Germania würde
"Auflösung hinnehmen"

Die umstrittene Burschenschaft Germania soll aufgelöst werden. Die Regierung plant dementsprechende Schritte.

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NS-Liederbuch - Germania würde
"Auflösung hinnehmen"

Nach der NS-Liederbuch-Affäre leitet die Regierung nun ein Auflösungsverfahren zu Germania ein. Zuvor leitete die Staatsanwaltschaft gegen vier Personen der Burschenschaft Germania in Ermittlungsverfahren nach dem NS-Verbotsgesetz ein.

Mit Kickl vereinbart

Die zuletzt mit einem NS-verherrlichenden Liederbuch in die Schlagzeilen geratene Wiener Neustädter Burschenschaft Germania soll aufgelöst werden: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vereinbart, dass ein Auflösungsverfahren gegen die Germania eingeleitet wird, sagte Kurz am Mittwoch vor dem Ministerrat vor Journalisten.

Kurz sprach sich nunmehr - neben strafrechtlichen - auch explizit für politische Konsequenzen aus, war doch der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer Vizevorsitzender der betroffenen Burschenschaft: Die Aussage der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), wonach es keine Zusammenarbeit mit Landbauer in der Landesregierung geben werde, teile er "zu hundert Prozent", betonte Kurz.

Die Entscheidung, ob Landbauer aus der Partei ausgeschlossen werden bzw. sich überhaupt aus der Politik zurückziehen soll, ist für Kurz eine Sache der niederösterreichischen FPÖ, wie er auf Nachfrage erklärte. "Sie können sich vorstellen, dass ich für mich in der ÖVP weiß, wie ich die Entscheidung treffen würde."

Strache will Landbauer nicht ausschließen

Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht derzeit keinen Grund, Udo Landbauer aus der Partei auszuschließen.

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Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte sich in dieser Causa bereits vor Tagen für volle und rasche Aufklärung ausgesprochen - und gemeint, die Verantwortlichen müssten "die volle Härte des Gesetzes spüren". Das reichte nicht allen, so mahnte etwa Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Wochenende, dass die rote Linie schon vor der strafrechtlichen Verurteilung liege. Kurz ging nunmehr vor der Regierungssitzung erstmals ausführlich auf die Causa ein: Allein in der letzten Woche habe es mehrere Fälle von massivem Antisemitismus gegeben - dies sei nicht nur "widerwärtig", man dürfe hier auch "nicht zusehen oder wegsehen". Er sei "mehr als schockiert".

Jeder, der sich etwas zuschulden kommen habe lassen, müsse mit Konsequenzen rechnen, betonte Kurz - strafrechtlich, und, wenn es sich um Politiker handle, auch politisch. "Die muss es auch geben", sagte Kurz. Er verwies darauf, dass die SPÖ einen betroffenen Funktionär ausgeschlossen habe und erinnerte auch an die Aussage der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), wonach man mit Landbauer in der Landesregierung nicht zusammenarbeiten werde, was er "zu hundert Prozent" teile.

Aufarbeitung der Geschichte

Neben individuellen Konsequenzen seien auch die politischen Parteien gefordert, findet Kurz. SPÖ und ÖVP hätten ihre Geschichte schon aufgearbeitet, "andere Parteien haben das noch nicht gemacht", meinte Kurz mit Blick auf die FPÖ. Er begrüße daher, dass Strache eine entsprechende Historiker-Kommission angekündigt habe.

Zudem habe aber auch die Regierung eine Verantwortung, "alle Möglichkeiten auszuschöpfen", meinte der Kanzler. Man werde etwa in Sachen Prävention weiterhin einen Kampf gegen Antisemitismus führen. Zudem werde das Innenministerium ein Auflösungsverfahren gegen die Wiener Neustädter Burschenschaft Germania einleiten. Konkret wird eine mögliche behördliche Auflösung laut Paragraf 29 des Vereinsgesetzes geprüft.

Was einen Rückzug Landbauers aus der Politik betrifft, verwies Kurz darauf, dass er im Antisemitismus-Skandal der AG klare Konsequenzen gezogen und die Beteiligten ausgeschlossen habe. Die Entscheidung zu Landbauer sei aber weder seine noch eine der Bundesregierung, sondern eine der niederösterreichischen FPÖ.

Kurz erklärte auch auf die Frage, ob Landbauer im Landtag als Klubobmann der FPÖ akzeptabel wäre, dass er dazu eine klare Meinung habe. Diese Entscheidung habe jedoch nicht er als Regierungschef zu treffen, wiederholte er.

Germania-Auflösung nur bei Strafrechts-Aktivitäten

Die Wiener Neustädter Burschenschaft Germania wird behördlich aufgelöst, wenn strafrechtswidrige Aktivitäten festgestellt werden, wie Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am Mittwoch im Pressefoyer nach dem Ministerrat erläuterte. Eine Notwendigkeit für die Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichts sieht Kickl nicht.

Der Generalsekretär im Innenministerium habe heute mit dem niederösterreichischen Landespolizeidirektor Kontakt aufgenommen, um bei der Vereinsbehörde ein Auflösungsverfahren gegen die Burschenschaft einzuleiten, erklärte Kickl. Es bestehe - wegen des aufgetauchten Liederbuchs - der Verdacht auf strafbare Handlungen nach dem NS-Verbotsgesetz. Werden strafrechtliche Aktivitäten festgestellt, stehe am Ende des Verfahrens auch die Auflösung des Vereins.

Rechtsextremismusbericht

Es sei davon auszugehen, dass Erkenntnisse aus den laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien gegen vier Personen auch in dieses Verwaltungsverfahren einfließen, sagte Kickl auf Nachfrage. Ob man konkret ein Gerichtsurteil abwarten muss, konnte der Minister nicht sagen. Nicht einschätzen wollte Kickl, bis wann das Verfahren beendet sein wird. Auch eine Einschätzung, ob es letztlich zur Auflösung der Burschenschaft kommen wird, wollte er nicht abgeben.

Der Forderung der SPÖ, den Rechtsextremismusbericht wieder einzuführen, möchte Kickl nicht nachkommen. Einen solchen hat es bis zum Jahr 2002 gegeben, seit der Abschaffung durch Schwarz-Blau sind die Entwicklungen über die rechtsextreme Szene im Verfassungsschutz-Bericht enthalten. Darauf verwies auch der Innenminister: Ziel sei es, Extremismus "in allen Formen" zu bekämpfen - ob rechts, links oder religiös motiviert -, und die Beobachtungen dazu seien eben in einem Bericht zusammengefasst. "Es wird nicht notwendig sein, jetzt einen eigenen Rechtsextremismusbericht zu verlegen."

Auf die Frage, ob jemand wie Udo Landbauer, der ja Vizevorsitzender der Germania war, für eine Landesregierung oder einen Landtag tragbar sei, ging Kickl nicht ein. Überall dort, wo der Verdacht auf strafbare Handlungen bestehe, seien selbstverständlich behördliche Schritte zu setzen, "das beschränkt sich nicht nur auf Burschenschaften", meinte Kickl. Die Frage von Schuld müsse man immer auch individuell klären, und die Klärung obliege der Staatsanwaltschaft.

Kann die Germania aufgelöst werden?

Die Zwangsauflösung von Vereinen ist möglich - unter anderem, wenn Vereine gegen Strafrecht verstoßen. Wie der auf Vereinsrecht spezialisierte Anwalt Thomas Höhne im Gespräch mit der APA sagt, muss die Behörde dafür zwar keine gerichtliche Verurteilung abwarten. Dass ein bereits verjährter Strafrechtsverstoß für die Auflösung ausreicht, bezweifelt Höhne aber.

Geregelt ist die behördliche Auflösung von Vereinen im Vereinsgesetz (§29). Demnach kann die zuständige Vereinsbehörde - im Fall der Wiener Neustädter "Germania" ist das die Landespolizeidirektion Niederösterreich - per Bescheid die Auflösung eines Vereines verfügen, "wenn er gegen Strafgesetze verstößt".

Höhne betont, dass für eine solche Zwangsauflösung keine gerichtliche Verurteilung von Vereinsmitgliedern nötig ist: "Die Behörde beurteilt das autonom." Die Schwierigkeit im aktuellen Fall wird aus Sicht des Anwalts aber sein, dem Verein nachzuweisen, dass hetzerische und NS-verherrlichende Lieder nicht nur im Liederbuch aus 1997 abgedruckt, sondern auch aktuell gesungen wurden. Denn die bloße Herausgabe des Buches vor 20 Jahren könne - wegen der mittlerweile eingetretenen Verjährung - wohl kein Grund für die Auflösung sein.

Höhne kann sich daher auch vorstellen, dass das Auflösungsverfahren nur eingeleitet wurde, um dann zum Ergebnis zu kommen, dass eine Auflösung nicht möglich ist. Dann könne man sagen: "Bitte sehr, das ist ein Alter Hut, wir haben unsere Pflicht getan und das war's."

Neugründung des Vereins wäre zulässig

Sollte die Burschenschaft dennoch aufgelöst werden, ist eine Berufung beim Landesverwaltungsgericht und in weiterer Folge bis hin zum Verfassungsgerichtshof und zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte möglich. Höhne verweist in dem Zusammenhang darauf, dass der Verfassungsgerichtshof 2010 die Auflösung eines der Neonazi-Gruppe "Blood and Honor" nahestehenden Vereins für rechtens erklärt hatte.

Auch eine Neugründung des Vereins wäre zulässig, wie Höhne betont. Allerdings müsste das Vermögen des aufgelösten Vereins vorher den Statuten entsprechend verwertet werden.

Grundsätzlich garantieren sowohl das Staatsgrundgesetz von 1867 als auch die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 11) die Vereinsfreiheit, also das Recht, Vereine zu gründen und Gewerkschaften beizutreten. Einschränkungen sind laut Menschenrechtskonvention nur zulässig, wenn sie "in einer demokratischen Gesellschaft" nötig sind, um Sicherheit und Verbrechensverhütung zu gewährleisten sowie "Gesundheit und Moral" sowie die Rechte und Freiheiten Anderer zu schützen.

Germania würde "Auflösung hinnehmen"

Die Burschenschaft Germania hat auf das von der Regierung angekündigte Auflösungsverfahren gegen sie zurückhaltend reagiert. In einer schriftlichen Stellungnahme verwies Vereinssprecher Philip Wenninger lediglich darauf, dass er "selbstverständlich das Vereinsgesetz, das auch die Auflösung genau regelt", kenne.

Im Gespräch mit der APA sagte er, dass die Germania eine Vereinsauflösung, wenn sie "rechtlich korrekt ist, hinnehmen würde". Die Frage, ob man gegen die Auflösung berufen würde, ließe er offen. Man beschäftigt sich jetzt nicht mit "was wäre, wenn"-Fragen, sondern warte das Verfahren ab. Laut Vereinsgesetz kann ein Verein behördlich zwangsaufgelöst werden, wenn er gegen Strafgesetze verstößt. Zuständig ist im Fall der Germania die Landespolizeidirektion Niederösterreich.

Die Germania hat im übrigen erst vor kurzem ihre Organe neu bestellt. Neuer Obmann ist Dieter Derntl, Wenninger bleibt Vizeobmann.

NEOS begrüßen Auflösungs-Prüfung

Die NEOS haben die Ankündigung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), eine behördliche Auflösung der Burschenschaft der Wiener Neustädter Burschenschaft Germania zu prüfen, begrüßt. "Wenn strafbare Handlungen, insbesondere nach dem NS-Verbotsgesetz, festgestellt werden, ist eine Auflösung der Burschenschaft unumgänglich", sagte Vize-Klubobmann Niki Scherak.

"Die widerwärtigen Schriften der Burschenschaft Germania widersprechen den Grundsätzen unserer liberalen Demokratie und zeugen von einer erschreckenden Geisteshaltung. Dafür darf es keinen Platz in Österreich geben." Gleichzeitig müsse geprüft werden, ob auch in anderen Burschenschaften strafbare Handlungen vorliegen, forderte Scherak. Die NEOS wollen auch die staatlichen Förderungen für den Pennälerring hinterfragen.

Der Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer sprach sich indes dafür aus, dem nationalsozialistischen Gedankengut durch Bildung, Aufklärung und Wissen entgegenzutreten.

Kommentare

Nicht nur die Germania, sondern dringend auch die Olympia auflösen! Auch dort wurden antisemitische, widerwärtige Lieder gesungen. Weg mit den braunen Pfützen!
Kurz und Strache lasst Euren verbalen Empörungen Taten folgen!!

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