So ticken
Österreichs Erstwähler

Die jungen Wähler des Wiener Goethe Gymnasiums suchen nach dem "geringsten Übel"

Unter den 6,4 Millionen Österreichern, die am 15. Oktober den Nationalrat wählen, befinden sich 63.000 junge Menschen, die dies zum ersten Mal tun (dürfen). Dieser Anteil ist jedoch so klein, dass es über das Wahlverhalten der Erstwähler nur wenige Untersuchungen gibt. News.at hat ein paar von ihnen in ihrer Schule besucht und sie einfach selbst gefragt – und stellte alles andere als Politikverdrossenheit fest.

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© Video: News.at

Rund 63.000 Wählerinnen und Wähler sind laut Statistik Austria bei der kommenden Nationalratswahl zum ersten Mal berechtigt, an einer bundesweiten Wahl teilzunehmen. Einschätzen lassen sich diese Erstwähler allerdings schwer, da noch keine große Erfahrung vorhanden ist, die abrufbar ist. Zudem würde ihre Entscheidung an der Urne oftmals nur von den aktuellen Trends beeinflusst, die den Wahlkampf davor prägten, erklärte der deutsche Politologe und Wahlforscher Thorsten Faas von der Uni Mainz.

Letztere These widerlegen die Schülerinnen und Schüler der Klasse 8B des Goethe Gymnasiums in Wien-Penzing klar. Die bestens informierten MaturantInnen sind sogar übermäßig an Themen abseits der Wahlkampf-Trends interessiert. Am Herzen liegt den jungen Menschen vor allem: Ihre Zukunftsaussichten inklusive Jobchancen, Bildung und Umweltschutz; Nicht unbedingt die „In-Themen“ dieses Wahlkampfes.

Geringe Wahlbeteiligung bisher

Mehr erforscht als die Entscheidungsgrundlagen der Jugendlichen ist jedoch deren Wahlbeteiligung und diese lag bei den letzten beiden Nationalratswahlen im bzw. vor vier Jahren sogar unter dem Durchschnitt. Nur 63 Prozent der 16- und 17-Jährigen gingen 2013 zur Wahl, während die generelle Wahlbeteiligung bei 80 Prozent lag, so eine Studie der Parlamentsdirektion.

»"Wir dürfen zwar mitbestimmen... aber wen?"«

Das Wählen? Ein "zweischneidiges Schwert"

Auch hier passen die Jungwähler der 8B nicht ganz ins Bild. Auf die Frage, ob sie am 15. Oktober wählen werden, nicken alle mit Nachdruck, auch wenn sie ihr neues Recht auf politische Mitbestimmung nicht mit uneingeschränkter Freude annehmen: „Ein zweischneidiges Schwert“, so ein Schüler, denn: „Ja, wir dürfen zwar jetzt mitbestimmten, aber wen?“ fragt er sich. Zudem mache sich doch Enttäuschung im Falle einer Niederlage des gewählten Kandidaten breit.

Die Lücke zwischen der Studie der Parlamentsdirektion und der Realität der Schüler der 8B klafft weiter auseinander beim Thema des generellen Politik-Interesses: Laut Studie herrscht unter Erstwählern ein geringes Interesse. Nicht einmal jeder siebte gab an, sich gut mit Politik auszukennen. Bei ganzen 41 Prozent ist Politik auch im Freundeskreis kein Thema. Einfluss auf das generelle Interesse am Thema sowie das Wahlverhalten haben laut Studie dafür die Familie und die Schule. Je mehr Aktivitäten an der Schule, desto höher sei das Interesse der jungen Erwachsenen.

»"Ob man völlig objektiv bleiben kann, weiß ich nicht"«

Politik in der Schule

Vielleicht erklärt das die erstaunlich hohe Polit-Kompetenz der MaturantInnen des Goethe-Gymnasiums: Politische Bildung hat in dieser AHS am Rande Wiens durchaus einen hohen Stellenwert, wie Direktor Hubert Kopeszki erklärt (siehe auch Video-Interview) . Denn auch wenn es keinen eigenen Gegenstand der politischen Bildung im Lehrplan gibt, so wird diese im Geografie-, Deutsch- oder Geschichte-Unterricht eingebunden, wo etwa einzelne Wahlprogramme verglichen oder Videos analysiert werden. Was durchaus auf großes Interesse stoße, vor allem bei den älteren Schülern, so Kopeszki. Nur jenen wenigen „Aktivisten“, wie der Direktor sie nennt, die nicht nur wählen, sondern sich bereits aktiv politisch engagieren, wurde es untersagt, an der Schule Werbematerialien auszuteilen. Auch sonst bemüht man sich am Goethe Gymnasium um Objektivität in Sachen Politik: „Man versucht es natürlich, aber ob man völlig objektiv bleiben kann, weiß ich nicht, wahrscheinlich färbt es immer ein bisschen durch“, so der Direktor.

© Video: News.at

Die Schüler bedienen sich aber ohnehin an mehr Informationsquellen als bloß ihren Lehren: Zwar „geben sich die Lehrer Mühe“, so eine Schülerin, doch vorwiegend informieren sich die Erstwähler, wie wohl auch ihre Eltern schon, hauptsächlich über das Medium Fernsehen. Nachrichten und Diskussionsrunden werden häufig konsumiert. Auch Zeitungen lesen die Jugendlichen und erst als drittes Medium wird das Internet genannt, wie etwa der Wahl-O-Mat – oder sogar die Webseiten der Parteien, die eine Schülerin als Informationsquelle angab.

Wahlprogramm wichtiger als Spitzenkandidat

Bevor also letztendlich entschieden wird, wird genauestens analysiert. Dafür werden von fast allen Schülern die Wahlprogramme zur Orientierung herangezogen, denn Inhalte sind ihnen wichtiger, als die Person, die diese repräsentiert. Auf wen die Wahl der 8B am 15. Oktober dann tatsächlich fallen wird, ist jedoch noch nicht klar. Zaghaftes Nicken und vielmehr unschlüssiges Kopfschütteln folgt der Frage, ob diese Entscheidung drei Wochen vor der Wahl schon gefallen sei. Auf "das geringste Übel“ sind sich die Schüler zumindest einig. Und damit vermutlich auch mit einem Großteil der restlichen 6,4 Millionen Wahlberechtigten.

Plus: Was die Erstwähler als erstes ändern würden, wenn sie an der Macht wären, beantworten sie im Video ganz oben.