Österreichs Außenpolitik:
Allein gegen die Anderen?

Einmal mehr stellt sich Österreich diplomatisch gegen den europäischen Mainstream

Mit der Teilnahme an einer Feier zur Eröffnung der umstrittenen US-Botschaft in Jerusalem hat Österreich einen diplomatischen Eklat ausgelöst. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit stellt sich die neue Regierung damit gegen die meisten anderen EU-Staaten. In welche Richtung bewegt sich Außenpolitik des Landes unter Türkis-Blau?

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Diplomatie - Österreichs Außenpolitik:
Allein gegen die Anderen?

Als erster Staat der Welt verlegten die USA diese Woche ihre Botschaft in Israel nach Jerusalem – und erkennen die Stadt damit als Israels Hauptstadt an. Die Entscheidung, ein Wahlversprechen Donald Trumps, wurde international breit verurteilt, da der Status Jerusalems eine der umstrittensten und ungeklärten Fragen des Nahostkonflikts ist. Denn auch die Palästinenser erheben Anspruch auf die Stadt. Noch am Tag der Eröffnung kam es, wie befürchtet, zu Unruhen mit dutzenden Toten. Insofern überraschte es viele, dass an einer Feier am Vorabend der Eröffnung auch Österreichs Botschafter teilnahm – trotz einer Bitte der EU, dies nicht zu tun.

Wunsch der EU wurde ignoriert

In Reaktion darauf hat Palästina am Mittwoch seinen Botschafter aus Österreich zurückberufen – ebenso wie die Vertreter in Tschechien, Ungarn und Rumänien. Alle anderen EU-Staaten waren den Feierlichkeiten ferngeblieben. Außenministerin Karin Kneissl erklärte am Montag in der "ZIB 2", in die Entscheidung über die Teilnahme eingebunden gewesen zu sein und sie sogar empfohlen zu haben. Man habe den Wunsch der EU-Kommission zwar gekannt, sich aber anders entschieden. Eine bewusste Provokation? Kneissl bestreitet das. Es ändere sich auch nichts an Österreichs Positionen zum Nahostkonflikt, und die Botschaft bleibe in Tel Aviv. Doch es ist das zweite Mal innerhalb relativ kurzer Zeit, dass die Regierung auf dem internationalen Parkett nicht mit anderen europäischen Staaten mitzieht.

Nach der "Gift-Affäre" um einen mutmaßlichen Mordanschlag Russlands auf einen ehemaligen Doppelagenten in Großbritannien protestierten Mitte März 16 EU-Staaten und weitere westliche Länder, indem sie russische Diplomaten auswiesen. Auf diese Weise wollte man sich mit den Briten solidarisch zeigen. Österreich beteiligte sich auch damals daran nicht, was in anderen europäischen Hauptstädten für Kopfschütteln sorgte. Damals erklärte die Regierung, Russlands Involvierung sei noch nicht bewiesen, und Österreich wolle auch weiterhin als "Brückenbauer" zwischen Moskau und dem Westen dienen. Welche außenpolitische Strategie verfolgt die Regierung mit diesen Aktionen? Und entfernt sich das Land so vom Rest Europas?

»Neue Regierung hat bedauerlicherweise ein deutlich geringeres Interesse an einer kohärenten Position der EU«

In der Welt der Diplomatie sind symbolische Akte wie diese – die Teilnahme offizieller Vertreter an Empfängen, das Abberufen oder Ausweisen von Diplomaten – von größter Bedeutung. Die EU hat schon seit ihren Anfängen damit zu kämpfen, außenpolitisch meist nicht mit einer Stimme zu sprechen, sondern als nicht immer harmonischer Chor von mittlerweile 28 Nationalstaaten. Das mindert Europas Einfluss in der Weltpolitik. Mit dem Vertrag von Lissabon sollte die Außenpolitik durch die Schaffung einer Außenbeauftragten ein Stück vereinheitlicht werden, doch wirklich gelungen ist das nicht. Auch im Fall Jerusalem gab es eine Empfehlung der Außenbeauftragten – die Österreich ignorierte.

Frühere Regierungen hätten sich anders verhalten

Die neue türkis-blaue Regierung habe "bedauerlicherweise ein deutlich geringeres Interesse an einer kohärenten Position der EU", sagt der Außenpolitik-Experte und ehemalige österreichische Spitzendiplomat Stefan Lehne. Er glaubt, dass sich frühere österreichische Regierungen "sowohl in der Skripal-Affäre als auch bei der Verlegung der US-Botschaft am europäischen "Mainstream" orientiert" hätten. Grundsätzlich gebe es aber bei den Zielsetzungen der Außenpolitik "keine radikale Änderung". Grund für die Teilnahme in Jerusalem sei möglicherweise das "dringende Interesse der FPÖ" an einer Aussöhnung mit Israel gewesen. Israels Regierung hält ja nach wie vor an einem Kontaktverbot mit FPÖ-Politikern fest.

Eine "Isolation" Österreichs innerhalb der EU drohe aber nicht, sagt Lehne. Zwar werde das österreichische Vorgehen in anderen europäischen Hauptstädten "registriert" und von Befürwortern einer geschlosseneren EU bedauert. Doch sei Österreich nicht das einzige Land, dass in letzter Zeit mit derartigen "Alleingängen" auffalle. Auch Rumänien denke offenbar an eine Verlegung seiner Botschaft nach Jerusalem, Griechenland habe Menschenrechtsdeklarationen mit Kritik an China und Ägypten blockiert, und Zypern falle regelmäßig durch seine ausgeprägt pro-russische Haltung auf. Als Vorsitzland im zweiten Halbjahr 2018 werde sich Österreich bemühen müssen, die Ost-West-Spaltung der EU gerade bei der EU-Finanzierung zu überwinden.