Warum Vergleiche mit Nazis
und Hitler so beliebt sind

Von Erdogan bis Trump - zahlreiche Persönlichkeiten haben es bereits getan

Jüngst warf der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Niederlanden und Deutschland "Nazi-Methoden" vor und erregte damit die Gemüter. Mit seinem Sager steht der Präsident nicht alleine da. Vor ihm haben sich bereits etliche andere Politiker eines Nazi-Vergleichs bedient. Doch warum tauchen diese Analogien immer wieder auf?

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Phänomen - Warum Vergleiche mit Nazis
und Hitler so beliebt sind

Gerade in letzter Zeit scheinen Vergleiche mit der Zeit des Nationalsozialismus populär geworden zu sein. Vor Erdogan twitterte sich Trump im Jänner seine Wut von der Seele. In Zusammenhang mit einem über ihn angelegten Geheimdossier stellte er die Frage: "Leben wir in Nazi-Deutschland?"

Im Juni des Vorjahres prangte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in NS-Uniform und mit Hitler-Bart von der türkischen Zeitung "Sözcü". Das Thema der fast schon inflationär gebrauchten Nazi-Vergleiche hat schließlich auch das deutsche Satire-Magazin "Titanic" aufgegriffen und einen "Hitlervergleichsgenerator" entwickelt. Auf der Website des Magazins heißt es: "Türken-Hitler Recep Tayyip Erdoğan unterstellt deutschen Kommunen Nazimethoden – aber stimmt ihm die offizielle Führerpartei AfD zu oder nicht? Niemand blickt mehr durch. Titanic hilft und hat einen hochkomplexen Algorithmus entwickelt, der Ihnen zuverlässig Auskunft darüber gibt, warum eine Person oder Sache wie Hitler ist."

Erklärungsversuche

Nazi-Vergleiche sind also ein durchaus beliebtes - wenn auch unangebrachtes - Mittel in der politischen Rhetorik. Aber weshalb ist das so? Die "BBC" verwies dazu in einem Bericht auf die Erklärung der jüdischen US-Nichtregierungsorganisation "Anti-Defamation League (ADL)" vom März 2016, die besagt: Die Analogie "ist in unzähligen Diskussionen der öffentlichen Politik aufgetaucht, weil es das am leichtesten zugängliche historische Ereignis ist, das richtig versus falsch veranschaulicht." 2016 gingen die Wogen im US-Wahlkampf gerade hoch. Trump wurde mehrmals mit Hitler verglichen. Die Organisation warnte daher: Unangebrachte Vergleiche trivialisieren den Holocaust. Egal wie gerecht die Sache erscheinen mag, es sei falsch Vergleiche mit dem Holocaust zu ziehen, schrieb ADL-Chef Jonathan Greenblatt. Schon gar nicht sollte dieses tragische Ereignis dazu verwendet werden, um politisch zu punkten.

Einen weiteren Erklärungsversuch liefert der Erfinder des sogenannten "Godwin’s law" (zu dt.: Godwins Gesetz). Der Begriff wurde von dem Rechtsanwalt und Buchautor Mike Godwin im Jahr 1990 geprägt. Nach dem "Godwin’s law" nähert sich mit zunehmender Dauer einer längeren Diskussion die Wahrscheinlichkeit, dass jemand einen Nazi- oder Hitler-Vergleich einbringt, dem Wert Eins an. Wobei das Ganze nicht wissenschaftlich, sondern ironisch zu betrachten ist.

In einem Artikel in der "Washington Post" vom Dezember 2015 schrieb Godwin über sein Gesetz: "Ich wollte damit aufzeigen, dass die meisten Menschen, die Nazis in eine Debatte einbringen (...) nicht wohlüberlegt und unabhängig sind. Vielmehr handeln sie genauso vorhersagbar und unbewusst, wie ein Stück Holz, das den Hügel hinunter rollt."

Seiner Meinung nach wird der Vergleich auch deshalb so oft unbedacht benutzt, weil es immer noch Fakt sei, dass die Bezeichnung Hitler oder Nazi das schlimmste sei, das man seinem Gegner an den Kopf werfen könne.
Zwar hat "Godwin’s law" nicht bewirkt, dass weniger Analogien dieser Art im Internet kursieren, aber der Autor des ironischen Gesetzes hofft, dass es zumindest den ein oder anderen zum Nachdenken bringt.

Vergangene Nazi-Vergleiche

Vor allem im Internet kursieren heutzutage jede Menge an Nazi-Vergleichen. Immer wieder wurden die Slogans jedoch auch von Politikern, Institutionen oder Persönlichkeiten genutzt - im Folgenden ein Auszug von Analogien der letzten Jahre:

März 2017: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zieht Nazi-Vergleiche in Bezug auf Deutschland und die Niederlande: Den deutschen Behörden wirft er vor: "Eure Methoden unterscheiden sich nicht von den früheren Nazi-Methoden." Zuvor wurden in einigen Gemeinden Reden seiner Minister aufgrund von Sicherheitsbedenken untersagt.
Die Niederlande seien "Nazi-Relikte und Faschisten".

Jänner 2017:Auch US-Präsident Donald Trump scheut sich ebenfalls nicht vor Nazi-Vergleichen. Den Geheimdiensten wirft er Nazi-Methoden vor, weil ein russisches Geheimdossier über ihn an die Öffentlichkeit gelangt ist.

Trump wurde seinerseits wiederum mit Hitler verglichen: Die Stiefschwester von Anne Frank, Eva Schloss, hat den Holocaust überlebt und äußerte sich im Jänner 2016 zu dem damaligen US-Präsidentschaftskandidaten: "Ich denke, er benimmt sich wie ein weiterer Hitler, indem er Rassismus schürt."

Juni 2016: Die türkische Zeitung "Sözcü" stellte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor einer Hakenkreuzfahne mit Hitlerbart und Nazi-Uniform dar - als Antwort auf die Völkermord-Resolution zu den Massakern an den Armeniern.

Mai 2016: Vor dem britischen EU-Referendum zum Brexit zog Austrittsbefürworter Boris Johnson einen Nazi-Vergleich: "Wenn Monsieur Hollande jedem, der fliehen will, Prügelstrafen auferlegen will in der Art eines bestimmten Zweiten-Weltkrieg-Films, denke ich, ist das nicht der Weg vorwärts."

Jänner 2015: Der texanische Kongressabgeordneter Randy Weber hat das Fehlen von Barack Obama bei der "Charlie Hebdo"-Kundgebung mit diesen Worten auf Twitter kommentiert: "Sogar Adolph Hitler dachte, es ist wichtiger nach Paris zu kommen als Obama. (Aus den falschen Gründen.) Obama hat es trotz guter Gründe nicht getan."

Mai 2014: Eine Äußerung von Prinz Charles regte 2014 auf: Der britische Thronfolger kritisierte Putins Vorgehen im Ukraine-Konflikt mit den Worten: "Und jetzt tut Putin fast dasselbe wie Hitler."

März 2009: Im Zuge des Steuerstreits zwischen Deutschland und der Schweiz sagte der Schweizer Abgeordnete Thomas Müller in Richtung des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück: "Er erinnert mich an jene Generation von Deutschen, die vor sechzig Jahren mit Ledermantel, Stiefel und Armbinde durch die Gassen gegangen sind."

Mai 2008: Der damalige US-Präsident George W. Bush lehnte Barack Obamas Friedenspolitik gegenüber dem Iran vehement ab. Er verglich Obama mit Politikern, die während der NS-Zeit für einen Dialog mit Adolf Hitler plädiert hätten.

Mai 2008: Venezuelas ehemaliger Präsident Hugo Chávez sagte einst über Merkel, sie gehöre den Rechten an: "Derselben Rechten, die Hitler, die den Faschismus unterstützt hat."

Juli 2003: Italiens damaliger Ministerpräsident Silvio Berlusconi sagte nach Kritik des deutschen Politikers Martin Schulz : "Herr Schulz, ich weiß, dass ein Produzent in Italien gerade einen Film über die Konzentrationslager der Nazis dreht. Ich werde Sie für die Rolle des Kapo vorschlagen. Sie wären perfekt."

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