Das News-Zeugnis für die Regierung: Mückstein stürzt ab

Politikkenner beurteilen im News-Regierungszeugnis die türkis-grüne Regierung. Das Ergebnis: Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein stürzt ab, Kanzler Karl Nehammer hält sich bisher gut. Gesamtnote für die Koalition: befriedigend.

von Wolfgang Mückstein © Bild: imago images/CHROMORANGE

Vergangenen Juli herrschte Jubelstimmung. Die Pandemie schien gemeistert, zumindest behauptete das der damalige Regierungschef Sebastian Kurz inbrünstig und bei jeder Gelegenheit. Alles nur mehr eine Frage der raschen und gerechten Impfstoffverteilung, so schien es, dann könne das normale Leben weitergehen. Der Mann, der neben Kurz von der vermeintlich postpandemischen Euphorie am meisten profitierte: der damals neue grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein. Eine frische Erscheinung, Sneakers und krawattenloses Hemd, wohltuend anders als sein zusehends zerknautscht aussehender und auftretender Vorgänger Rudolf Anschober. Endlich kein lästiger Mahner mehr im Ministerium.

Das damalige News-Regierungszeugnis gab die Aufbruchstimmung wieder: Mückstein landete im Ranking mit einer Note von 2,2 auf Platz eins. Er sei "überraschend sicher" auf glattem Parkett unterwegs, wurde damals gelobt, er mache als Quereinsteiger "einen guten Job". Und, hielten einige der renommierten Politik-Journalisten, die zwei Mal im Jahr das News-Regierungszeugnis erstellen, optimistisch fest: Er habe das Glück gehabt, einzusteigen, als die wildesten Corona-Turbulenzen überstanden schienen. Nun ja.

Mückstein: Von Tiefpunkt zu Tiefpunkt

Einen weiteren harten Corona-Winter später hat sich das Blatt für Mückstein gewendet. Der einst so smarte Quereinsteiger rasselt im News-Regierungszeugnis vom ersten auf den vorletzten Platz. In Noten: von 2,2 auf 4,1. Zugegeben, der Mann hat einen undankbaren Job. Die Pandemie, vermeintlich besiegt, erlaubte es sich doch, weiterzugehen, und die allgemeine Stimmung im Land taumelt unter dem Eindruck der zermürbenden Impfpflicht-Diskussionen von Tiefpunkt zu Tiefpunkt. Das ändert aber nichts an den (handwerklichen) Schwächen, mit denen der Arzt aus der Mariahilfer Straße das Land seit Monaten verärgert.

»Anschober minus Regierungs- Knowhow. Überfordert vom ersten Tag an, beratungsresistent.«

Christoph Kotanko, Politikanalyst und Kolumnist bei den Oberösterreichischen Nachrichten kommentiert: "Anschober minus Regierungs- Knowhow. Überfordert vom ersten Tag an, beratungsresistent."

Die Top drei

Mückstein versetzt damit der Gesamtperformance der Grünen im News-Regierungszeugnis einen ordentlichen Dämpfer. Denn mit Leonore Gewessler und Alma Zadic befinden sich zwei grüne Ministerinnen im Spitzenfeld des Rankings. Klimaministerin Gewessler, die mit der Einführung des Klimatickets und dem (vorläufigen) Stopp für den Lobautunnel Akzente setzte, ist mit einem glatten Zweier Klassenbeste: "Der programmierte grüne Star hat nun geliefert," analysiert Ulrike Weiser von der Tageszeitung Die Presse. Gewessler habe viele Themen angestoßen, andere müsse sie noch auf den Boden bringen. Sie sei konfrontativ, dabei aber stets ruhig. Eine "Zielstreberin" nennt sie Weiser. Lob gibt es auch für Justizministerin Zadic, die auf Platz drei hinter ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher landet.

Durchwachsene Beurteilung für Kogler

Durchwachsen dagegen die Beurteilung von Vizekanzler Werner Kogler: Der grüne Wächter des Koalitionsfriedens verschlechtert sich im Regierungszeugnis von 2,7 auf 3,2. Er habe, analysiert Johanna Hager vom Kurier, "die grüne Glaubwürdigkeit durch den Sideletter endgültig verspielt."

Insgesamt kommen die vier grünen Regierungsmitglieder auf eine Note von drei. Nur geringfügig schlechter: die ÖVP mit einem Schnitt von 3,23.

Wohlwollende Skepsis

Ex-Innenminister Karl Nehammer, seit Dezember Kanzler der Republik, kommt im aktuellen News-Regierungszeugnis auf den guten vierten Platz. Die Bewertungen zeugen von dem Zwiespalt, Nehammers Neustart wohlwollend begleiten zu wollen -und der gleichzeitigen Skepsis, ob er wirklich der richtige Mann für diese Aufgabe ist. Einen "mutmaßlich gutwilligen Technokraten und Sozialpartner", nennt ihn Claus Pandi, Politik-Kommentator und Chefredakteur der Salzburg-"Krone": "Alte türkise Kräfte schränken seinen Handlungsspielraum aber deutlich ein."

Für trend-Chefredakteur Andreas Weber "fehlen von der Kanzlervariante zum Kanzler mit Format noch: eigene Agenda, Wahlerfolg, Schallenbergs Englischkenntnisse."

Karl Nehammer, der Kanzler im Kurz-Schatten, liegt im News-Regierungszeugnis überraschenderweise gleichauf mit seinem Finanzminister, dem weitgehend unbekannten Magnus Brunner. Der, so der Tenor der Politbeobachter, sei bisher zumindest nicht negativ aufgefallen. Autor und Blogger Johannes Huber (diesubstanz.at) befindet: "Der Nachfolger von Gernot Blümel verkörpert am ehesten einen Neubeginn in der ÖVP-Riege."

Neulingsbonus

Den beiden anderen neuen ÖVP-Ministern Martin Polaschek (Bildung) und Gerhard Karner (Inneres) beschert ihr Neulingsbonus jeweils einen Platz im hinteren Mittelfeld. Zwischen ihnen auf dem verhältnismäßig schlechten achten Platz: Wieder-Außenminister Alexander Schallenberg, der, zu Beginn seiner Politkarriere weit vorne im Ranking, schon als Außenminister unter Kanzler Kurz polarisierte und Sympathiepunkte einbüßte. Seine umstrittene Kurzzeit-Kanzlerschaft verbesserte das Bild ebenfalls nicht. Als "Diener zu vieler Herren", bezeichnet ihn Profil- Herausgeber Christian Rainer. Michael Völker vom "Standard" beobachtet: "Ist wieder brav zu seinem alten Job zurückgekehrt, die Unaufgeregtheit liegt ihm besser als die erste Reihe."

Letzte Plätze

Auf den letzten Plätzen im News-Regierungszeugnis, abgesehen vom grünen Querabstürzer Mückstein: die ÖVP-Ministerinnen Klaudia Tanner, Susanne Raab, Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck. Alle vier gehörten auch schon Kurz' Regierungsteam an; alle vier schneiden in den Augen der Politikjournalisten, die das News-Regierungszeugnis erstellen, schon länger unterdurchschnittlich ab. Verteidigungsminister Tanner bekommt zwar vereinzelt Lob, aber auch Kritik dafür, das Bundesheer nicht nachhaltig neu aufgestellt zu haben.

Susanne Raab, seit Neuestem auch noch für Medienthemen zuständig, müsse erst zeigen, dass sie in den vier unterschiedlichen Agenden, die sie nun verantwortet, reüssieren könne, urteilen die Politikbeoachter.

»Raab ruinierte ihren Ruf in der Kurz-Zeit. Das Tourismusministerium sollten Tiroler Liftkaiser leiten«

Und Landwirtschafts-und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, einst eine enge Weggefährtin von Altkanzler Sebastian Kurz, tritt für viele eher wie eine Lobbyistin auf. Christoph Kotankos harsches Urteil: "Ruinierte ihren Ruf in der Kurz-Zeit. Das Tourismusministerium sollten Tiroler Liftkaiser leiten."

Der letzte Platz geht diesmal an Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, die sich damit im Vergleich zum Juli 2021 noch ein Stück verschlechterte. Sie sei eine Quotenfrau, kaum noch wahrnehmbar und eine "bizarre Erinnerung an die Kurz-Zeit", heißt es da. Karin Leitner von der "Tiroler Tageszeitung":"Farblos, fällt zuvorderst durch Superlative in eigener Sache ,Wir sind die Besten' auf."

Gesamtbewertung: Durchschnitt

Bemerkenswertes Fazit des News-Regierungszeugnisses vom Februar 2022: Trotz einer großen Umbildung -und damit einer Chance auf neue Persönlichkeiten und Akzente -bleibt die Performance der türkis-grünen Bundesregierung durchschnittlich. Einzelne Leistungsträger können das Niveau nicht nachhaltig heben. Nehammer, der "türkise Trümmermann" und "Nachlassverwalter", muss jetzt zeigen, was er kann. Und irgendwann kommt bestimmt auch wieder der Juli.

Die Bewertung im Detail:

News bat folgende Innenpolitikexperten der österreichischen Printmedien um ihr Zeugnis für die Regierung:

  • Johanna Hager, Kurier
  • Johannes Huber, diesubstanz.at
  • Christoph Kotanko, Oö. Nachrichten
  • Karin Leitner, Tiroler Tageszeitung
  • Claus Pándi, Kronen Zeitung
  • Christian Rainer, Profil
  • Michael Völker, Der Standard
  • Andreas Weber, trend
  • Ulrike Weiser, Die Presse
  • Kathrin Gulnerits, News

Musterschüler

Regierungszeugnis Gewessler, Kocher, Zadic
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Das solide Mittelfeld

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Schlusslicht Schramböck

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