ÖOC-Olympia-Arzt warnt vor Gen-Doping:
Vorstellungen wie in einem Horrorkabinett

"Haben keine Steuerungsmechanismen in der Hand" Versuche an Tieren zeigen erschreckende Folgen

Die Doping-Jäger forschen seit langem, um den Nachweis von Wachstumshormonen oder diverser Epo-Varianten zu ermöglichen. Doch als "Schreckgespenst" droht schon eine neue Form der Leistungsmanipulation im Sport: Das Gen-Doping. Alfred Engel, Olympia-Arzt des ÖOC bei Sommerspielen, warnte im Forschungszentrum Seibersdorf vor den Gefahren. "Die Gen-Manipulation ist ein großes Problem. Wir können die Bombe zünden, aber wir haben keine Steuerungsmechanismen in der Hand."

Dr. Engel, der Vorstand der Abteilung für Orthopädie im Wiener SMZ-Ost, gab bei einer Veranstaltung des Panathlon Clubs Wien in den Räumen des Anti-Doping-Labors einen Einblick in die Problematik. In der Medizin ist die Forschung weit fortgeschritten (etwa in der Rheumatherapie). "In den nächsten Jahren wird eine Fülle von Medikamenten auf uns zukommen, die in diesem Bereich wirksam werden", erklärte der Mediziner.

Als mögliche Ansatzpunkte im Sport sieht Engel das Muskelwachstum und die Ausdauerleistung. Mögliche Folgen, die in Tierversuchen erkannt und in der Rinderzucht schon angewendet wurden, sind erschreckend. So habe die Muskelmasse einer Maus innerhalb eines Monats von 15 auf 27 Prozent zugenommen. Nicht durch Training, sondern durch Ausschalten des Proteins Myostatin, das im Körper für die Beschränkung des Muskelwachstums sorgt. Dies würde bei bestimmten Krankheiten durch Verzögerung des Muskelabbaus verlängerte Lebenserwartung bedeuten, könnte bei Missbrauch aber ins Gegenteil umschlagen.

"Wenn man in die Kiste des Gen-Dopings greift, ist das eine Geschichte, bei der man den Ausgang nicht kennt. Das sind Vorstellungen, die ins Horrorkabinett hineinreichen", warnte der Olympia-Arzt. Auf einen Zeitpunkt, wann es den ersten gen-manipulierten Olympiasieger geben könnte, wollte sich Dr. Engel nicht festlegen. Da seien die Entwicklungen nicht abschätzbar.

Günter Gmeiner, der Leiter des von der Welt-Anti-Doping-Agentur akkreditierten Labors in Seibersdorf, berichtete von einem Tierversuch mit einem Affen, bei dem ein EPO-produzierendes Gen eingeschleust wurde. EPO fördert die Bildung der im Ausdauerbereich so wichtigen roten Blutkörperchen. Dabei sei der Hämatokritwert immer mehr angestiegen, das Blut immer mehr verdickt. "Wie schalte ich das wieder ab, wie werde ich das wieder los, wenn es einmal läuft?", sprach Gmeiner das große Problem der Gen-Manipulation an.

Das Einschleusen der manipulierten Gene in die Körperzellen könnte auf zwei Arten funktionieren: Durch "Andocken" an Viren, die in die Zellen eindringen oder mittels Stromstoß durch die Zellmembran, nachdem zuvor die Zellwand abgebaut wurde.

Eine Nachweismethode für Gen-Doping gibt es laut dem Chemiker Gmeiner derzeit nicht. Doch einige Dinge stimmen optimistisch. So konnte bei dem Test mit dem Affen das nicht wie normal in der Niere, sondern im Muskel gebildete EPO im Test nachgewiesen werden. Ein möglicher Weg zum Nachweis führe laut Engel grundsätzlich über jene Substanzen, mit deren Hilfe Gene transportiert werden, ein anderer Ansatzpunkt sei die Festsetzung von Grenzwerten auch für körpereigene Hormone.