"Wer ist morgen dran?"
Filmschaffende gegen Verhetzung

Filmschaffende in Österreich haben sich gegen Verhetzung und für Solidarität ausgesprochen. Der Brief im vollen Wortlaut.

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Österreichischer Filmpreis - "Wer ist morgen dran?"
Filmschaffende gegen Verhetzung

Heimische Filmschaffende haben am Mittwoch einen Appell gegen "jegliche Hetze" und für ein "Mehr an Solidarität" veröffentlicht. FPÖ und Boulevardmedien würden das "Gift der Spaltung" verbreiten, hieß es in dem von zahlreichen prominenten Regisseuren und Schauspielern mitunterzeichneten Schreiben. "Leisten wir Widerstand", so der mit dem Hashtag "#klappeauf" versehene Aufruf.

Gestartet wurde er anlässlich der Verleihung des Österreichischen Filmpreises, denn man mache sich "große Sorge über den Zustand unseres Landes", der "gemeinsames Handeln" erfordere. "Seit vielen Jahren wird von Seiten der FPÖ, aber mittlerweile auch von Politikerinnen und Politikern anderer Parteien, unter Mitwirkung der Boulevardmedien Gift in unsere Gesellschaft gespritzt", so die Diagnose. "Intoleranz jeder Art" werde so sprachlich "gesellschaftsfähig", der "Nährboden für Gewalt" bereitet. Der "Koalitionspartner ÖVP toleriert diese Sprache und nutzt sie für seine politischen Zwecke", wird kritisiert. Die "rote Linie" diskriminierender Angriffe werde jeden Tag überschritten.

Die Filmschaffenden, darunter etwa mit Barbara Albert und Adrian Goiginger zwei der Favoriten für die heute zu verleihenden Auszeichnungen und mit Hilde Dalik eine der Moderatorinnen des Abends, haben bisher nur "Lippenbekenntnisse" aus der Regierungsecke gehört. Von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und allen ÖVP-Regierungsmitgliedern wird gefordert, "die Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern deutschnationaler Burschenschaften und anderer rechtsextremer Organisationen sofort zu beenden".

Der Brief in voller Länge

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebes Kinopublikum, liebe Filmfans, „ #KLAPPE AUF“:

Wir, eine Gruppe von Filmschaffenden wollen heute unsere große Sorge über den Zustand unseres Landes zum Ausdruck bringen und zu einem gemeinsamen Handeln aufrufen.

„Worte können sein, wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“

Diese hellsichtige Warnung Viktor Klemperers ist heute aktueller denn je.

Seit vielen Jahren wird von Seiten der FPÖ, aber mittlerweile auch von Politikerinnen und Politikern anderer Parteien, unter Mitwirkung der Boulevardmedien Gift in unsere Gesellschaft gespritzt. Durch das Internet und die Kanäle der sozialen Medien verbreitet es sich rasend schnell. Es ist das Gift der Angst, des Neides und des Hasses. Das Gift des Vorurteils und der Verleumdung. Das Gift der Spaltung und Aufteilung der Gesellschaft nach einem Freund-Feind-Schema, in „Wir“, die Guten, und die „Anderen“, die Bösen, in „Wir“, die Opfer, und „die Anderen“, die Schuldigen.

Dies tun sie in einer Sprache, die nicht davor zurückschreckt, Intoleranz jeder Art gesellschaftsfähig zu machen und damit den Nährboden für Gewalt zu bereiten.

Koalitionspartner ÖVP toleriert diese Sprache und nutzt sie für seine politischen Zwecke.

Es genügt nicht, Antisemitismus und Rassismus als rote Linie zu definieren, wie das der Kanzler und der Vizekanzler kürzlich getan haben. Hier werden Lippenbekenntnisse als Feigenblatt missbraucht, um dann aus gleichsam moralisch geschützter Position verschiedene Menschengruppen gegeneinander auszuspielen und daraus politisches Kapital zu schlagen.

Dass die Zusammenarbeit mit Mitgliedern von rechtsextremen Burschenschaften beendet werden muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Leider nicht in Österreich.

Darum fordern wir den Bundeskanzler und alle ÖVP-Regierungsmitglieder auf, die die Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern deutschnationaler Burschenschaften und anderer rechtsextremer Organisationen sofort zu beenden!

Die rote Linie muss aber noch weiter gezogen werden. Unsere Gesellschaft muss alle Menschen schützen, die wegen ihrer Religion, Herkunft, sexuellen Orientierung, wegen ihres Geschlechts oder ihrer sozialen Stellung angegriffen werden. Und all jene in die Schranken weisen, die sie angreifen.

Diese rote Linie wird täglich überschritten.

Die Politik und die Boulevardmedien tragen dafür entscheidende Verantwortung.

Schluss mit dem Doppelspiel! Schluss mit dem perfiden Image Washing!

Wir fordern ein generelles Ende jeglicher Hetze.

Und wir fordern ein Mehr an Solidarität.

Waren gestern Asylsuchende und Geflüchtete das Feindbild, so sind es heute auch die Arbeitslosen und MindestsicherungsbezieherInnen. Sprach man gestern von „Wirtschaftsflüchtlingen“ und „gewalttätigen Ausländern“, spricht man heute auch von „Sozialschmarotzern“ und „Durchschummlern“.

Und morgen? Wer ist morgen dran?

Wem nützt diese Entsolidarisierung?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Herz und Verstand sind unsere Antriebskräfte. Empathie und Analyse.

Darum gehen Menschen seit über 100 Jahren ins Kino.

Um zu fühlen. Um zu verstehen.

Und wir Filmschaffenden und unser Publikum lassen uns das nicht nehmen.

Leisten wir Widerstand!

Lasst uns aufstehen!

Unterzeichnet von:

Barbara Albert, Veronika Albert, Robert Angst, Maria Arlamovsky, Monja Art, Georg Aschauer, Christa Auderlitzky, Ruth Beckermann, Judith Benedikt, Christian Berger, Joe Berger, Karin Berger, Karin C. Berger, Karin Berghammer, Stefano Bernadin, Caroline Bobek, Sandra Bohle, David Bohun, Stefan Bohun, Nathalie Borgers, Marianne Andrea Borowiec, Wilbirg Brainin-Donnenberg, Sebastian Brameshuber, Enzo Brandner, Bernhard Braunstein, Jakob Brossmann, Sepp Brudermann, Christoph Brunner, Robert Buchschwenter, Brigitta Burger-Utzer, Michael Cencig, Patric Chiha, Angela Christlieb, Katharina Copony, Ingrid Burkhard, Tizza Covi, Caterina Czepek, Hilde Dalik, Katrina Daschner, Sabine Derflinger, Gustav Deutsch, Christine Dollhofer, Julia Drack, Gerti Drassl, Peter Drössler, Barbara Eppensteiner, Gerhard Ertl, Jakob Moritz Erwa, Valie Export, Severin Fiala, Pierre Emmanuel Finzi, Lixi Frank, Veronika Franz, Harald Friedl, Marie Christine Friedrich, Georg Friedrich, Rainer Frimmel, Siegfried A. Fruhauf, Thomas Fürhapter, Ulrich Gehmacher, Nikolaus Geyrhalter, Johannes Gierlinger, Adrian Goiginger, Ernst Gossner, Djamila Grandits, Michaela Grill, Sabine Gruber, Elisabeth Guggenberger, Händl Klaus, Senad Halilbasic, Johannes Hammel, Karin Hammer, Markus Harthum, Dominik Hartl, Simon Hatzl, Eva Hausberger, Jessica Hausner, Igor G. Hauzenberger, Astrid Heubrandtner, Sabine Hiebler, Maddalena Hirschal, Valentin Hitz, Philipp Hochmair, Eva Hödlmoser, Sebastian Höglinger, Daniel Hoesl, Maria Hofstädter, Sabine Hofmann, Johannes Holzhausen, Edgar Honetschläger, Alexander Horwath, Klemens Hufnagl, Harald Hund, Ina Ivanceanu, Peter Jaitz, Reinhard Jud, Ruth Kaaserer, Björn Kämmerer, Matthias Kassmannhuber, Klaus Kellermann, Krisztina Kerekes, Gerald Kerkletz, Thomas Kiennast, Doris Kittler, Michael Kitzberger, Hans König, Leena Koppe, Gabriele Kranzelbinder, Ines Kratzmüller, Elsa Kremser, Marie Kreutzer, Johannes Krisch, Nina Kusturica, Peter Kutin, Jonida Laci, Helene Lang, Hanne Lassl, Anne Laurent, Tina Leisch, Michael Loebenstein, Ivette Löcker, Enid Löser, Vinzent Lucassen, Johann Lurf, Christine A. Maier, Alenka Maly, Erni Mangold, Flavio Marchetti, Karl Markovics, Jürgen Maurer, Sebastian Meise, Lukas Miko, Bady Minck, Alexander Mitterer, Johanna Moder, Catalina Molina, Sudabeh Mortezai, Petra Morzé, Friedrich Moser, Sabine Moser, Niki Mossböck, Andrina Mracnikar, Katharina Mückstein, Thomas Münster, Julia Niemann, Olga Neuwirth, Nicholas Ofczarek, Elsa Okazaki, Bianca Okresek, Thomas Oláh, Ferry Öllinger, Johanna Orsini-Rosenberg, Michael Ostrowsky, Valerie Pachner, Robert Palfrader, Michael Palm, Andreas Patton, Bruno Pellandini, Silvia Pernegger, Levin Peter, Aleksandar Petrović, Caspar Pfaundler, Barbara Pichler, Dieter Pichler, Michael Pink, Sasha Pirker, Leo Plankensteiner, Paul Poet, Andrea Pollach, Katharina Posch, Daniela Praher, Daniel Prochaska, Martin Putz, Faris Rahoma, Thomas Reider, Martin Reinhart, Sabrina Reiter, Kathrin Resetarits, Karina M. Ressler, Arman T. Riahi, Arash T. Riahi, Maresi Riegner, Michael Rittmannsberger, Paul-Julien Robert, Anabel Rodriguez, Peter Roehsler, Johannes Rosenberger, Viktoria Salcher, Anja Salomonowitz, Hubert Sauper, David Schalko, Peter Schernhuber, Michael Schindegger, Markus Schleinzer, Johannes Schmelzer-Ziringer, Alexandra Schmidt, Fridolin Schönwiese, Lotte Schreiber, Sandra Schuppach, Angelika Schuster, Natalie Schwager, Dietmar Schwärzler, Joana Scrinzi, Tristan Sindelgruber, Ebba Sinzinger, Martina Spitzer, Eva Spreitzhofer, Paul Sprinz, Hannes Starz, Sigmund Steiner, Michael Stejskal, Lukas Stepanik, Clara Stern, Sophie Stockinger, Ursula Strauss, Michael Sturminger, Rosa von Suess, Elena Tikhonova, Georg Tiller, Axel Traun, Ronny Trocker, Peter Tscherkassky, Dominik Tschütscher, Mirjam Unger, Lukas Valenta Rinner, Christin Veith, Borjana Ventzislavova, Helmut Voitl, Elisabeth Wabitsch, Magdalena Wabitsch, Erwin Wagenhofer, Markus Wailand, Karin Watabe-Wolfger, Katharina Weingartner, Wolfgang Widerhofer, Virgil Widrich, Ralph Wieser, Judith Wieser-Huber, Monika Willi, Andi Winter, Katharina Wöppermann, Claudia Wohlgenannt, Ursula Wolschlager, Thomas Woschitz, Rainer Wöss, Constantin Wulff, Ludwig Wüst, Antoinette Zwirchmeier

Kommentare

leider sieht man an diesem hetzerischen, unwürdigen geschreibsel, dass viele die REALITÄT gar nicht mehr kennen und in ihrem traumgebilde vor sich hin leben. ein trauerspiel. wahrlich ein trauerspiel!!! DAS sind die zeilen, die spalten, nicht die FPÖ !!

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