner.

»"Durchdachtes und stringentes Handeln" sei eine Qualität, die Manager und Politik vom Militär durchaus lernen könnten«

Der "Alles gurgelt"-Mitbegründer und Gesellschafter des Testkit-Herstellers Lead Horizon beschreibt die Zusammenarbeit mit Starlinger als "sehr professionell und sachlich" und schätzt an ihm, dass er "sehr sortiert, geordnet und strategisch" agiere. "Durchdachtes und stringentes Handeln" sei eine Qualität, die Manager und Politik vom Militär durchaus lernen könnten, so Steininger -freilich abgestimmt auf die jeweiligen Erfordernisse: "Wenn es darum geht, so wie in Portugal ein Impfsystem aufzusetzen, sind hierarchische Kommandostrukturen und entsprechendes militärisches Agieren anders zu bewerten als wenn etwa so wie jetzt in Österreich die Impfquote mittels Überzeugungsarbeit gesteigert werden soll."

Strategie und Organisation

Der strategische durchdachte Ansatz und die straffe organisatorische Umsetzung hätten aber zweifellos den Erfolg von "Alles gurgelt" mit ermöglicht, erklärt der Virologe: "In den Bundesländern, wo nicht so vorgegangen wurde, sieht man, dass das dort nicht funktioniert."

»Für so ein System braucht es ein professionelles Projektmanagementteam«

Denn der Bund stellt lediglich die finanziellen Ressourcen für die Implementierung von Teststraßen bzw. -konzepten zur Verfügung. Organisatorische Abwicklung, Abhollogistik und Personalbereitstellung liegen jedoch in der Verantwortung der Bundesländer. Was auch Starlinger, der mit der Future-Operations-Plattform zudem die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik in Sachen Corona leitet, als Management-Knackpunkt sieht: "Für so ein System braucht es ein professionelles Projektmanagementteam, das sich durchgehend darum kümmert", so das "Alles Gurgel"-Mastermind: "Wir besprechen auf CEO-Ebene jeden Dienstag für zwei bis vier Stunden alle Details und Eventualitäten, beispielsweise das rechtzeitige Bereitstellen der erforderlichen Kapazitäten."

Strategisches Denken gelernt

Offiziere lernen strategisches Denken und strukturiertes Handeln schon während ihrer militärischen Ausbildung -in Österreich auf der Theresianischen Militärakademie und danach auf der Landesverteidigungsakademie für den Generalstab. Und natürlich in der Praxis. So wie Starlinger, der vor seiner Tätigkeit in der Hofburg nicht nur Verteidigungsminister in der Übergangsregierung Bierlein, sondern auch 14 Jahre lang im Auslandseinsatz für EU und Nato war: "Da konnte ich mein erworbenes Wissen in der Praxis anwenden und weitere Erfahrungen sammeln."

Das militärische Knowhow

Insbesondere drei Aspekte seien es, die militärisches Knowhow auszeichneten, so Van der Bellens Adjutant: Persönlichkeitsentwicklung und die Fähigkeit, sich selbst immer wieder zu hinterfragen, Methodenkompetenz samt mittel-und langfristiger Planungsschritte sowie Systemverständnis -also die Notwendigkeit eines gesamtstaatlichen bzw. interministeriellen Ansatzes auf Basis wissenschaftlicher Evidenz unter Berücksichtigung der föderalen Strukturen Österreichs. Das methodische Agieren von Sofortmaßnahmen bis zum präventiven Handeln mit einer langfristigen Perspektive sei seit den 1980er-Jahren beim Militär "State of the Art" und würde mittlerweile auch von großen Konzernen angewendet, sagt Starlinger: "Auf die Corona-Pandemie umgelegt heißt das etwa, wir beschäftigen uns in einem Future Plan schon jetzt damit, was in den Semesterferien 2023 passieren könnte."

»In kurzer Zeit und schwierigen Situationen komplexe Zusammenhänge auf eine möglichst einfache Ebene zu bringen, um dort effiziente Maßnahmen abzuleiten, das lernt man beim Militär «

Offiziere seien für das Managen von Krisen deshalb besonders geeignet, weil sie auf der militärischen Ebene in der Regel schon Krisen zu bewältigen gehabt hätten, ist Raiffeisen-Boss Erwin Hameseder, selbst Milizoffizier im Rang eines Generalmajors, überzeugt: "Es geht dabei immer um klare Analysen und in der Folge um klare Entscheidungen und Maßnahmen." Letztendlich müsse die Politik, die das Primat über Sicherheitskräfte und Militär habe, diese Entscheidungen dann approbieren. "Aber in kurzer Zeit und schwierigen Situationen komplexe Zusammenhänge auf eine möglichst einfache Ebene zu bringen, um dort effiziente Maßnahmen abzuleiten, das lernt man beim Militär -und dort wahrscheinlich viel besser als sonst wo", so Hameseder. "Dieser Prozess heißt 'Beurteilung der Lage samt nachfolgendem Entscheidungsvorschlag mit Begründung'."

Warum militärisches "Einmaleins" auch in der Wirtschaft hilfreich ist

Dieses militärische "Einmaleins" sei auch in der Wirtschaft hilfreich, weil dabei "Führungskompetenz, Krisenfestigkeit, Durchhaltevermögen und ein klarer Denkansatz" im Mittelpunkt stünden, so der Raiffeisen-Boss: "Ich denke nur an die Finanzkrise oder den Beginn der Pandemie." In solchen Situationen sei vom CEO und seinem Vorstandsteam bzw. von den politischen Verantwortungsträgern rasch ein Krisenstab einzurichten, der sich mit einer Vielzahl von Fragen, die im Kontext aufschlagen, auseinandersetzen und Entscheidungen klar und verständlich kommunizieren müsse.

Kontraproduktive Einzelinteressen

Während "Partikularinteressen in solchen Situationen kontraproduktiv" seien, habe ein Militär dagegen "mehrere organisatorischen Stärken", so Hameseder. Denn da seien Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung samt Ressourcen in einer Hand. Den Stimmen, die sich vor diesem Hintergrund so wie in anderen Ländern auch bei uns die Installation eines zentralen Krisenmanagers wünschen, kann Hameseder durchaus etwas abgewinnen: "Es ist sicher überlegenswert, da einem militärischen Fachmann einzusetzen, aber nur, wenn der auch das absolute Vertrauen und das Go der Politik bekommt."