Nein, die Pressefreiheit ist nicht in Gefahr

Ein internationales Ranking versetzte Medien und Politiker in Österreich in Aufregung. Dabei muss man die intransparenten Geheimmethoden des Berichts nicht ernst nehmen.

von Leitartikel - Nein, die Pressefreiheit ist nicht in Gefahr © Bild: Ricardo Herrgott/News

Journalismus und Medien in Österreich haben ein Problem. So lautet das Urteil des aktuellsten Pressefreiheitsrankings. Darin ist von einem "katastrophalen Absturz" die Rede. Von Rang 14 auf 31. Hinter Trinidad und Tobago (25.). Hinter Namibia (18.). Was aber, wenn nun nicht das Ergebnis, sondern der Bericht und die Alarmberichte darüber das Problem sind?

Die 1985 in Frankreich gegründete NGO Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontières, kurz: RSF) ist in der öffentlichen Darstellung das, was Amnesty International für an Grundrechten interessierte Personen oder die Caritas für sozial engagierte Menschen darstellt: eine Instanz. Ebendiese Instanz gibt mit dem jährlichen Ranking zur Pressefreiheit einen Bericht heraus, der den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird. Und dem in Österreich eine Bedeutung beigemessen wird, die dieser nicht verdient.

Wie der Bericht nämlich zu seinem Ergebnis kommt, ist geheim. Die Methodik-Hinweise von RSF lesen sich zwar bedeutend, sind aber vage. Und fragt man nach, dann bekommt man Antworten ohne Inhalt. Wer wissen will, wie viele Experten in welchen Ländern Wertungsfragebögen bekamen, wie hoch der Rücklauf war und nach welchen Kriterien die Befragten überhaupt ausgesucht wurden, wird "aus Sicherheitsgründen" vertröstet: kein Kommentar. Eine Taktik, mit der auch der Staat Transparenz verweigert. Und dafür von RSF regelmäßig kritisiert wird.

»Der Bericht von Reporter ohne Grenzen wird eigenen Ansprüchen nicht gerecht«

Ähnliche Täuschmanöver erlebt, wer nach den Quellen für die behaupteten Übergriffe auf Journalisten fragt. Und wissen will, ob und wie diese auf Richtigkeit überprüft wurden. Nun ja, heißt es dann, da gebe es Plattformen im Internet, auf denen Journalisten die Übergriffe selbst einmelden könnten. Und wie man diese prüfe, da könne man dem Urteil von RSF schon vertrauen. "Wir wissen sehr genau, wie man Quellen auf Echtheit überprüft." Transparent macht es die Organisation trotzdem nicht. Dennoch betont RSF, dass die gewählte Methodik nur dazu diene, die "wissenschaftliche Glaubwürdigkeit des Rankings zu erhöhen". Immerhin, so die Organisation, beriefen sich OECD und EU regelmäßig darauf.

Kritische Zuhörer würden genau hier eigentlich anfügen: Nach den Methoden von RSF hat sich bisher offenbar noch keine der genannten Institutionen erkundigt.

Apropos Wissenschaft: Präsident von RSF Österreich ist der Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell, seine Stellvertreter mehrere prominente Journalisten. Das allein reichte, dass es der Bericht unter alarmistischen Überschriften in fast alle großen Medien schaffte. Verbunden mit der Forderung nach mehr Geld vom Staat, mehr Presseförderung. Sogar der Bundespräsident würdigte das Ranking: Es müsse uns "eine Warnung sein".

Alexander Van der Bellen hat, auch wenn er es wohl anders meinte, Recht: Ein Ranking, das Schneeballwürfe bei Covid-Demos so gewichtet, dass Länder, in denen Journalisten ermordet werden (Niederlande, Slowakei), noch vor Österreich in der Liste stehen - das sollte jedem, der es ohne Distanz veröffentlicht, tatsächlich eine Warnung sein. Aus Respekt jenen Ländern gegenüber, wo Pressefreiheit und Demokratie tatsächlich auf der Kippe stehen.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir: wetz.andreas@news.at