Doping-Razzia: 2 ÖSV-
Langläufer festgenommen

Bei einer Doping-Razzia während der Nordischen Ski-WM in Seefeld sind zwei ÖSV-Langläufer festgenommen worden. Es handelt sich um Dominik Baldauf und Max Hauke.

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Nordische WM - Doping-Razzia: 2 ÖSV-
Langläufer festgenommen

ÖSV-Langlauf- und Biathlonchef Markus Gandler hat im ORF-Interview bestätigt, dass die beiden betroffenen Langläufer Dominik Baldauf und Max Hauke sind. Das Duo sei in Haft genommen worden, sagte der Tiroler. Er stehe unter Schock, betonte der auch schon bei der folgenschweren Polizeirazzia bei Olympia 2006 in Turin amtierende Ex-Langläufer.

"Es hat sich herausgestellt, dass an mehreren Stellen Athleten erwischt worden sind bei unerlaubten Methoden oder beim Dopen. Leider, das macht mich betroffen, zwei Athleten von uns sind dabei. Sie sind in Haft genommen worden, Baldauf und Hauke. Sie sind momentan weg, ich habe sie nicht mehr gesehen", erklärte Gandler. Er sei von den Ermittlern um Hilfe beim Auffinden der Athleten gebeten worden.

»Das sind erwachsene Leute. Wir bewachen sie nicht auf Schritt und Tritt«

Ihm sei bisher nie etwas im Zusammenhang mit Dopingvergehen des Duos aufgefallen. Man könne sie aber nicht ständig überwachen. "Das sind erwachsene Leute. Wir bewachen sie nicht auf Schritt und Tritt. Das sind freie Leute, sie haben genügend Freizeit, um so einen Blödsinn zu machen."

Gandler "unter Schockstarre"

Über Details der Ermittlungen habe er keine Kenntnis, ergänzte Gandler. Das Ganze sei aber schon jetzt natürlich verheerend für seine Sparte. "Das ist ein harter Schlag für den Langlauf im allgemeinen. Ich stehe unter Schockstarre. Es ist ja nicht das erste Mal und wie es ausschaut nicht das letzte Mal."

Er und der Rest des Teams seien völlig unvorbereitet davon getroffen worden. "Es steht jeder unter Schock. Ich stehe Rede und Antwort. Ich hoffe, dass es mehr erwischt, nicht nur den ein oder anderen, sondern auch die Drahtzieher."

Der 26-jährige Steirer Hauke und der gleichaltrige Vorarlberger Baldauf hatten im Teamsprint mit Rang sechs überrascht. Das sei eine starke, aber nicht überirdische Leistung gewesen, so Gandler auf mögliche Auffälligkeiten angesprochen. "Wenn man das nicht mehr laufen kann ohne Hilfsmittel, muss man eh aufhören. Aber wir reden da nicht von Übersportlern, da gibt es noch andere."

"Operation Aderlass"

Österreichische und deutsche Behörden haben während der Nordischen Ski-WM in Seefeld am Mittwoch in einer koordinierten Aktion mit dem Namen "Operation Aderlass" im Zusammenhang mit einem international agierenden Dopingnetzwerk bei 16 Hausdurchsuchungen neun Personen festgenommen. Unter den Festgenommenen befinden sich zwei österreichische WM-Langläufer und ein deutscher Sportmediziner.

In Seefeld seien zwei Mitglieder der kriminellen Gruppierung sowie fünf Spitzensportler aufgrund richterlich bewilligter Anordnungen festgenommen sowie sieben Hausdurchsuchungen vollzogen worden. Bei den festgenommenen Athleten handle es sich um zwei österreichische, einen kasachischen und zwei estnische Spitzensportler. Die festgenommenen Österreicher seien Polizeisportler aus dem Langlaufkader.

Razzien auch in Deutschland

Gleichzeitig zu den Aktionen in Tirol sei in Deutschland der Sportmediziner und ein deutscher Komplize festgenommen worden, wie das Bundeskriminalamt (BK) angab. Im Nachbarland fanden neun Hausdurchsuchungen statt.

Die Razzien fanden auf Anordnungen der Schwerpunktstaatsanwaltschaft München und Staatsanwaltschaft Innsbruck statt, teilte das österreichische Bundeskriminalamt mit. Über Hintergründe und Details wollten die Behörden bei einer Pressekonferenz um 15.00 Uhr in Innsbruck informieren.

Im Rahmen von seit mehreren Monaten andauernden internationalen Ermittlungen wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Sportbetruges sowie der Anwendung von unerlaubten Wirkstoffen und Methoden zu Dopingzwecken sei eine in Deutschland ansässige kriminelle Organisation um einen 40-jährigen Sportmediziner ausgeforscht worden, hieß es in einer BK-Mitteilung.

Netzwerk um deutschen Sportmediziner

Die aus Erfurt agierende kriminelle Gruppierung sei dringend verdächtig, "seit Jahren Blutdoping an Spitzensportlern durchzuführen, um deren Leistung bei nationalen und internationalen Wettkämpfen zu steigern und dadurch illegale Einkünfte zu lukrieren", hieß es weiter.

In Österreich hatte es bereits bei der Biathlon-WM 2017 in Hochfilzen und beim dortigen Weltcup 2018 behördliche Aktionen gegen die Teams aus Kasachstan und Russland gegeben. Vor wenigen Wochen hatte der österreichische Langläufer Johannes Dürr in einer ausführlichen TV-Dopingbeichte über verbotene Blutdopingpraktiken in Deutschland berichtet.

Auslöser war Dürr-Bericht

Die Aussagen des Skilangläufers Johannes Dürr waren laut Staatsanwaltschaft München Auslöser für die Doping-Ermittlungen und die Razzien in Seefeld und Erfurt. Der Niederösterreicher, der bei Olympia 2014 positiv auf EPO getestet und danach gesperrt worden war, hatte jüngst in einer ARD-Dokumentation umfassend über Dopingpraktiken im Leistungssport ausgepackt.

"Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin zunächst ein Ermittlungsverfahrens gegen unbekannt wegen der Anwendung von Dopingmethoden am Zeugen Johannes Dürr eingeleitet, dieses ist nun in ein Ermittlungsverfahren gegen konkrete Beschuldigte übergegangen", teilte Oberstaatsanwältin Anne Leiding in einer schriftlichen Mitteilung am Mittwoch mit.

Die bayernweite Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Doping ließ nach eigenen Angaben vier Personen festnehmen und elf Objekte durchsuchen, neun davon in Erfurt. Das Bundeskriminalamt in Österreich hatte zuvor mitgeteilt, dass bei der koordinierten Aktion im Rahmen der nordischen Ski-WM in Seefeld insgesamt neun Personen festgenommen und 16 Hausdurchsuchungen vollzogen worden waren.

Schröcksnadel "verärgert" - ÖSV-Langlauf vor Umbau

ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel hat mit großer Verärgerung auf den Dopingskandal bei der Heim-WM in Seefeld reagiert. Im Verband gebe es eine "Null-Toleranz gegenüber Doping", betonte der langjährige Chef des Österreichischen Ski-Verbandes (ÖSV) und kündigte eine Neuorganisation der Langlaufsparte nach der Saison an.

»Niederträchtig«

"Nichts ist niederträchtiger als das Erkaufen von besseren Resultaten durch illegale leistungssteigernde Methoden. Ich bin zutiefst verärgert, dass einzelne Athleten scheinbar nichts aus der Vergangenheit gelernt haben. Im ÖSV gilt Null-Toleranz gegenüber Doping", wurde Schröcksnadel in einer Aussendung zitiert. Der 77-jährige Tiroler war auch schon bei Dopingskandalen der ÖSV-Langläufer und Biathleten bei den Olympischen Spielen 2002, 2006 sowie 2014 beim EPO-Fall von Johannes Dürr im Amt.

Der ÖSV unternehme alles in seiner Macht stehende gegen Doping, gegen Einzeltäter - wie Johannes Dürr 2014, Harald Wurm 2016 und die zwei aktuellen - sei man aber machtlos. "Wir können aber nicht für jeden Einzelnen garantieren, dass er sich an die strengen Bestimmungen hält. Die Verantwortung trägt jeder einzelne Athlet selbst, die Folgen auch", meinte Schröcksnadel und kündigte Konsequenzen für erwischte Dopingsünder an. "Klar ist, wer dopt, wird unverzüglich aus dem ÖSV ausgeschlossen. Die juristischen Konsequenzen werden die Behörden ziehen."

Seinen Informationen nach gebe es derzeit keine Indizien auf mögliche Verwicklungen von ÖSV-Betreuern in die mutmaßlichen Vergehen von Dominik Baldauf und Max Hauke, die unter Blutdopingverdacht stehen. "Laut den Ermittlungen der Behörden gibt es keinen Hinweis darauf, dass Betreuer des ÖSV in diesen Dopingfall involviert sind. Unabhängig davon werde ich dem Präsidium vorschlagen, nach dieser Saison den Langlaufsport im ÖSV völlig neu zu organisieren", erklärte Schröcksnadel.

Damit dürften die Tage von Markus Gandler als Sportlicher Leiter und Herren-Cheftrainer Alexander Marent wohl gezählt sein. ÖSV-Langlaufkoordinator Trond Nystad deutete seinen Abschied bereits an. "Es ist klar, dass das die Aufgabe für mich uninteressant macht", sagte der Norweger.

BMI prüft dienstrechtliche Schritte

Dominik Baldauf und Max Hauke drohen auch dienstrechtliche Konsequenzen. Die beiden Skilangläufer absolvieren derzeit die polizeiliche Grundausbildung, das könnte aber bald beendet werden. "Wir haben aufgrund der heute bekannt gewordenen Umstände – gemeinsam mit den Dienstbehörden der zuständigen Landespolizeidirektionen – eine sofortige Prüfung des Ausschlusses aus dem Kader der polizeilichen Spitzensportler sowie eine Prüfung der Beendigung der Dienstverhältnisse eingeleitet", erklärte der Leiter der Präsidialsektion im Innenministerium, Karl Hutter, in einer Aussendung, ohne die Namen der beiden Sportler zu nennen.

Eine Entscheidung werde nach Vorliegen der Sachverhaltsdarstellungen der Staatsanwaltschaft erfolgen. "Für das BMI gilt jedenfalls das Null-Toleranz-Prinzip, wenn es um die Anwendung von unerlaubten Wirkstoffen und Methoden zu Dopingzwecken geht", so Hutter.

Für Platter "riesige Sauerei"

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP): "Das ist ein riesiger Schaden für den gesamten Sport, und ich kann nicht verstehen, dass so etwas im Spitzensport immer wieder passieren muss. Wenn sich all diese Verdachtsmomente bestätigen, dann muss es massive Sanktionen geben. Es ist eine Sauerei gegenüber all jenen Sportlern, die sauber arbeiten. Es ist aber auch eine riesige Sauerei all jenen gegenüber, die mit Herzblut und Leidenschaft zum Gelingen dieser WM beitragen, all den Organisatoren, all den freiwilligen Helfern und nicht zuletzt auch gegenüber den Tausenden von Fans, die ihre Sportler anfeuern und unterstützen".


Rudolf Hundstorfer (Präsident Bundes-Sportorganisation BSO per Aussendung): "Schade, dass die Stimmung bei so einem tollen Sportfest durch Vorkommnisse wie diese getrübt wird. Sollte sich der Verdacht bestätigen, kann man sich - nicht zuletzt unter dem Eindruck der letzten ARD-Reportage zu diesem Thema - nur noch über diese Personen wundern. Das österreichische Anti-Doping-Gesetz ist jedenfalls auch international vorbildlich. Dazu haben wir mit der NADA Austria eine ausgezeichnete nationale Anti-Doping-Agentur und eine ebenso ausgezeichnete Kooperation mit der Exekutive. Doping ist Betrug, deshalb aufs Schärfste zu verurteilen und strafrechtlich zu verfolgen. Es muss weiterhin alles unternommen werden, damit sich die große Mehrheit der fairen und sauberen Sportlerinnen und Sportler nicht mit einigen, wenigen Betrügern messen muss."

Kommentare

Da gibt es eh nur eines: lebenslange Sperre, Sperre aller Sponsorgelder bzw. teilweise Rückzahlung für solche Vollidioten!Den Ruf Österreichs auch noch schädigen was auch strafrechtliche Folgen haben muss!!

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