Neues vom Salzburger Untergangsjodler

Die drohende Vertreibung Thielemanns von den Osterfestspielen dürfte den Ausstieg vieler zahlungskräftiger Förderer nach sich ziehen. Bachler soll derweil in Leipzig vorfühlen.

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Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Herauszufinden, wann mir zu einem Kulturthema zuletzt elf Leserbriefe zugegangen sind, bedürfte einer umfänglicheren Recherche. Um 1998 könnte das gewesen sein, als Claus Peymann über dieses Medium seinen Verzicht auf Vertragsverlängerung am Burgtheater bekannt gab. Der glatte Durchmarsch zu seiner Nachfolge, den daraufhin der amtierende Volksoperndirektor Klaus Bachler vollzog, hinterließ stärkeren Eindruck als dessen folgende Amtszeit. Und als sich Bachler heimlich um die Intendanz der Salzburger Festspiele bewarb und in dieser Sache die Ensemblevollversammlung der Burg belog, waren seine österreichischen Angelegenheiten so weit beschädigt, dass er sich alsbald an die Münchner Oper verabschiedete, wo er demnächst als frischer Jungsiebziger in den Ruhestand tritt.
Das wäre nun verjährt und unerheblich, hätte sich Bachler nicht vor Kurzem wieder in Richtung Salzburg aufgemacht und dort auch durch die Hintertür Eingang gefunden. Womit ich beim Anlass der elf Leserbriefe bin: Als designierter, wenn auch von niemandem benötigter Intendant der Salzburger Osterfestspiele arbeitet Bachler mit Verve daran, deren künstlerischen Leiter, Christian Thielemann, zu vertreiben. Dass sich der Weltdirigent Bachlers fortgesetzte Provokationen gefallen lassen könnte, ist auszuschließen. Also dürfte es mit der seit 2013 vorhaltenden Blüte des Festivals spätestens 2023 vorbei sein. Die Leserbriefschreiber wiederum teilen mit, dass sie sich in diesem Fall als Besucher, mehrfach auch als Mitglieder und Förderer der Osterfestspiele zurückziehen werden. Das bedeutet, dass dieses nach wie vor existenzsichernde Fundament des halbverstaatlichten Festivals porös zu werden beginnt, was einer Katastrophe gleichkäme.


Naive Menschen meinen nun, Bachler versuche, mit seinem dreisten Aktionismus bloß sein Intendantengehalt für zwei Opernvorstellungen und sechs Konzerte im Jahr zu rechtfertigen. Doch allmählich erhellen sich die Hintergründe: Bachler will offenbar die bei den Osterfestspielen krachend gescheiterten Berliner Philharmoniker zurückholen, deren Vertrag mit dem Festspielhaus Baden-Baden mangels Erfolgs an der Kippe steht. Warum das Bachler ein Anliegen ist? Erstens ist sein Intimus Kirill Petrenko neuer Chefdirigent der Berliner, zweitens ist der nicht zu Minderwertigkeitskomplexen neigende Thielemann der falsche Adressat für Bachlers Selbstdarstellungsdrang, der sich schon jetzt dahingehend äußert, dass Thielemann u. a. verboten werden soll, 2022 "Lohengrin" ins Programm zu rücken.


Da aber die Berliner Philharmoniker wesentlich teurer sind als die mit Thielemann in Salzburg verpflichtete Staatskapelle Dresden, soll Bachler vorsichtshalber auch beim Leipziger Gewandhausorchester und dessen Chefdirigenten Andris Nelsons vorstellig geworden sein: zweifellos wackere Künstler, für die allerdings niemand die österlichen Rekordpreise entrichten wird.


Rätselhaft war dabei immer, wie Bachler überhaupt in sein überzahltes, weil überflüssiges Amt gelangen konnte. Angeblich hat er den intellektuell nicht überausgestatteten Lokalpolitikern neue Sponsoren versprochen. Zusätzlich wird nun bekannt, dass sich Bachler an Personen aus dem einflussreichen Förderverein herangemacht hat. Dazu muss man die einzigartige Konsistenz der Salzburger Gesellschaft kennen: Hier können Parvenus auch renommierten Familien entstammen. Was sie dem drohenden Massenabgang ihrer Mitglieder entgegenzusetzen gedenken, wird noch interessant. Noch etwas? Ja, die Dresdner setzen sich sachte von ihrem Chefdirigenten Thielemann ab und biedern sich dem neuen Herrl an. Die Folgen durchschauen wohl nur sie selbst nicht: Bachler hat ihren Abgang schon beschlossen, und daheim in Dresden ist die Erde verbrannt.

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