Das sagen Nordkoreaner
über ihr Heimatland

Wie die Realität im verbotenen Land aussieht: 5 Fragen und Antworten über Nordkorea

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Fakten - Das sagen Nordkoreaner
über ihr Heimatland

Nordkorea kommt nicht aus den Schlagzeilen: Zuletzt ließ Machthaber Kim Jong-un nach dem Beschluss von UNO-Sanktionen mehrere Kurzstreckenraketen ins Meer feuern. Fast zeitgleich machte das "Geständnis" des US-Amerikaners Otto Frederick Warmbier Furore. Der vor zwei Monaten in Nordkorea verhaftete Student erklärte Ende Februar im Rahmen einer bizarren Pressekonferenz, dass er in einem Hotel der Hauptstadt Pjöngjang ein politisches Spruchbanner gestohlen habe. Immer wieder wurden Ausländer in Nordkorea inhaftiert. Die Bandbreite der beschuldigten Verbrechen reicht dabei von illegalen Grenzübertritten bis hin zum Zurücklassen einer Bibel im Land. Letzteres wird als Affront gegen den Staatsgründer Kim Il-sung angesehen, der bis heute als "der Große Führer Genosse Kim Il-sung" verehrt wird. Eine Bibel zurückzulassen gilt in den Augen der Machthaber als Versuch, den Glauben der Nordkoreaner zu beeinflussen.

Mit dem eigenen Volk soll Kim Jong-un ebenfalls nicht gerade zimperlich umgehen. Im Februar 2014 hat eine Kommission der Vereinten Nationen einen 400-seitigen Bericht über zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea veröffentlicht. Opfer und Augenzeugen sprechen von Hunger, Folter, Hinrichtungen und Mord. Doch wie kann man sich das tägliche Leben in dem abgeschotteten Land vorstellen? Die US-Website "NK News" (North Korea News) hat dazu Nordkoreaner befragt, die mittlerweile im Ausland leben.

1. Wie sieht der Militärdienst in Nordkorea aus?

Die meisten Soldaten dienen in Nordkorea zehn Jahre lang, wie ein Ex-Bürger mitteilt. Weibliche Soldaten dienen im Schnitt sieben Jahre lang. Die Spezialeinheit, die Bodyguards von Machthaber Kim Jong-un, müssen 13 Jahre ableisten. "Dieser Militärdienst ist in Nordkorea verpflichtend, die meisten Männer gehen nach dem High-School-Abschluss zum Militär", sagt er. Wer ein naturwissenschaftliches oder technisches Studium absolviert, muss nur für drei Jahre zum Militär - ein Relikt aus der Zeit von Kim Jong-il, der diese Wissenschaften so fördern wollte.

»Die erste Schwierigkeit, die Männer beim Militär ertragen müssen, ist Hunger«

Der Militärdienst hat einen großen Haken: "Die erste Schwierigkeit, die Männer beim Militär ertragen müssen, ist Hunger", berichtet der ehemalige Nordkoreaner. Die gemeinen Soldaten in den Stützpunkten außerhalb der Hauptstadt Pjöngjang erhalten lediglich zwei bis drei Kartoffeln pro Mahlzeit. Oder sie müssen nicht verarbeitetes Getreide essen. Neben dem üblichen Militärtraining schuften die hungrigen Soldaten im Sommer zusätzlich auf den Reisfeldern der Bauern. "Deshalb sind viele nordkoreanische Soldaten abgemagert und unterernährt", berichtet der Augenzeuge.

2. Wie ist das Studentenleben in Nordkorea?

Es ist wie beim Militär, lautet das Fazit eines ehemaligen Nordkoreaners. Kim Yoo-sung hat sowohl an einer nord- als auch an einer südkoreanischen Universität studiert. Er zieht einen Vergleich: "Es gibt kaum Gemeinsamkeiten", sagt er über die unterschiedlichen Bildungssysteme. In Nordkorea läuft das Studentenleben so ab:

  • Das Hauptfach sucht nicht der Student, sondern die Universität aus.
  • Kurse über die herrschende Kim-Familie sind bis zum Studienende Pflicht.
  • Das Thema der Bachelor-Arbeit ist vorgegeben: eine These über Kim Jong Il.
  • Es geht militärisch straff zu: Jede Klasse hat einen Klassen-Leiter, einen Vize-Leiter und mehrere Sekretäre.
  • Es gibt eine strenge Rangordnung - eine Art Machtpyramide.
  • Der Unterricht beginnt um 8.00 Uhr, Studenten müssen um 7.25 Uhr erscheinen oder sich vor der gesamten Klasse öffentlich entschuldigen.
  • Es gibt einen strengen Dresscode. Wer sich nicht daran hält, darf die Universität nicht betreten.
  • Die jungen Nordkoreaner sind Studenten, Sicherheitspersonal und Reinigungskräfte in einem.

In Südkorea läuft vieles nach westlichen Standards ab. Studenten müssen dort nicht Wache stehen oder Gänge putzen. Im Süden zählt weniger die Treue zum Regime als die akademische Leistung. Das Hauptfach darf frei gewählt werden. Kurz gesagt: kein Vergleich zu Nordkorea.

3. Ist Alkohol in Nordkorea erlaubt?

Nordkoreaner trinken laut Angaben eines Einheimischen viel und harten Alkohol. "Es gibt nicht viele Bars, aber Alkohol kann in Restaurants getrunken sowie am Markt oder in Fabriken (die alkoholische Getränke herstellen; Anm. der Red.) gekauft werden, um zu Hause getrunken zu werden", erzählt ein Nordkoreaner. In seinem Heimatort habe es nur ein Restaurant gegeben, das Alkohol verkauft habe und das sei sehr gut gegangen. Es gäbe in Nordkorea zwei Sorten von Alkohol: Nummer eins, den Alkohol für Machthaber Kim Jong-un, und Nummer zwei, den Alkohol für alle anderen.

Der Nummer-eins-Alkohol sei nicht öffentlich erhältlich, aber man könne über gute Beziehungen an ihn herankommen. Er wird "aus Kartoffeln hergestellt und hat den besten Geschmack". Früher habe nur inländischer Alkohol verkauft werden dürfen, mittlerweile seien auch importierte Alkoholika am Markt. Generell sei der Alkohol in Nordkorea hochprozentig. Obwohl verboten, brennen viele Nordkoreaner ihren Schnaps selbst, um ihn dann auf lokalen Märkten zu verkaufen. Die Behörden sind dagegen machtlos.

4. Wie lebt es sich als Homosexueller in Nordkorea?

Diese Frage kann der geflüchtete Nordkoreaner Jang Yeong-jin beantworten. Er hat sich im Exil öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt. Sein Heimatland bezeichnet er heute als "ein großes Gefängnis ohne Gitterstäbe". Probleme in seiner Ehe haben ihn dazu gebracht, Nordkorea zu verlassen. Erst nachdem er einige Zeit außerhalb des Landes und in einer offeneren Gesellschaft gelebt habe, sei ihm bewusst geworden, dass er homosexuell sei, teilte der 55-Jährige der "New York Times" mit. Heute lebt er in Südkorea. "Ich habe nicht gewusst, dass ich schwul bin oder was Homosexualität ist, bis ich hier angekommen bin", erzählt er.

Nordkorea sei eine geschlossene Gesellschaft. Das Volk wisse nichts von der Außenwelt, erklärte Jang Yeong-jin gegenüber der Europäischen Allianz für Menschenrechte in Nordkorea. Er habe zuerst gedacht, seine Homosexualität sei ein pathologisches Leiden. Das Thema Homosexualität sei in Nordkorea in keinster Weise präsent. "In offenen Gesellschaften haben die Menschen zumindest ein Bewusstsein für unterschiedliche Sexualitäten, in Nordkorea besteht keine Hoffnung."

5. Welche Meinung haben Nordkoreaner über die USA?

Nordkoreaner hassen US-Amerikaner nicht. Nordkorea hat die USA - ebenso wie Japan - offiziell zum Feind erklärt. Diese Meinung teilen die Nordkoreaner jedoch nicht, wie ein Ex-Bewohner berichtet: "Das Regime hat es nicht geschafft, den Menschen in allen Bereichen eine totale Gehirnwäsche zu verpassen." Die meisten Menschen in seinem Heimatort hätten die Japaner verachtet, aber nicht die Amerikaner. "Ältere Leute, die den Korea-Krieg miterlebt haben, haben uns erzählt, dass die Amerikaner die schrecklichen Verbrechen, die Nordkoreas Regime ihnen vorwirft, nicht begangen haben."

Eine Reise nach Nordkorea

So unmöglich nach Nordkorea zu gelangen, wie vielleicht angenommen, ist es übrigens nicht. Seit den 1980ern ist Touristen der Zutritt über organisierte und geführte Reisetouren gestattet. Über 5.000 Reisende erkunden jährlich auf diese Weise das Land. Beispielsweise bietet der in Peking ansässige Reiseveranstalter "Koryo Tours" eine Zugreise durch Nordkorea an. Eine Journalistin der britischen Zeitung "The Guardian" hat diese Möglichkeit vor kurzem wahrgenommen und ist als Touristin zehn Tage lang durch Nordkorea gereist. "Wir haben uns nie unsicher gefühlt. Nicht ein einziges Mal", schreibt Monisha Rajesh über ihren Besuch. Man müsse sich lediglich an gewisse Regeln halten:

  • Keine Bilder von Kim Jong-un verunstalten
  • Ein Magazin, mit Kim Jong-uns Gesicht am Cover, darf nicht in der Hälfte gefaltet werden
  • Keine Fotos ohne vorher um Erlaubnis gefragt zu haben
  • Im Mausoleum herrscht Krawattenpflicht
  • Keine Bibel im Land zurücklassen

Und was halten Nordkoreaner von Touristen, die in ihre Heimat reisen?

"Touristen waren die ersten Fremden, die ich als kleines Kind jemals in Nordkorea gesehen habe", erzählt ein Nordkoreaner der Website "NK News". Er plädiere dafür, dass Ausländer sein Heimatland bereisen, denn sie würden die Möglichkeit bekommen, die Nordkoreaner positiv zu beeinflussen - um junge Nordkoreaner neugierig und aufgeschlossener zu machen.

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