Gesundheitswesen
in Österreich krankt

Das Wiener AKH drosselt seine Ambulanzversorgung. Peter Husslein, Leiter der Klinik für Frauenheilkunde, kündigte Donnerstagabend in der "Zeit im Bild 2" an, nur noch Notfälle behandeln zu wollen.

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Alle anderen Patienten seien im niedergelassenen Bereich besser aufgehoben. Wiens Patientenanwältin kommt im ORF-Radio zu einer ähnliche Diagnose, sieht aber allein in der Abweisung von Patienten keine Lösung.

Überfüllung und stundenlange Wartezeiten

Wiens Spitalsambulanzen machen immer wieder wegen Überfüllung und stundenlanger Wartezeiten von sich reden. Die Ursache laut Husslein: "Patienten werden aus dem niedergelassenen Bereich, wo sie eigentlich gut betreut werden könnten, in den Spitalsbereich gedrängt, wo sie in Wirklichkeit teuer sind und ineffizient versorgt werden."

Man schicke jetzt seitens des AKH nun die Menschen wieder dorthin, wo sie eigentlich besser aufgehoben wären. Seine alleinige Idee sei das aber nicht gewesen. "Das Managementboard des AKH hat uns und alle anderen Universitätskliniken aufgefordert, die Anzahl der ambulanten Kontakte im AKH zu reduzieren", sagte der Primar im "ZiB 2"-Interview. Folglich würden in seiner Klinik nur noch Notfälle behandelt.

Husslein schlägt Finanzierung aus einer Hand vor

Die Ambulanzen seien auch deshalb so überlaufen, weil in den niedergelassenen Bereich - Stichwort Öffnungszeiten in der Nacht oder am Wochenende - zu wenig investiert werde, so der Mediziner. Das liegt laut Husslein auch am derzeitigen Finanzierungssystem: "Wenn ich sieben verschiedene Kostenträger habe, die alle die Kosten dem anderen zuspielen wollen, dann geht das nicht. Also eine der Möglichkeiten, das Problem zu lösen, ist: Finanzierung aus einer Hand. Ein anderer Lösungsansatz ist: Leitlinien, damit man sinnvolle von weniger sinnvollen medizinischen Maßnahmen trennen kann."

Der niedergelassene Bereich würde laut dem Klinikchef sogar gerne die Ambulanzen entlasten. Aber dafür müsse es eben auch Geld geben.

Ansturm in Spitalsambulanzen inzwischen "unbewältigbar"

Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz teilt die Diagnose Hussleins, dass der Ansturm in den Spitalsambulanzen für das Personal inzwischen "unbewältigbar" sei. Allein Patienten abzuweisen, sei aber keine Antwort auf das Problem, meinte Pilz im Ö1-"Mittagsjournal". Sie fordert einen Ausbau der Primärversorgung mit längeren Öffnungszeiten oder Spitälern vorgelagerte Facharztzentren. Denn 90 Prozent der Gesundheitsprobleme im Bereich der Allgemeinmedizin seien in der Primärversorgung gut behandelbar, so Pilz.

Auch Pilz sieht dringenden Handlungsbedarf in der Finanzierungsfrage: "Denn so, wie es jetzt läuft, hat jede Institution das Interesse, teure oder schwierige oder aufwendige Behandlungen dem anderen Träger in die Verantwortung zuschieben."

Auch Notfallmedizin und Augenheilkunde betroffen

Die Drosselung der Ambulanzversorgung betrifft neben der Klinik für Frauenheilkunde auch die Klinik für Notfallmedizin sowie jene für Augenheilkunde und Optometrie. Das teilte das Wiener AKH am Freitag mit. Das Spital verwies auf den Zielsteuerungsvertrag aus dem Jahr 2016, in dem dieses Vorgehen vereinbart worden sei.

In dem Vertrag, der von Vertretern des Bundes und der Stadt unterzeichnet wurde, sei festgehalten worden, dass bis zum Jahr 2024 der Versorgungsanteil des AKH Wien am Gesamtanteil der Versorgung der Spitäler des Krankenanstaltenverbunds für den ambulanten Bereich bedarfsgerecht abgesenkt wird, hieß es in der schriftlichen Stellungnahme. In einzelnen Fächern würden Patienten, die "die Hochspezialisierung einer Universitätsklinik" nicht benötigen, an niedergelassene Fachärzte verwiesen. Zur Entlastung der Ambulanzen wurde im November 2016 die Allgemeinmedizinische Akutordination (AMA) eröffnet, die vom Ärztefunkdienst mit niedergelassenen Allgemeinmedizinern betrieben wird.

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