Die Schönheit der Macht

Peter Pilz, seit vielen Jahren Politiker bei den Grünen, verfasst einen kritischen Nachruf auf das System Pröll

von Erwin Pröll argumentiert und gestikuliert © Bild: Profil Walter Wobrazek

Am Ende ist ihm alles zwischen den Fingern zerronnen. Das war mein Eindruck, als ich einen müden Erwin Pröll im ORF bei der öffentlichen Selbstaufgabe sah. Es gibt nichts zu beschönigen. Auf seine Art war Pröll der letzte absolute Herrscher Österreichs. Er hielt Hof und ließ sich seinen Hof etwas kosten. Hofkünstler nennen das "Kulturpolitik". Hofnarren wissen es besser.

Pröll hat alles ausgesessen. Von seiner Hypo bis zur Parteibuchwirtschaft, von seinem Günstlingswesen bis zur Gleichschaltung seines Landes stand er seinem südlichen Amtsbruder Haider um nichts nach.

Aber wo Haider in die Unzurechnungsfähigkeit abglitt, blieb Pröll berechnend. Das hatte einen einfachen Grund: Im Gegensatz zu Haider war Pröll kein Parvenu der Macht. Er kam aus einem ihrer alten Zentren. In Niederösterreich verknoten sich die Mächte von Bauernbund, ÖAAB, Raiffeisen und Kirche. Bauerngeld und Beamtenparteibuch bildeten das Stammkapital, mit dem Erwin Pröll gekonnt gewuchert hat.

Zur Bundesgröße hat ihn das Siechtum der ÖVP gemacht. Auch eine Partei erfriert von den Extremitäten her. Wenn es in Wien und in den Städten abstirbt, zieht sich das Parteileben in den Kern zurück. Der Kern ist Niederösterreich.

Prölls Land war oppositionsfrei. Eine grüne Abgeordnete hat mir vor Jahren ihre Einführung in den Landtag geschildert: "Er hat mir ganz ruhig gesagt, dass es zwei Wege gibt. Den der Zusammenarbeit, wo alle etwas davon haben. Und den anderen. Da könne er auch anders." Für SPÖ und FPÖ hat das gereicht. Die Stangen, die sie Pröll gehalten haben, sind ihnen verlässlich vergoldet worden.

Bei uns in Österreich gibt es ein einfaches Messinstrument für den Zustand eines Potentaten: die Medien, die ihn umgeben. Jahrzehntelang war der niederösterreichische ORF Prölls "Prawda". Die "Niederösterreichischen Nachrichten" erzeugten routinierte Vermischungen von Brauchtum und Verlautbarung.

Pröll wusste: Ohne freie Medien gibt es keine Opposition. Und ohne Opposition gibt es keine Versuchung für Journalisten. So einfach war das.

Ab und zu hat "wer aus Wien" gestört. Pröll hat das ausgesessen, weil er seine Gegner kannte. Einige von ihnen machte er gefügig, andere drückte er weg. Den Rest ignorierte er erfolgreich.

»Einer der mächtigsten Männer Österreichs spürte die scharfen Fäden des Netzes. «

Einmal hatte Pröll einen Gegner, dem er nicht gewachsen war. Aus der Tiefe des Netzes kamen Gerüchte, die sich zu Kellergeschichten verdichteten. "Stimmt das, dass der Pröll ", fragten mich auch meine Nachbarn in der Obersteiermark. Einer der mächtigsten Männer Österreichs spürte die scharfen Fäden des Netzes. Aber er sah sie nicht und wusste nicht, wohin sie führten. Da war Pröll plötzlich ohnmächtig. Wenn jemand authentisch über die Hilflosigkeit gegenüber der Netzinfamie berichten kann, dann ist das Erwin Pröll.

Wie jeder Kaiser hat auch Pröll Erben gehabt. Ernst Strasser kennt niemand mehr. Wolfgang Sobotka ist im Innenministerium deponiert worden. Nur Johanna Mikl-Leitner hält noch Prölls Hof in St. Pölten.

Sie wird kein Pröll werden. Vielleicht geschieht sogar ein niederösterreichisches Wunder - und sie sieht das als Chance.

Was bleibt von Erwin Pröll? Ein paar Denkmäler, ein paar Straßennamen. Und eine Erinnerung an einen Mann, dessen Leben von einem bestimmt war: von der Schönheit der Macht.

Der Grüne Peter Pilz.
© Trend/ Ian Ehm

Zur Person
Peter Pilz wurde am 22. Jänner 1954 in Kapfenberg geboren. Der promovierte Volkswirt ist Gründungsmitglied der österreichischen Grünen und zog 1986 zum ersten Mal in den Nationalrat ein. Von 1991 bis 1999 war Pilz Landtagsabgeordneter in Wien, seither sitzt er wieder im Nationalrat. Pilz arbeitet seit Jahrzehnten als Aufdecker von Korruption und Missständen. Er leitete den Eurofighter-U-Ausschuss.

Kommentare

Oliver-Berg

Als ehemaliger NÖ-ler kann ich nur sagen, dass ich mit dem System Pröll in NÖ sehr schlechte Erfahrungen gesammelt habe. Korruption, Filz, Habererpartie, kein existierender Instanzenzug, Gängelei durch Förderungen, Baumafia, etc. Endlich ist er weg und kann sich um seine vielen Kinder mit Winzerköniginnen kümmern.

daphne5 melden

Was von Pröll noch bleibt: die wahrlich imposante Verschuldung des Landes (Stand 2015: EUR 7.970.000.000, eine Pro-Kopf-Verschuldung je Einwohner von EUR 4.886).

Testor melden

Richtig! Die größte Verschuldung eine Bundeslandes gleich nach Kärnten. Allerdings insgesamt 9.794.000 Euro, entsprechend 5.945 Euro/Kopf. (Standard, Do.19. Jänner 2017, Thema S. 4).

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