Der dritte Mann

Norbert Hofer hat zwei Aufgaben: ÖVP-Wähler anlocken & Strache die Bühne bereiten

von Norbert Hofer © Bild: News/Sebastian Reich

Das weiß auch sein Parteichef Heinz-Christian Strache: "Dein einziger Fehler, lieber Norbert, ist deine Bescheidenheit“, richtet Strache ihm beim Aschermittwochstreffen in Ried von der Bühne aus, das Treffen eröffnet heuer inoffiziell den FPÖ-Wahlkampf. Ändern soll sich Hofer aber auf keinen Fall, sagt Strache: "Diese Bescheidenheit macht dich so liebenswürdig.“ Hofers zurückhaltendes Auftreten macht ihn mehr als bloß sympathisch. Es macht ihn vor allem zu einem guten Mitarbeiter, der seinen Platz kennt und dem Chef nicht die Show stiehlt. Denn an diesem Aschermittwoch in Ried geht es weder um Norbert Hofer noch um die Bundespräsidentenwahl. Es geht um Heinz-Christian Strache und die nächste Nationalratswahl.

Parteiräson geht vor

Eigentlich hatte Norbert Hofer deutlich gemacht, dass er nicht kandidieren will. Nachdem er sich selbst mit dem Argument aus dem Rennen genommen hat, mit 44 Jahren zu jung für das Amt zu sein, wirkte er gelöst, erzählt ein Freund. Vier Wochen später wurde er dann doch als Kandidat präsentiert. "Das Hauptargument war: Wenn ich antrete, haben wir die besten Chancen, zu gewinnen“, sagt er. Und mit der Parteiräson nimmt er es genau.

"Er macht immer alles zu hundert Prozent“, sagt seine 75-jährige Mutter Gertraud, "schon als Kind wollte er alles richtig machen.“ Die Familiengeschichte der Hofers ist eine typisch burgenländische Aufsteigererzählung: Der Großvater wurde als Kind burgenländischer Auswanderer in Chicago geboren und kam erst zum Heiraten zurück nach Pinkafeld. Der Vater führte ein E-Werk, die Mutter blieb bei den Kindern zu Hause. Norbert Hofer ist das vierte Kind, ein Nachzügler. Sein älterer Bruder arbeitete in Libyen, Indien und China, seine Tante in der Schweiz. Auch Norbert Hofer wäre vor fünfzehn Jahren beinahe nach Arizona ausgewandert. Doch dann bat Stefan Salzl, der damalige burgenländische FPÖ-Landesparteiobmann, ihn, zu bleiben. "Die Partei braucht dich“, sagte er.

Fünfzehn Jahre später sitzt er in der Rieder Jahnturnhalle als Anwärter für das höchste Amt im Staat, als Dritter Nationalratspräsident, als Straches erster Stellvertreter - und wartet auf seinen Chef. Hofers Beitrag zum Abendprogramm ist kurz, er darf genau fünf Minuten ins Mikrofon sprechen. Der feierliche Einzug von Heinz-Christian Strache dauert fast doppelt so lang. An seiner Seite hat Strache Manfred Haimbuchner, den oberösterreichischen Landeshauptmannstellvertreter. Er peitscht die Gäste eine Dreiviertelstunde für Strache ein. Angriffig, scharf, zuweilen derb. Zur Begrüßung hebt er sein Krügerl zum Publikum. Strache steigt sogar auf die Bierbank. Hofer winkt bloß ins Publikum. Heute ist er nicht der Spitzenmann, der die FPÖ in die nächste Wahl führt. Er ist auch nicht der Zweite hinter Strache. Am Aschermittwoch ist er nur der dritte Mann.

Hofer nimmt das gelassen, mit charismatischen Chefs hat er Erfahrung. Bevor er in die Politik einstieg, war er Flugzeugtechniker bei der Lauda Air. Wenn er vor Branchenkollegen Vorträge hielt, wollten die oft nur wissen, wie es so wäre, mit Niki Lauda zusammenzuarbeiten. "Ich habe gern in seinem Unternehmen gearbeitet“, sagt Hofer. Trotzdem wechselte er schon 1994, mit 23 Jahren, hauptberuflich in die Politik.

FPÖ-Mitglied wurde er schon kurz nach der Matura. Sein Vater, der zuvor lange für die ÖVP im Gemeinderat gesessen ist, trat später als Parteifreier für die FPÖ an. "Wir zwei waren die ersten blauen Gemeinderäte in Pinkafeld“, sagt Rudolf Jauschowetz, der heute 74 Jahre alt ist. Jauschowetz war es, der Norbert Hofer motivierte, auch politisch aktiv zu werden. Er war es auch, der die Pennälerverbindung Marko-Germania zu Pinkafeld gründete, bei der Norbert Hofer Ehrenmitglied ist. Für seinen Aufstieg in der FPÖ dürfte dieser Titel nicht unwichtig gewesen sein. Andreas Mölzer sieht darin einen Beweis, dass Hofer "mehr als nur Verständnis für die freiheitliche Tradition“ hat, wie er in der aktuellen Ausgabe der deutschnationalen Wochenzeitung "Zur Zeit“ schreibt. Auch dass "unter seiner Federführung die ‚deutsche Volks- und Kulturgemeinschaft‘ wieder im Parteiprogramm aufscheint“, rechnet Mölzer ihm hoch an.

Ein Lächeln als Konter

Wenn man Hofer darauf anspricht, betont er gleich, dass es in der FPÖ auch ein klares Bekenntnis zu Minderheiten gebe. Überhaupt hat er auf die meisten Fragen eine gefällige Antwort parat. Die parlamentarische Anfrage über Chemtrails, die er stellte? "Ein Gefallen für jemanden aus der Funktionärschaft. Ich weiß schon, was Kondensstreifen sind, aber man muss die Leute ernst nehmen.“ Die verbalen Entgleisungen von Parteikollegen? "Bei uns achtet man eben besonders drauf. Und ich will keine Politiker, die ohne Emotionen agieren.“ Er selbst vergreift sich nie im Ton, bleibt sanft und freundlich: "Die Rüpeleien der anderen stören mich“, sagt seine Mutter, "aber das war ja nie Norberts Linie. Der ist von klein auf so gewesen, wie er jetzt ist.“

Doch wie bei den meisten FPÖ-Politikern birgt seine Argumentation auch diverse Widersprüche in sich. Dass er, der Sozialpolitiker, dagegen ist, dass Österreich Flüchtlinge unterstützt. Dass er zwar Grenzzäune will, aber auch eine Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler. Dass er Liberalismus einfordert, aber laut über einen Mindestlohn nachdenkt. Dass ihm der Freiheitsgedanke heilig ist, er aber betont, dass der Islam keinen Platz in Österreich hat. Anders als andere FPÖ-Politiker übertönt er die Widersprüche aber nicht mit kantigen Parolen. Norbert Hofer kontert mit einem strahlenden Lächeln.

Straches Persönlichkeitswahlkampf

Seinen Stil schätzen auch Kollegen aus anderen Fraktionen. "Er ist fair, konstruktiv und hat Handschlagqualität“, sagt Franz-Joseph Huainigg, der Behindertensprecher der ÖVP, "aber er ist bei der falschen Partei. Man kann nicht die einen gegen die anderen ausspielen.“ Judith Schwentner, die Sozialsprecherin der Grünen, sagt: "Rund ums Thema Menschen mit Behinderung habe ich ihn als einen sehr empathischen Politiker kennengelernt.“ In den eigenen Reihen wird diese Eigenschaft zum Kalkül: "Gerade sein maßvolles Auftreten und sein freundliches Gesicht werden es ihm ermöglichen, die Härte der freiheitlichen Forderungen und Haltungen einzufordern“, schreibt Mölzer.

Die harte Seite Hofers kennt Österreich bisher nur aus seinen eigenen Erzählungen: "Wenn Strache auf Urlaub ist, gibt’s regelmäßig Parteiausschlüsse“, sagt er und zählt auf: Susanne Winter und Werner Königshofer fallen ihm spontan ein. Königshofer bestätigt, dass der eingeschriebene Ausschlussbrief im Sommer 2011 von Hofer gezeichnet wurde: "In unserem letzten Telefonat kurz davor hat er aber kein Wort davon gesagt“. Susanne Winter hingegen ist überrascht, dass Hofer für ihren Ausschluss verantwortlich sein will: "Er hat nie mit mir darüber gesprochen und es gibt auch nichts Schriftliches“, sagt Winter. Trotzdem können beide sich vorstellen, ihn als Bundespräsidenten zu wählen. Wenn er die freiheitliche Kernforderung erfülle, das Amt abzuschaffen.

Doch wenn Norbert Hofer im Wahlkampf den Wünschen von Königshofer oder Winter nachkäme, widerspräche das dem Plan der Parteistrategen: "Jetzt geht es darum, die ÖVP-Wähler zu bekommen. Die von der SPÖ haben wir schon“, sagt Manfred Haimbuchner. Hofer wird deshalb das tun, was er am besten kann: sanft und freundlich sein. "In der Politik geht es darum, Leuten zuzuhören“, sagt er. Nun sitzt er in Ried und hört zu, wie Strache für ihn auf der Bühne Wahlkampf macht.

Keine fünf Minuten dauert es, bis Strache seinen Unfall anspricht. 2003 stürzte Norbert Hofer beim Paragleiten ab, seitdem ist er gehbehindert. "Dass du wieder aufgestanden bist, das zeigt deine wahre Stärke“, sagt er zu ihm. "Er hat jeden Tag Schmerzen“, sagt er zum Publikum.

Während es in Deutschland ein stilles Übereinkommen gibt, den Rollstuhl von Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht politisch zu thematisieren, macht die FPÖ selbst Hofers Handicap zum Wahlkampfthema. Schon als Strache Hofer vor zwei Wochen als Präsidentschaftskandidat präsentierte, wurde dessen Gesundheit ausführlich besprochen. Es ist keine Mitleids-, sondern eine Heldenerzählung: Ein tougher Typ, der dem Schicksal trotzt.

Und einer, der eine plausible Argumentation bietet, warum nun Heinz-Christian Strache einen Persönlichkeitswahlkampf führen kann, ohne selbst zu kandidieren. "Natürlich werden wir diesen Wahlkampf anders organisieren müssen“, sagte Herbert Kickl bei der Präsentation Hofers, "wir treten mit ihm und neben ihm als Team an.“

Zwei Wochen später sagt Heinz-Christian Strache es in Ried dann so: "Unser Ziel muss es sein, dass wir im Herbst Neuwahlen haben.“ Bis dahin bereitet ihm der Kandidat Norbert Hofer die Bühne.

Aus dem "News" Nr. 6/2016 vom 13.02.2016

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