ÖVP und FPÖ einigten
sich auf neue Regelung

ÖVP und FPÖ haben sich auf ein Modell zur umstrittenen Arbeitszeitflexibilisierung geeinigt.

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Die beiden Regierungsparteien haben sich dabei laut eigenen Angaben an einem Sozialpartner-Papier aus dem Jahr 2017 orientiert. Der 8 Stunden-Tag soll als gesetzliche Normalarbeitszeit bleiben, auf freiwilliger Basis soll ab Jänner 2019 aber auch länger, nämlich bis zu 12 Stunden, gearbeitet werden können.

Initiativantrag im Parlament eingebracht

Einen entsprechenden Gesetzestext haben die Koalitionsparteien am Nachmittag als Initiativantrag im Parlament eingebracht. Bei der geplanten Anhebung der täglichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf 12 Stunden sowie der wöchentlichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf 60 Stunden soll es Einschränkungen geben, heißt es in dem Papier. Für die 11. und 12. Stunde gibt es demnach bei überwiegenden persönlichen Interessen - etwa Kinderbetreuungspflichten - für jeden Arbeitnehmer ein Ablehnungsrecht.

8-Stunden-Tag soll gesichert bleiben

Die weiteren Eckpunkte der von ÖVP und FPÖ ausverhandelten Arbeitszeitregelung: Der 8-Stunden-Tag als gesetzliche Normalarbeitszeit soll gesichert bleiben, zugleich die 4-Tage Woche gesetzlich ermöglicht werden. Neben der täglichen (8 Stunden) soll auch die wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden beibehalten werden, kollektivvertragliche Regelungen der Normalarbeitszeit blieben ebenfalls unberührt, heißt es. Das Modell der Sozialpartner, das von Gewerkschaftsseite am Ende freilich nicht akzeptiert wurde, sah ursprünglich eine Erhöhung der gesetzlichen Normalarbeitszeit von 8 auf 10 Stunden pro Tag vor.

Entkriminalisierung der Arbeitszeithöchstgrenze

Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit darf laut den ÖVP-FPÖ-Plänen wie bisher 48 Stunden nicht überschreiten. Keine Änderungen soll es bei den Zuschlägen geben. Ein weiterer Punkt: Entkriminalisierung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze bei freiwilliger Gleitzeit auf 12 Stunden, fünfmal pro Woche bei gleichbleibendem Regelungsregime. Nicht übertragbare Gleitstunden werden am Ende der Gleitzeitperiode wie bisher mit Zuschlag - Zeit oder Geld je nach Vereinbarung - vergütet. Ausnahmemöglichkeiten von der Wochenend- und Feiertagsruhe soll es maximal vier Mal im Jahr geben, allerdings nicht an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden. Die mehrmalige Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben und Zeitschulden in den jeweils nächsten Durchrechnungszeitraum soll durch Kollektivvertrag ermöglicht werden.

"Anpassung an die modernen Lebensverhältnisse"

Ziel der Flexibilisierung ist laut den Regierungsparteien die "Anpassung an die modernen Lebensverhältnisse und Lebenswelten". Für Pendler und Familien soll es demnach mehr Freiheit und Freizeit geben, auch von besseren Möglichkeiten zum verlängerten Wochenende ist die Rede. Für die Wirtschaft ergebe sich aus dem Maßnahmen eine "Auftragssicherheit durch die Abdeckung von Spitzenzeiten". Die Politik der Gewerkschaft, die bereits in den vergangenen Tagen gegen die Arbeitszeitflexibilisierungspläne der Regierung mobil gemacht hatte, sehen ÖVP und FPÖ im Gesetz verankert. Die Systematik der gewerkschaftlichen Betriebsvereinbarung, die jetzt gilt, werde zukünftig ins Gesetz geschrieben, heißt es in dem Papier.

Neues Modell soll ab 1. Jänner 2019 in Kraft treten

Für das Gesetzesvorhaben soll es übrigens keine normale Begutachtungsphase geben, geplant ist laut ÖVP und FPÖ nur eine umfassende Ausschussbegutachtung im Parlament. Der Beschluss im Nationalrat ist für Juli geplant. Am 1. Jänner 2019 soll das Arbeitszeitflexibilisierungsmodell dann in Kraft treten.

"Win-Win" für Arbeitgeber und -nehmer

Die Klubobleute von ÖVP und FPÖ, August Wöginger und Walter Rosenkranz, haben sich nach Einbringung des Initiativantrags zur Arbeitszeitflexibilisierung im Nationalrat hochzufrieden gezeigt. Es sei darum gegangen, eine "Win-Win-Situation" für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schaffen, sagte Wöginger am Donnerstag vor Journalisten. Behandelt werden soll der Antrag im Wirtschaftsausschuss am 2. Juli.

Damit wird eine Ausschussbegutachtung von rund drei Wochen ermöglicht, sagte Wöginger. Dass das Paket mittels Initiativantrag und nicht via Regierungsvorlage eingebracht wird, begründeten die Klubchefs damit, dass die Materie maßgeblich von Abgeordneten der beiden Parlamentsklubs ausgearbeitet worden sei.

Mehr Flexibilität

Das Paket bringe mehr Flexibilität, "auf der anderen Seite werden Überstunden wie bisher abgegolten", sagte Wöginger. Auch die Kollektivverträge bleiben unberührt, versicherte er. Die Anpassung des Arbeitszeitgesetzes werde von vielen Arbeitnehmern gewünscht, um flexibler zu sein, meinte der VP-Klubchef.

Auch Rosenkranz betonte, dass die Neuerungen auch den Arbeitnehmern Vorteile bringen würden. So könnten etwa Pendler an vier Tagen länger (bis zu zwölf Stunden, Anm.) arbeiten, dafür aber einen zusätzlich Tag freinehmen. Das Gesetz werde dazu dienen, dass sich die Menschen ihre Zeit besser einteilen können. Auch betonten die Klubchefs, dass die Ablehnung der Überstunden - etwa aus Kinderbetreuungsgründen - rechtlich verankert werde.

»Der Acht-Stunden-Tag ist die Regel, die 40 Stunden-Woche bleibt die Regel«

Gefragt, ob sie mit Protesten der Gewerkschaft rechnen, sagte Rosenkranz, er erwarte aus sachlichen Gründen keinen Protest, "aus parteitaktischen Gründen sehr wohl". Er erwarte sich nun durchaus das Aufkommen von "Gräuelpropaganda" - etwa, dass der Zwölf-Stunden-Tag fix komme. Dies sei aber unrichtig, denn: "Der Acht-Stunden-Tag ist die Regel, die 40 Stunden-Woche bleibt die Regel."

SPÖ spricht von "Schweinerei" und "Verrat"

Die Einbringung des ÖVP-FPÖ-Initiativantrages zur Arbeitszeitflexibilisierung inklusive Ermöglichung des Zwölf-Stunden-Tages und der 60-Stunden Woche hat am Abend zu heftigen Debatten im Parlament geführt. SP-Abgeordneter Josef Muchitsch sprach wörtlich von einer "Schweinerei" und einem "Verrat" an den Arbeitnehmern.

Zuvor war seitens SP-Klubobmann Andreas Schieder während der Debatte zu Sozial-, Gesundheits- und Arbeitsvorhaben der EU eine Stehpräsidiale beantragt worden, da er die Zuweisung des Initiativantrages an den Wirtschaftsausschuss für "falsch" erachtete, zuständig sei vielmehr der Sozialausschuss. Die Fraktionen konnten danach in der Präsidiale keinen Konsens erzielen, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) entschied daraufhin, dass die Zuweisung an den Wirtschaftsausschuss aufrecht bleibt.

»Austrofaschistische Anwandlungen des Präsidenten«

Diese Entscheidung ließ bei der SPÖ die Wogen hochgehen. Abgeordneter Hannes Jarolim sprach via Zwischenruf von "austrofaschistischen Anwandlungen des Präsidenten", was er auf Nachfrage der zweiten Nationalratspräsidenten Doris Bures (SPÖ) sogar noch extra wiederholte. Dafür erteilte ihm diese einen Ordnungsruf. Später bekam Jarolim dann einen weiteren - "für ihr ständiges Zwischenrufen, wegen permanenter Störungen, die sie hier machen", wie die Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) begründete.

Einen emotionalen Auftritt legte SPÖ-Sozialsprecher Muchitsch hin: Er kritisierte unter anderem, dass der Entwurf es ermögliche, dass Arbeitszeiten inklusive Wegzeiten bis zu 14 Stunden betragen dürfen. Auch sehe das Papier vor, dass künftig die neunte und zehnte Überstunde nicht mehr zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vereinbaren sind, sondern nur mehr die elfte und zwölfte.

"Das ist ein Verrat an 3,7 Millionen Beschäftigten in diesem Land", rief Muchitsch in Richtung FPÖ und ÖVP. Und wenn noch dazu "ein derartig wichtiges Gesetz" am zuständigen Ausschuss an den Wirtschaftsausschuss "vorbeigeschwindelt" werden solle - "mit kurzen Begutachtungsfristen", dann sei das "eine Schweinerei". Von Kitzmüller gefragt, ob er diesen Ausdruck zurücknehmen wolle oder sie ihm einen Ordnungsruf erteilen soll, sagte Muchitsch: "Ich bin seit 2006 in diesem Haus, ich habe keinen einzigen Ordnungsruf erhalten, nur diesen nehme ich sehr gerne an."

ÖVP weist Kritik des "linken Flügels" zurück

ÖVP-Klubobmann August Wöginger wies die Kritik daraufhin zurück: "Was da jetzt ausbricht auf dem linken Flügel, das habe ich die letzten 15 Jahre nicht erlebt. Der ÖGB-Kongress hat im Austria Center stattgefunden, das hat hier nichts verloren", verbat er sich gewerkschaftliche Töne. Den Vorwurf, das Gesetz nicht begutachten lassen zu wollen, wies er zurück. "Wir können uns auf eine zweieinhalbwöchige Ausschussbegutachtung einigen", bot er noch einmal an. Dadurch sei es jedenfalls möglich, die Materie "ordentlich zu begutachten" - und das Gesetz noch im Juli zu beschließen. "Es ist ein gutes Gesetz und es ist kein schlechtes Gesetz."

NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker hingegen verstand die "Hudlerei" von ÖVP und FPÖ nicht, auch wenn seine Fraktion grundsätzlich für eine Flexibilisierung eintrete. Eine derartig Materie solle man aber "normal als Regierungsvorlage" einbringen und eine sechswöchige Begutachtung ermöglichen. Er hätte sich erwartet, dass sich ÖVP und FPÖ "nicht zur billigen Durchwinkmaschinerie der Regierung machen".

FP-Klubchef Walter Rosenkranz wies letzteren Vorwurf entschieden zurück. Zur Begutachtungszeit meinte er - mit Blick auf den bis heute gelaufenen ÖGB-Kongress, wenn der Gewerkschaftbund "mit dem sich selbst Abfeiern aufhören würde", dann hätte die Opposition genug Zeit, das Gesetz zu begutachten. Schieder hingegen ortete in der kurzen Ausschuss-Begutachtungszeit ein "schlechtes Gewissen" der Regierungsfraktionen: "Weil man weiß, diese Vorlage muss man schnell durchs Haus bringen, weil sich sonst herausstellt, was darin versteckt ist und welche negativen Auswirkungen das haben kann."

Einen Angriff auf Sobotka wegen dessen Entscheidung auf Zuweisung an den Wirtschaftsausschuss ritt Liste Pilz-Klubchef Bruno Rossmann: "Der Präsident hat sich nämlich entschieden - ich sage auf Wunsch der Regierung - den Wünschen der Regierung entgegen zu kommen und hat eine seriöse parlamentarische Behandlung blockiert."

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