Kritik an
Orban-Besuch in Wien

SPÖ fordert klare Worte gegenüber Orban. Neos warnen vor Populismus.

Anlässlich des morgigen Besuchs des ungarischen Premierministers Viktor Orbán in Wien übt die Opposition Kritik an einem der ersten Auslandsgäste der neuen Bundesregierung. Sie fordert auf, klare Worte zu finden und warnt auch vor Populismus.

von
Europapolitik - Kritik an
Orban-Besuch in Wien

Dass der nationalkonservative ungarische Ministerpräsident Viktor Orban einer der ersten Auslandsgästest der neuen Bundesregierung ist, haben am Montag die SPÖ und die NEOS kritisiert. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) empfängt Orban am morgigen Dienstag in Wien. Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) dürfte den Premier treffen, der international wegen antidemokratischer Tendenzen in der Kritik steht.

»Es braucht jetzt ein deutliches Zeichen für ein demokratisches Europa mit einem gemeinsamen europäischen Interesse.«

Der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder forderte von Kurz in einer Aussendung "eine Klarstellung über den Europakurs, den Österreich unter Schwarz-Blau einschlagen wird. Der ÖVP war es stets wichtig, sich als pro-europäisch darzustellen (...). Es braucht jetzt ein deutliches Zeichen für ein demokratisches Europa mit einem gemeinsamen europäischen Interesse." Österreich dürfe seine wichtige Rolle im pro-europäischen Lager nicht verspielen, und müsse gerade mit Blick auf die EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte "Flagge zeigen gegenüber undemokratischen und autoritären Tendenzen und Spaltungsfantasien in Europa".

»Wir halten die politischen Freundschaften von Kurz und Strache für höchst fragwürdig, wir halten sie für problematisch«

"Wir halten die politischen Freundschaften von Kurz und Strache für höchst fragwürdig, wir halten sie für problematisch", sagte NEOS-Parteichef Matthias Strolz auf einer Pressekonferenz in Wien. Orban sei ein "Proponent der illiberalen Demokratie". Es gebe aber keine illiberale Demokratie, sondern "es ist dann nicht mehr weit zum System Putin", verwies Strolz auf den russischen Präsidenten als "erweiterten Freund" Orbans. "Wir glauben, dass Europa nicht diese Straße nehmen soll."

Besuch mit "Symbolkraft"

So weit, dass man Orban überhaupt nicht mehr zu bilateralen Treffen einladen sollte, wollte Strolz nicht gehen: Natürlich solle man auch zu schwierigen Nachbarn Kontakt halten. Es gehe ihm aber um die "Symbolkraft" des ersten Besuches und nach dem Motto "Zeige mir deine Freunde und ich sage dir, wer du bist" um die Frage, wer das Vorbild der neuen Bundesregierung sei.

»Zeige mir deine Freunde und ich sage dir, wer du bist«

Als liberales und pro-europäisches Gegengewicht zu Orban in Ungarn stellte Strolz Andras Fekete-Györ von der liberalen Bewegung Momentum vor. Man wolle als Vertretung der nach 1989 geborenen Generation bei der Wahl in Ungarn am 8. April ins Parlament einziehen, wie Fekete-Györ sagte. Momentum hatte vor einem Jahr genügend Unterschriften gesammelt, um eine Volksabstimmung über eine von Orban ausgegangene Bewerbung Budapests für die Austragung der Olympischen Spiele 2024 herbeizuführen. Die Bewerbung wurde angesichts eines Volksentscheids daraufhin zurückgezogen.

Warnung an Kurz: "Orban auch als junger Playboy angefangen"

"Wir müssen in einem ganz, ganz schwierigen politische Klima Politik machen", so Fekete-Györ. Orban beschrieb er als "Autokraten" und "ganz schwachen Menschen, der kein Selbstvertrauen hat". Nicht umsonst unterhalte er Propagandamedien, greife täglich die Zivilgesellschaft und der politischen Diskussion ausweiche. Er warnte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) davor, den Weg Orbans, der "auch als liberaler, junger Playboy angefangen" habe, zu nehmen; leider gebe es aber dahin gehend "sehr negative Zeichen".

»Orbans Ungarn muss uns ein abschreckendes Beispiel dafür sein, was passieren kann, wenn Rechtskonservative Politik machen. Orban steht für ein Europa der Mauern und Zäune.«

Auch die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, Julia Herr, kritisierte die Botschaft, die Kurz mit Orban als erstem Auslandsgast sende und warnte vor autoritärer Politik: Orban habe "die Entdemokratisierung Ungarns zu seinem Projekt gemacht", erklärte sie in einer Aussendung. "Orbans Ungarn muss uns ein abschreckendes Beispiel dafür sein, was passieren kann, wenn Rechtskonservative Politik machen. Orban steht für ein Europa der Mauern und Zäune, in dem Flüchtlinge eingesperrt und misshandelt werden. Mit rassistischen Kampagnen lenken Orban und seine Fidesz-Partei von einer Politik des Sozial- und Demokratieabbaus ab."

Umstrittene Regierungsvorgehen

Orbans rechtsnationale Regierung geriet immer wieder wegen umstrittener Verfassungsreformen, Mediengesetze, des Hochschulgesetzes, Vorgehens gegen ausländische Unternehmen oder der rigiden Flüchtlingspolitik in Konflikt mit der EU, wobei sich auch Kurz beim letzten Thema für einen rigiden Kurs mit dem Hauptfokus auf den Schutz der Außengrenzen einsetzt.

Uneinig sind sich Österreich und Ungarn aber bei der von der Bundesregierung geplanten Anpassung der Familienbeihilfe für Kinder im EU-Ausland an die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Land. Für Ungarn, die in Österreich arbeiten und deren Kindern in Ungarn leben, würde das eine Kürzung bedeuten. Ungarn ist von der geplanten Maßnahme ökonomisch am meisten betroffen. 2016 betrug die österreichische Familienbeihilfe für die fast 39.000 betroffenen Kinder rund 80 Mio. Euro. Auch Fekete-Györ zeigte sich "nicht einverstanden" mit der Maßnahme.

Konfliktthema Atomkraft

Zweites aktuelles Konfliktthema ist die Atomkraft, wo Wien nun rechtlich gegen die ungarischen Ausbaupläne des AKW Paks vorgehen will. Zunächst war keine gemeinsame Pressekonferenz von Kurz und Orban morgen vorgesehen, nun soll es zumindest "Pressestatements" um 14.30 Uhr geben. Der Sprecher von Vizekanzler Strache, Martin Glier, wollte am Montagnachmittag der APA weder bestätigen noch dementieren, dass auch Strache Orban trifft. In der Vorwoche hatte Glier das Treffen der APA noch bestätigt. Allerdings verlautete am Montag aus informierten Kreisen gegenüber der APA, dass es ein Treffen des FPÖ-Chefs mit dem ungarischen Regierungschef am morgigen Dienstagnachmittag geben wird.

In einem TV-Duell vor der Nationalratswahl hatten sich Kurz und Strache gleichsam darum gestritten, wer das bessere Verhältnis zu Orban habe. Kurz hatte die "Schließung der Balkanroute" für Flüchtlinge stets für sich in Anspruch genommen. Strache meinte bei der Fernsehkonfrontation, nicht Kurz sondern Orban habe dies durch seine "Außengrenzsicherung" bewirkt. Kurz konterte: "Sie streben ein Regierungsamt an, da sollten sie es genauer nehmen mit den Fakten, damit Sie sich auf europäischer Ebene nicht lächerlich machen." Oder als sich Strache seines guten Einvernehmens mit Orban rühmte, entgegnete Kurz: "Der gibt ihnen nicht einmal einen Termin, Herr Strache." Nachsatz: "Ich kann ihnen helfen, dass sie einen Termin bekommen."

Experte: Empfang in Wien hilft Orban im Wahlkampf

Der Empfang durch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Wien hilft dem ungarischen Ministerpräsident Viktor Orban im Wahlkampf. Dies betonte der Budapester Politikwissenschafter Zoltan Kiszelly am Montag im APA-Gespräch. Der Wien-Besuch zeige nämlich, dass Orbans Vorschläge in Westeuropa gehört würden. Orban wiederum helfe Kurz, indem er sich hinter dessen restriktive Flüchtlingspolitik stelle.

Österreichs Stimme werde in Europa gehört, während Ungarn derzeit als "schwarzes Schaf" gelte, betonte der Politikwissenschafter. Orban wolle diese Stärke Österreichs nutzen, während Kurz "als junger Shootingstar zeigen möchte, dass er mit dem erfahrenen Orban auf Augenhöhe ist".

»Orban will die Stärke Österreichs nutzen, während Kurz als junger Shootingstar zeigen möchte, dass er mit dem erfahrenen Orban auf Augenhöhe ist«

Nicht überrascht ist Kiszelly von der zurückhaltenden Kommunikationspolitik rund um den Wien-Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten, der sich bei der Parlamentswahl im April um eine dritte Amtszeit bewirbt. Erst am heutigen Montag wurde kurzfristig mitgeteilt, dass Kurz und Orban nach ihrem Treffen am Dienstag Pressestatements abgeben werden. Fragen sollen keine zugelassen werden. Kiszelly sagte, dass für beide Seiten Konsensthemen wichtig seien und Medien eher an Streitthemen interessiert seien. Deswegen soll die Presse keine Möglichkeit erhalten, "die Streitthemen hervorzuheben und die Konsensthemen herunterzuspielen."


Kommentare