Streit ÖVP vs. Stadt Wien geht weiter

Integrationsministerin Raab legt nach und spricht von "signifikant vielen Fällen" in städtischen Flüchtlingsheimen

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat am Dienstagabend noch einmal sein "Angebot" an die Stadt Wien erneuert, Contact Tracing mit Hilfe der Polizei durchzuführen, um Infektionsketten zu durchbrechen. "Mein Angebot steht", sagte er in der ORF-"ZiB2". Auch seine Kollegin, Integrationsministerin Susanne Raab legte im Politstreit zwischen der ÖVP und der Stadt Wien nach.

von
THEMEN:

Alle aktuellen Infos zur Corona-Krise lesen Sie hier

Auch Integrationsministerin Susanne Raab legte im Politstrit zwischen der ÖVP und der Stadt Wien heute nach: Vor dem Ministerrat ortete sie "signifikant viele Fälle in Flüchtlingsheimen der Stadt Wien" und bot an, die Stadt mit Angeboten des Integrationsfonds zu unterstützen. Repräsentanten Wiens hatten die Kritik zuvor zurückgewiesen.

Man wisse nicht genau wie viele, es gehe aber um "zumindest ein Dutzend Flüchtlinge" in den Heimen der Stadt, so Raab. Man wisse auch von Quarantänebescheiden, trotzdem sei das Virus in andere Lebensbereiche getragen worden. Die Ministerin ortete hier ein "klares Informationsdefizit", für das sie die Stadt verantwortlich machte. Hier könne mit Materialien in 17 Sprachen oder Dolmetschern helfen. Auch bei der Überwachung der Quarantäne könne man Unterstützung bieten, verwies sie auf Nehammers "Angebot".

Konflikt laut Raab nicht Wahlkampf begründet

Dass der Konflikt im Wien-Wahlkampf begründet sei, wies sie zurück. "Wir sind sehr wohl in einem Kampf, nicht im Wahlkampf, sondern im Kampf gegen das Virus." Den Eindruck, dass sie sich mit ihren Aussagen allzu nah in Richtung des Wiener FPÖ-Chefs Dominik Nepp begeben könnte, der Anfang Mai von einem "Asylantenvirus" gesprochen hatte, ließ Raab auf Nachfrage nicht gelten. Es gebe signifikant viele Fälle in einem bestimmten Bereich, nämlich in Flüchtlingsunterkünften, und da müsse man für das Containment zusammenarbeiten.

Fiesel: "Spin ist grauslich"

Auf Raabs Aussagen meldete sich eine gewichtige Stimme der Grünen kritisch zu Wort. Thimo Fiesel, bis vor kurzem Generalsekretär des kleinen Koalitionspartners auf Bundesebene, ließ am Mittwoch via Twitter kein gutes Haar an der Wortmeldung von Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP). "Wahlkampf hin oder her, aber der Spin 'viele Neuinfizierte in Wiener Flüchtlingsheimen' von @susanneraab_at im Mittagsjournal ist grauslich, weil er Menschen stigmatisiert", meinte Fiesel, der Ende April aus seinem Amt ausgeschieden war.

Hebein: "Nehammer weit übers Ziel hinausgeschossen"

Die in den vergangenen Tagen vor allem von Nehammer geäußerte Kritik an Wien hatte zuvor schon die grüne Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein auf den Plan gerufen, die sich in einer Koalition mit der SPÖ befindet. "Nehammer ist weit übers Ziel hinausgeschossen", meinte sie im "Kurier" zu den Ermahnungen des Innenministers: "Ich lehne jede Form von Wien-Bashing ab." Fünf Monate Wien-Wahlkampf seien mitten in der Krise fehl am Platz.

Czernohorszky: "Völlig unzulässig"

Ähnlich argumentierte am Mittwoch Wiens Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ): Politiker hätten die Aufgabe, für die Bevölkerung das Beste aus der aktuellen Situation zu machen. "Da hilft es nichts, wenn man das als Wahlkampfbühne nutzt und ich finde schon, das hat der Herr Innenminister gemacht. Das ist aus meiner Sicht völlig unzulässig in dieser Situation."

Es sei völlig richtig, dass sich in der derzeitigen Lage die Länder-, Gemeinde und Bundesebene bestmöglich koordinieren und bestmöglich miteinander arbeiten müssen. "Wir tun das intensiv untereinander in den Bundesländern und wir tun das auch mit der Bundesregierung." Es gebe eine "großartige und eine enge Zusammenarbeit" mit dem zuständigen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), der das ja auch selbst in den vergangenen Tagen immer wieder hervorgehoben habe. "Ich glaube, das hilft schon ein bisschen beim Einordnen von dem, was Nehammer gemacht hat", so Czernohorszky.

Kogler teilt ÖVP-Meinung nicht

Die Alarmrufe der ÖVP-Ministerriege über das Corona-Containment in Wien werden vom grünen Koalitionspartner nicht geteilt. Vizekanzler Werner Kogler meinte im Pressefoyer nach dem Ministerrat: "Ich sehe da jetzt keine Besonderheiten oder schlimme Dinge." Bei der ÖVP sah man das erneut anders. Kogler betonte, dass Wien als Ballungsraum von vornherein eine andere Situation habe, als andere Bundesländer. Aus dem Gesundheitsministerium wisse er, dass man dort davon ausgehe, dass in allen Ländern die bestmögliche Variante des Containment verfolgt werde.

Schramböck: Nehammer hat "sicher Finger auf richtige Wunde gelegt"

Ganz anders positionierte sich Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, die im Pressefoyer direkt neben Kogler stand. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) habe "sicher den Finger auf die richtige Wunde gelegt". Das Containment der Coronainfektionen sei für die Wirtschaft absolut wichtig, und sie sehe nicht ein, dass diese und die damit verbundenen Arbeitsplätze gefährdet würden. "Wir können uns einen zweiten Lockdown nicht leisten. Das trifft auf alle Bundesländer zu. Auf Wien ganz besonders", meinte die Wirtschaftsministerin.

Blümel zurückhaltend

Auffällig zurückhaltend blieb Finanzminister Gernot Blümel, als Wiener ÖVP-Chef direkt in den Urnengang in der Bundeshauptstadt im Herbst involviert. Man müsse gemeinsam daran arbeiten, die Ausbreitung des Virus zu verhindern, meinte er nur.

Rendi-Wagner: "Grundsätzlich abzulehnen, was die ÖVP hier macht"

Abseits des Ministerrats meldete sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zu Wort. "Es ist grundsätzlich abzulehnen, was die ÖVP hier macht", sagte sie bei einer Pressekonferenz auf Journalistennachfrage. Hier mache die Volkspartei "Stimmenfang auf Wiener Ebene, auf Kosten der Gesundheit". "Das ist zutiefst beschämend und inakzeptabel."

Rendi Wagner lobte die Arbeit des Gesundheitsministerium und der Stadt Wien in der Coronakrise. "Was den inhaltlichen Teil des Schlagabtausches betrifft, bin ich aufseiten des Gesundheitsministeriums". Es gebe "eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Stadt Wien".

Kritik übte die SPÖ-Chefin an der inhaltlichen Einmischung des Innenministers. "Ich sehe, was die Infektionskontrolle betrifft, keine fachliche Zuständigkeit beim Innenminister. Die ist ausschließlich beim Gesundheitsministerium." Nehammer hatte Menschen, die sich nicht an die Corona-Regeln halten, in der Vergangenheit als "Lebensgefährder" bezeichnet. "Der Innenminister muss aufpassen, nicht mehr ernst genommen zu werden", sagte Rendi-Wagner im Hinblick auf den Besuch von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Kleinwalsertal Mitte Mai. Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) und Kurz hätten sich damals nicht an die Abstandregeln gehalten, kritisierte die SPÖ-Chefin.