Tanzstunde für Elefanten

von
© Video: News.at
Christian Kern
© Trend Lukas Ilgner Auftrag

Guest Editor
Christian Kern
CEO, ÖBB-Holding AG

Können Elefanten tanzen?
Über die Möglichkeit und Unmöglichkeit, öffentliche Strukturen zu reformieren.




Es gilt als Inbegriff von modernem Unternehmergeist, Kreativität und Innovationsfähigkeit: das Iphone des US-Konzerns Apple. Nicht einmal zehn Jahre ist es her, dass die erste Generation des Smartphones auf den Markt kam. Sagenhafte 700 Millionen Stück hat Apple seitdem verkauft. "Designed in California" steht stolz auf dem eleganten Gehäuse jenes Geräts, das für viele Menschen aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken ist.

Doch die Herkunft aus dem viel gepriesenen Silicon Valley ist nur ein Teil der Erfolgsgeschichte. Der andere Teil, der weniger in den Vordergrund gekehrt wird, ist dafür überraschend: Vieles am Iphone gäbe es gar nicht, hätten nicht die öffentliche Hand und der vielfach als lahm, teuer und ineffizient gescholtene Staat ihre Finger im Spiel gehabt.

Mark Fliegauf von der deutschen Denkfabrik "Stiftung neue Verantwortung" zeigte vor einiger Zeit in einem Gastbeitrag in der "Süddeutschen Zeitung" auf, wo überall Apple draufsteht, ursprünglich aber der Staat drinsteckt: Das Iphone wäre zum Beispiel ohne seinen Multi-Touch-Bildschirm nur ein ganz normales Handy. Dieser wurde laut Fliegauf jedoch nicht von Apple entwickelt, sondern durch den Zukauf einer Firma namens Fingerworks erworben. Hinter Fingerworks standen ein Professor und ein Doktorand der Universität von Delaware, die jahrelang mit öffentlichen Förderungen geforscht hatten.

Als weiteres Beispiel nennt Fliegauf die Sprachverarbeitungssoftware des Iphones namens Siri -und ganz grundlegende Voraussetzungen wie GPS und das Internet, ohne die selbst das ausgefeilteste Smartphone nicht mehr wäre als eine tote Hülle.

All das hätte es ohne staatliche Hochtechnologieforschung nicht gegeben. Und an diese Facette des Iphones erinnert gleich zu Beginn des ersten "News Editorial Meetings" ÖBB-Chef Christian Kern. "Die wesentlichen Komponenten sind durch staatliche Förderungen entwickelt und auf den Weg gebracht worden", meint Kern.

Der ÖBB-Chef hat als "Guest Editor" das Thema der hochkarätig besetzten Diskussionsveranstaltung vorgegeben: "Können Elefanten tanzen?" Oder: "Wie kann der öffentliche Sektor zu Wachstum beitragen?" Neben dem Iphone fallen Kern noch weitere Beispiele einer gelungenen unternehmerischen Umsetzung staatlicher Impulse ein: der chinesische Technologiekonzern Huawei etwa, die Erdgasförderung mittels Fracking, die die USA einen großen Schritt näher in Richtung Energieunabhängigkeit gebracht hat, oder die Elektro-Luxusschlitten des Autoherstellers Tesla.

Kern hält freilich nichts davon, dass der Staat selbst zum Unternehmen werden soll. Er sieht die Rolle des Staates vielmehr darin, zu investieren, um Anstöße zu geben und Standards zu schaffen. Als Positivbeispiel aus seinem Bereich nennt Christian Kern die österreichische Bahnzulieferindustrie, die Hand in Hand mit den ÖBB internationale Exportschlager entwickeln würde, etwa die Weichentechnologie der Voest oder Produkte der Firmen Kapsch und Siemens.

Um den bestmöglichen Effekt zu erzielen, müsse sich der Staat einzelne Sektoren heraussuchen und dort dann ohne Kompromisse investieren, anstatt alles ein bisschen mit der sprichwörtlichen Gießkanne zu fördern, meint Kern. "Die öffentliche Hand braucht einen konsequenten Plan, wo man wirklich gut werden will", fasst der ÖBB-Chef seine Vorstellung vom effizienten und positiv wirkenden Staat zusammen.

"Es geht nicht darum, den Staat zum Unternehmen zu machen", meint auch Claudia Beermann, Finanzchefin der Falkensteiner Michaeler Tourism Group. "Es geht darum, sich auf das zu fokussieren, wofür man steht - was die Kernkompetenzen sind, um diese dann weiterzuentwickeln." Dieser Fokus sei beim Staat teilweise zu wenig vorhanden.

"Der Staat kann sehr effizient Impulse für Innovationen und neue Technologien setzen, das zeigen weltweit viele Beispiele", unterstreicht Sonja Hammerschmid, Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität und Präsidentin der Universitätenkonferenz. "Das braucht kreative und unternehmerisch denkende Köpfe in der Verwaltung und entsprechende finanzielle Mittel", meint Hammerschmid. Und das schaffe im Idealfall die Basis für neue Produktentwicklungen von Unternehmen.

Wie sieht es denn in der österreichischen Forschungslandschaft nun konkret aus? Laut jüngster Schätzung der Statistik Austria beliefen sich 2015 die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 10,1 Milliarden Euro. Von der öffentlichen Hand kam etwas mehr als ein Drittel. Den Großteil steuerten Unternehmen bei.

Geht es um Grundlagenforschung, also das, worauf viele Produktinnovationen in weiterer Folge aufbauen können, sieht das Kräfteverhältnis jedoch ganz anders aus. Laut jüngster Statistik-Vollerhebung aus dem Jahr 2013 flossen gerade einmal 19 Prozent der Forschungsausgaben in diesen Bereich. Und hiervon entfielen wiederum 70 Prozent auf den - großteils öffentlich finanzierten -Hochschulsektor und nur ein Viertel auf den Unternehmensbereich. Das unterstreicht die Bedeutung des Staates im Bereich der Grundlagenforschung.

Dass hier Unternehmen nicht stärker aufzeigen, liegt nicht zuletzt an der Kleinteiligkeit der österreichischen Wirtschaft.

Doch auch in deutlich größeren Ländern zeigt sich, wer wirklich den finanziellen Atem für langwierige Entwicklungsprojekte mit ungewissem Ausgang hat: "Die durchschnittliche Laufzeit eines Forschungsprojekts im Militärbereich in den USA beträgt zwölf Jahre", erläutert Harald Katzmair. Im zivilen Bereich seien es hingegen nur drei Jahre. Der Netzwerkforscher ist Gründer des Strategieberatungsunternehmens FASresearch, Universitätslektor und News-Kolumnist. Katzmair stellt in Anspielung auf das Motto des "Editorial Meetings" fest: "Es gibt Elefanten und Mäuse, und diese haben unterschiedliche Rollen." Die Frage sei, wie man zu einem guten Zusammenspiel komme. "Es gibt genug Beispiele für Elefanten, die tanzen", meint Harald Riener, Vorstand der Donau Versicherung. "Einige tanzen gerne und gut, andere nicht, da stellt sich die Frage nach dem Warum", bemerkt der Manager. Seine Antwort: Große Unternehmen müssten aus Selbstzweck und Überlebenstrieb tanzen lernen, sonst würden sie als Konsequenz aus dem Wettbewerb ausscheiden. "Diese Konsequenz gibt es in Bereichen der öffentlichen Hand naturgemäß nicht automatisch, wobei viele auch ohne diese Konsequenz Großartiges leisten."

Die Angst vor dem Untergang als Motivation? Journalist und "Zeit im Bild"-Moderator Tarek Leitner warnt davor, in Veränderungssituationen allzu viel mit der Gefahr des Verschwindens zu argumentieren. "Beharrungskräfte" bei den betroffenen Menschen würden dadurch umso größer. Peter Hanke, Geschäftsführer der Wien Holding, hält es für eine wichtige Managementaufgabe, "die Menschen mit dem Bild von Übermorgen zu konfrontieren". Wenn das gelänge, könne man Betroffene entsprechend motivieren, ist Hanke überzeugt.

"Wir leben in einer gefährlichen Zeit der Transformation", meint Erich Fenninger, Chef der Volkshilfe Österreich. "Aber die Zukunft ist in der Gegenwart angelegt. Demokratie muss Teilhabe ermöglichen, Politik wieder für die Mehrheit der Menschen da sein. Dann kann Veränderung gelingen."

"Ich glaube nicht, dass viele in den politischen Entscheidungspositionen ein klares Bild davon haben, wo sie mit Österreich hin wollen und was sie selbst dabei darstellen", konstatiert allerdings Neos-Chef Matthias Strolz. In der Politik sei dabei Leadership aufgrund des permanenten öffentlichen Drucks noch schwieriger als in der Wirtschaft, meint Lothar Lockl, Strategieberater und derzeit Wahlkampfmanager des Bundespräsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen, ehemals Chef der Grünen. "Es braucht eine Debatte über Visionen, wo Österreich hin will", sagt Lockl.

Wer ziemlich genau weiß, wo er hin will, ist Lorenz Edtmayer. Der 29-jährige Geschäftsführer der App-Entwicklungsfirma Tailored Media Group will ganz nach oben. In Österreich gebe es zu viel "Schwarzer-Schwan-Denken", beklagt Edtmayer. Man dürfe nicht immer nur die Probleme sehen. Das Silicon Valley habe zwar die erste Halbzeit des Digitalisierungszeitalters gewonnen, aber jetzt komme die zweite Halbzeit. Und da hätten europäische Unternehmen durchaus Potenzial. "Wir sehen nicht nur Risiken, sondern auch extreme Chancen", betont Edtmayer.

Wie man an die Spitze kommt, weiß kaum einer besser als Heinz Reitbauer, Chef des legendären Restaurants Steirereck. "Alles anders als alle anderen" lautet das Motto des vielfach prämierten Familienbetriebs. Ihren eigenen Weg geht jedenfalls Grande Dame Lotte Tobisch: "Ich glaube schon, dass Elefanten tanzen können", meint Tobisch. "Wenn man den Elefanten allerdings in einen Käfig sperrt und ihm Heu gibt, egal ob er sich anstrengt oder nicht, wird er nicht tanzen." Und wer sollte das besser wissen als eine ehemalige Opernball-Organisatorin?

TEILNEHMER
Sandra Christina Bauer Kommunikationschefin, Porr
Claudia Beermann Finanzchefin, Falkensteiner
Dragana Bilic Head of Marketing, News
Lorenz Edtmayer CEO, TMG GmbH
Erich Fenninger Direktor, Volkshilfe
Sonja Hammerschmid Präsidentin, Uniko
Peter Hanke Geschäftsführer, Wien Holding
Kristin Hanusch-Linser Kommunikationschefin, ÖBB
Martin Himmelbauer Kommunikationschef, Casinos
Maria In der Maur-Koenne Rechtsanwältin und Mediatorin
Harald Katzmair Direktor, FASresearch Christian Kern CEO, ÖBB-Holding AG
Wolfgang Kröll Anzeigenleitung, News
Tarek Leitner Journalist und "ZiB"-Moderator
Lothar Lockl Lothar Lockl Strategie GmbH
Stefan Melichar Stv. Ltg. Wirtschaft, News
Julia Ortner Stv. Chefredakteurin, News
Martin Radjaby-Rasset GF, Jung von Matt/Donau
Heinz Reitbauer Gastronom, Steirereck
Harald Riener Vorstand, Donau Versicherung
Rudi Roubinek Kabarettist und Autor
Andreas Schmidlechner Managing Director, McDonald's
Matthias Strolz Vorsitzender, Neos
Lotte Tobisch Kolumnistin und Autorin
Eva Weissenberger Chefredakteurin, News

Kommentare