Das ist die neue
Regierung in Italien

Populisten und Rechte bilden den Großteil der Minister

Der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella hat am Freitag die neue Regierung unter Ministerpräsident Giuseppe Conte vereidigt.

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Politik - Das ist die neue
Regierung in Italien

Der 53-jährige parteilose Rechtsprofessor Conte führt eine Regierung aus der rechten Lega und der populistischen Fünf Sterne-Bewegung an. Es handelt sich um das 65. Kabinett seit der Gründung der italienischen Republik. Auch unabhängige Experten gehören ihr an. Die neue Regierung ist nach wochenlangen hektischen Konsultationen entstanden. Ein erster Anlauf für eine Koalition der beiden Parteien war am Sonntag gescheitert, nachdem Mattarella die vorgelegte Ministerliste nicht akzeptiert hatte. Am Donnerstagabend erzielten die beiden Koalitionspartner dann erneut eine Einigung.

Die italienischen Minister unter Conte
© News.at/infogram.com

Der neuen Regierung treten sowohl Lega-Vorsitzender Matteo Salvini als auch Fünf Sterne-Chef Luigi Di Maio bei, was als Garantie für Stabilität des neuen Kabinetts bewertet wird. Der 45-jährige Salvini rückt zum Innenminister auf, während der 31-jährige Di Maio künftig ein eigens geschaffenes Ministerium leitet, das die Ressorts Arbeit und Industrie zusammenführt. "Ich gebe es zu, ich bin aufgeregt und glücklich", kommentierte Salvini, der bei der Angelobung einen Anzug mit grüner Krawatte, die Farben seiner Partei, trug. Di Maio twitterte ein Gruppenbild des neuen Kabinetts. "Hier ein Foto der Regierung des Wandels", so der Fünf Sterne-Chef. "Wir machen uns jetzt an die Arbeit, um Arbeitsplätze in Italien zu schaffen", fügte Di Maio hinzu.

Der Euro-Kritiker Paolo Savona, der von den Koalitionsparteien ursprünglich für dieses Ressort vorgesehen war, aber am Veto Mattarellas scheiterte, übernimmt das Ministerium für Europäische Angelegenheiten. Als Außenminister wurde Enzo Moavero Milanesi vereidigt, der unter anderem der Regierung des Sozialdemokraten Enrico Letta (2013-2014) angehört hatte.

Forza Italia kündigen Opposition an

Die konservative Forza Italia, Wahlverbündeter der Lega im Wahlkampf, und die Sozialdemokraten (PD), die als Wahlverlierer aus den Parlamentswahlen am 4. März hervorgegangen waren, kündigten ihre Opposition zur neuen europakritischen Regierung an. Die Rechtspartei "Brüder Italiens" (Fratelli d'Italia), die ebenfalls zum Wahlbündnis aus Lega und Forza Italia gehörte, will sich beim Vertrauensvotum der Stimme enthalten.

Sofort nach der Vertrauensabstimmung will die Regierung Conte ihre Arbeit aufnehmen. Prioritäres Ziel des Kabinetts ist es, an einem Budget für das nächste Jahr zu arbeiten, das im September vorgestellt werden muss, berichteten italienische Medien. Zudem will die Regierung ein neues Wahlgesetz verabschieden, das Italien stabilere Machtverhältnisse und die Entstehung klarer Koalitionen erleichtern soll. Das neue Kabinett will laut Lega und Fünf Sterne-Bewegung eine ganze fünfjährige Legislaturperiode im Sattel bleiben. Ob sie dazu solide genug sein wird und ob die ungleiche Allianz aus Lega und Fünf Sterne-Bewegung so lang hält, werden die nächsten Wochen bereits zeigen.

Sozialdemokraten: "Gefährliches Programm für Italien"

Kritische Reaktionen aus den Reihen der Sozialdemokraten begleiteten die Entstehung des neuen Kabinetts. "Das neue Kabinett ist ein rechtes Populistenkabinett mit einem gefährlichen Programm für Italien", so der Interimschef der PD-Partei Maurizio Martina. Als Mischung von "Extremismus und antieuropäische Politik" bezeichnete Martina die Strategie der beiden Parteien.

Der russische Präsident Wladimir Putin gratulierte dem neuen Premier Conte. Er äußerte in einem Schreiben die Hoffnung, dass Conte die "Entwicklung einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Italien und Russland" fördern werde. Die Regierung Conte will sich in Europa für eine Aufhebung der Russland-Sanktionen bemühen.

Kurz will neue Regierung an Taten messen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hält sich in seiner Reaktion auf die neue italienische Regierung an das bisherige "wording" seines Kabinetts: "Die neue Regierung ist an ihren Taten zu messen", erklärte Kurz am Freitag zur Angelobung des Koalitionskabinetts in Rom. Er hoffe auf eine gute Zusammenarbeit mit der neuen Regierung, und ergänzte, dass Österreich seine "besondere Verantwortung in Hinblick auf die Schutzfunktion für Südtirol weiterhin wahrnehmen" werde.

Fünf Sterne-Bewegung erstmals dabei

Die Fünf Sterne-Bewegung jubelt über die Entstehung der ersten Regierung mit ihrer Beteiligung in Italien. Die Gruppierung rief auf ihrem Blog die Anhänger auf, auf den Straßen die Regierungsbildung zu feiern. "Heute ist ein historischer Tag. Die Fünf Sterne-Bewegung regiert Italien", ist auf dem Blog der Bewegung zu lesen. Die Gruppierung appellierte an alle Aktivisten, sich am kommenden Samstag - Tag der Republik und Nationalfeiertag - an einer Demonstration der Bewegung in Rom zu beteiligen, um die Regierungsbildung zu feiern. "Wir werden die Kräfte sammeln, die wir brauchen, um Italien endlich zu ändern", hieß es.

Nervöse Investoren

Die Aussicht auf eine Regierung der Lega und der 5 Sterne hatte beim ersten Anlauf Investoren und Politiker nervös gemacht. In einer Koalition setzen die beiden Parteien auf höhere Staatsausgaben, obwohl sich in Italien ein Schuldenberg von mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung auftürmt. Auch die Euro-kritischen Stimmen in den beiden Parteien wie die von Savona haben für Unruhe gesorgt. Einer Umfrage zufolge steht dagegen eine deutliche Mehrheit der Italiener hinter der Währung: Demnach wollen 72 Prozent den Euro behalten.

Mattarellas Segen könnte die wochenlange Polit-Krise nun endlich lösen, die zuletzt an den Finanzmärkten Turbulenzen ausgelöst hatte. An der Börse wurden böse Erinnerungen an die Zeiten der Euro-Krise wach. Die Aussicht auf eine gewählte Regierung in Italien hatten bereits am Mittwoch für Beruhigung gesorgt - und das vor allem, weil damit wohl Neuwahlen noch in diesem Jahr vom Tisch wären. Doch auch das Regierungsprogramm der Parteien hatte die Märkte und die EU beunruhigt, planen doch die Populisten trotz des immensen Schuldenbergs des Landes Mehrausgaben etwa durch Steuersenkungen und die Einführung eines Grundeinkommens.

2,3 Billionen Euro Staatsschulden

In Italien belaufen sich die Staatsschulden in absoluten Zahlen auf fast 2,3 Billionen Euro. Das entspricht fast 132 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Bei der Wahl am 4. März hatte die Fünf-Sterne-Bewegung 32 Prozent bekommen, die Lega 17 Prozent. Di Maio war es, der sich nach dem Scheitern wieder auf die Lega zubewegt und einen Lösungsvorschlag gemacht hatte. Die beiden Parteien hatten gegen eine mögliche Übergangsregierung gewettert. Der Finanzexperte Carlo Cottarelli, der eigentlich die Technokratenregierung anführen sollte, gab sein Mandat zurück und machte damit den Weg für die Populisten-Allianz wieder frei.

Aufgrund des Kräfteverhältnisses ist eine Regierung aber vor allem im Sinne der Sterne. Salvinis Zustimmung war bis zuletzt ungewiss, da er angesichts von Stimmenzuwächsen von einer Neuwahl profitieren könnte. Dass es dazu kommt, ist nach Ansicht von Wolfgango Piccoli von der Denkfabrik Teneo ohnehin nur eine Frage der Zeit. "Die Haltbarkeitsdauer dieser Regierung wird wahrscheinlich begrenzt sein", was eine Neuwahl im Frühjahr 2019 wahrscheinlich mache.

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