Liste Jetzt: Dringliche
zu ÖVP-Datenklau

Die Liste Jetzt hat am Donnerstag eine Dringliche Anfrage zum angeblichen Hackerangriff auf die ÖVP-Zentrale an Justizminister Clemens Jabloner eingebracht. In den Unterlagen ist die Rede von einem "Datenabfluss aus der ÖVP-Parteizentrale", von dem die Liste nicht glaubt, dass es sich um einen Hackerangriff gehandelt hat. Justizminister Clemens Jabloner hat indes bekundet, dass die bisherigen Ermittlungen den Verdacht eines Hackerangriffs bestätigen würden.

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NR-Wahl - Liste Jetzt: Dringliche
zu ÖVP-Datenklau

False Flag-Angriff?

Bei aller Skepsis ist es für die Liste Jetzt unbestritten, "dass Daten aus der ÖVP unter Missbrauch von Zugangsdaten einer berechtigten Person verschlüsselt an einen Server in Frankreich abgeflossen sind". Die Liste von Peter Pilz sieht jedoch mehrere Erklärungen dafür: Entweder einen Cyberangriff von außen, einen Datenexport durch einen Maulwurf in der ÖVP oder einen False Flag-Angriff, also einen Angriff unter falscher Flagge, durch die ÖVP selbst.

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Laut Liste Jetzt sprechen jedoch mehrere Fakten gegen einen Hackerangriff. Sie vermutet eher, dass die ÖVP Medienberichte über die illegale Überschreitung der Wahlkampfkosten in einen Hackerangriff umgedeutet hat. Deshalb möchte sie den Unterlagen zufolge "möglichst viel Licht ins türkise Halbdunkel" bringen.

98 Fragen an den Justizminister

Insgesamt richtet die Liste Jetzt 98 Fragen an den Justizminister. 59 davon beschäftigen sich mit der Hacker-Affäre. Peter Pilz will unter anderem wissen, ob die ÖVP konkrete Beweise für einen solchen Angriff vorgelegt hat. Weiters fragt er den zuständigen Minister, ob Vertreter der Volkspartei "Beweise für die behauptete Verfälschung der Daten ihrer Buchhaltung bzw. für die "Einpflanzung" neuer Daten vorgelegt" haben.

Zudem möchte er Informationen zum Status der bisherigen Ermittlungen, heißt es in der Dringlichen Anfrage. Die Liste JETZT würde gern erfahren, gegen wie viele Personen derzeit in der Causa "Hackerangriff" ermittelt wird und ob auch gegen die ÖVP ermittelt wird - etwa wegen Vortäuschung einer strafbaren Handlung. Die Frage der Befangenheit der Ermittler beschäftigt Pilz weiterhin, auch diese gibt er in der Dringlichen weiter. Er befürchtet, dass die Ermittlungen durch ÖVP-nahe Personen nicht objektiv geführt werden.

Die Fragen 60 bis 78 der Dringlichen Anfrage betreffen die sogenannte E-Mail-Affäre, bei der angeblich belastende und laut ÖVP gefälschte E-Mails zur Ibiza-Affäre an die Öffentlichkeit gelangt waren. Pilz möchte unter anderem wissen, ob die Soko Ibiza auch mit den Ermittlungen in der E-Mail-Affäre betraut ist und wie es denn nun mit der Echtheit der E-Mails ausschaut.

Justizminister bestätigt Verdacht auf Hackerangriff

Justizminister Clemens Jabloner hat am Donnerstag bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage erklärt, dass die bisherigen Ermittlungen den Verdacht eines Hackerangriffs bestätigen würden. Ein Unbekannter soll sich in Wien Zugriff zu ÖVP-Daten verschafft, mindestens ein Passwort geändert und eine große Menge Daten abgesaugt haben, sagte er im Nationalrat.

Im Moment gebe es Ermittlungen gegen unbekannt wegen des Verdachts des widerrechtlichen Zugriffs auf ein Computersystem und der Datenbeschädigung zum Nachteil der ÖVP, so Jabloner. Zu Beginn seiner Antwort stellte der Vizekanzler klar, dass er "sehr gerne" zur Aufklärung beitragen möchte. Sein Informationsstand sei allerdings "naturgemäß lückenhaft", nicht er führe das Ermittlungsverfahren, sondern die Staatsanwaltschaft in Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei. Über Details zu den Ermittlungen könne er deshalb nur "beschränkt Auskunft geben".

Dennoch gebe es einige Fakten, sagte Jabloner. Am 2. September gelangten vermeintliche Buchhaltungsdokumente der ÖVP an die Öffentlichkeit, berichtete er. Am 5. September informierte die Volkspartei über den vermeintlichen Hacker-Angriff und erstattete noch am selben Tag Anzeige beim Innenministerium. Am 6. September sichtete die Staatsanwaltschaft Wien dann die ersten Dokumente. Seit 10. September gibt es laut Jabloner außerdem eine enge Kooperation mit Europol in dieser Causa.

Laut den Informationen des Justizministers verschaffte sich ein Unbekannter in Wien Zugang zu den Daten der ÖVP. Nach derzeitigem Erkenntnisstand führte der Verdächtige mindestens eine Passwortänderung durch. "So wurden Administratoren ausgesperrt", berichtete Jabloner. Zwischen 30. August und 1. September hätte es einen größeren Datentransfer gegeben. Ob geleakte Daten verfälscht wurden, sei Gegenstand von Ermittlungen. Mehr könne Jabloner noch nicht dazu sagen, es sei nicht seine "Aufgabe, Spekulationen anzustellen".


Ein Verdächtiger habe von außen auf mehrere Server der ÖVP zugegriffen, so Jabloner. Weil eine Spur zu einem Server in Frankreich führt, erging ein Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Wien an die französischen Behörden. Die Identifizierung der verdächtigen Person ist laut Jabloner "Gegenstand der laufenden Ermittlungen". Er versprach: "Die Strafverfolgungsbehörden arbeiten mit großem Nachdruck". Immerhin gehe es um "interessante politische Aspekte", vor allem im laufenden Wahlkampf.

Keine Anhaltspunkte zur Vortäuschung einer Straftat

Viele Fragen der Dringlichen Anfrage, die der eigentliche Anlass für die Sondersitzung des Nationalrats war, blieben am Donnerstag aber unbeantwortet. Zur Identität der Ermittler wollte Jabloner - anders als von Pilz verlangt - aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben. Bei der Prüfung allfälliger Befangenheiten der Ermittler verwies er auf das zuständige Innenministerium.
Was Jabloner allerdings sagen konnte: Bisher gebe es keine Anhaltspunkte zur Vortäuschung einer Straftat und daher auch keine Ermittlungen in diese Richtung. Seinen Informationen zufolge gibt es keine Verbindung zwischen der Hacker-Affäre und der sogenannten E-Mail-Affäre in der ÖVP, gab der Minister Auskunft. Bei der E-Mail-Affäre geht es um von der ÖVP selbst aufgestellte Behauptungen, dass E-Mails gefälscht wurden, wonach die Spitzen der Volkspartei schon frühzeitig von der Ibiza-Affäre informiert waren.

Pilz hatte in seiner Rede zur Dringlichen "rasche Aufklärung" der Affäre um den Datenklau aus der ÖVP-Parteizentrale gefordert. "Sie haben bis heute keine Beweise für einen Angriff durch einen Hacker", sagte Pilz. "Sie haben bis heute keine Beweise für einen Angriff von außen!" Außerdem bezeichnete er die ÖVP als "Fake-Meister-Partei der Republik Österreich". Seine Vermutung: Der Hackerangriff sei nur erfunden worden, um von einer Überschreitung der Wahlkampfkosten abzulenken. "Sollte es einen vorgetäuschten Angriff gegeben haben, dann ist das das Schlimmste, das in einem Wahlkampf passieren kann", sagte Pilz.
Weiters kritisierte Pilz, dass die ÖVP die echten Buchhaltungsunterlagen der Volkspartei nicht vorgelegt hat. Ob die vom "Falter" veröffentlichten Unterlagen echt sind, ist umstritten. "Diese Frage wird mit Sicherheit erst nach der Nationalratswahl geklärt", bemängelte Pilz.