Nationalrat: Bunte Koalitionen
für Beschlüsse in letzter Minute?

Was wechselnde Allianzen in der letzten Sitzung noch alles beschließen könnten

Heute tritt ein letztes Mal vor der Wahl der alte Nationalrat zusammen. Da sich SPÖ und ÖVP an die Koalition nicht mehr gebunden fühlen, dürften sich dabei auch Mehrheiten gegen die Regierungsparteien – vor allem die ÖVP – finden. Finanzminister Schelling warnte vor teuren "Wahlzuckerln", das Schicksal vieler Anträge war bis zuletzt noch offen.

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NR-Wahl - Nationalrat: Bunte Koalitionen
für Beschlüsse in letzter Minute?

Die gewohnten Spielregeln des österreichischen Parlaments gelten heute nicht, die letzte Nationalratssitzung vor der Wahl am Sonntag wird auf ein "freies Spiel der Kräfte" hinauslaufen. Während SPÖ und ÖVP bei aufrechter Koalition mit ihrer satten Mehrheit nur jene Anträge durchbrachten, über die sie sich zuvor geeinigt hatten, und der Koalitionspakt Beschlüsse gegen den "Partner" verbot, sehen sich mittlerweile beide Parteien nicht mehr daran gebunden. Das macht den Weg frei für neue Mehrheiten mit einzelnen Oppositionsparteien, auch gegen den Willen des Noch-Koalitionspartners. Insbesondere die ÖVP könnte heute mehrmals überstimmt werden.

ÖVP-Finanzminister Hans-Jörg Schelling warnte daher vor teuren Wahlzuckerln und erinnerte an das Jahr 2008, als in einer einzigen Sitzung vier Tage vor der Wahl mehrere Milliarden Euro ausgegeben wurden. Unter anderem wurden die Studiengebühren abgeschafft, Familienbeihilfe und Pflegegeld erhöht und die Hacklerregelung verlängert. Auch die heutige Sitzung wird ein sehr dichtes Programm haben, es gab im Vorfeld zahlreiche Fristsetzungsanträge. Doch nicht bei allen Anträgen ist absehbar, ob sie durchgehen – und es könnten noch weitere dazukommen. Was die Parteien heute beschließen wollen:

Schuldenbremse

Der einzige Last-Minute-Antrag, den Finanzminister Schelling ausdrücklich unterstützt, wäre eine Schuldenbremse in der Verfassung. Beim entsprechenden Fristsetzungsantrag dafür in der vorletzten Nationalratssitzung stimmte die ÖVP gemeinsam mit FPÖ und Neos erstmals in dieser Periode gegen den Koalitionspartner SPÖ. Zusammen verfügen die drei Parteien zwar über eine Mehrheit, nicht aber über die für Verfassungsänderungen nötige Zwei-Drittel-Mehrheit. SPÖ und Grüne sind klar gegen eine Schuldbremse, weshalb der Beschluss wohl nicht zustande kommen wird.

Mietvertragsgebühr

Derzeit ist beim Abschluss eines Mietvertrages eine Gebühr in Höhe von einem Prozent der dreifachen Jahresmiete zu entrichten. In praktisch allen Mietverträgen wird diese Gebühr zur Gänze dem Mieter aufgebrummt. Bei einer Monatsmiete von 700 Euro geht es also um etwa 250 Euro. Ein Antrag der FPÖ, die Gebühr abzuschaffen, hat gute Chancen, den Nationalrat mit großer Mehrheit zu passieren. Im Finanzausschuss stimmten bereits SPÖ und Neos zu, im Plenum kündigen auch die Grünen ein "Ja" an. Nur die ÖVP scheint nicht überzeugt. Geschätzte Kosten: Knapp 70 Millionen Euro.

Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten

Es war ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der sich in seinem Wirtschaftsprogramm für die rechtliche Gleichstellung Arbeitern und Angestellten aussprach. Heute wird es aber ein entsprechender Antrag der SPÖ sein, mit dem sich der Nationalrat befasst, und die ÖVP wirkt nicht gerade glücklich damit. Unterschiede gibt es nach wie vor etwa bei der Kündigungsfrist (für Angestellte mindestens sechs Wochen) und bei der Entgeltfortzahlung (bei Angestellten auch bei Verhinderung aus persönlichen Gründen). Der ÖVP-Wirtschaftsflügel spricht aber von Kosten von über 100 Millionen Euro und einer massiven Mehrbelastung der Betriebe. Ob die ÖVP mitstimmt, war daher bis zuletzt unklar. Die SPÖ könnte aber auch hier einen Kompromiss samt Übergangsfristen mit FPÖ und Grünen durchsetzen.

Bankomatbehebung
© Shutterstock.com/cozyta Die SPÖ will Bankomatgebühren einen Riegel vorschieben

Bankomatgebühren

Derzeit hebt in Österreich nur ein einziger Bankomatenbetreiber, der US-Anbieter Euronet, Gebühren für das Geldabheben ein. Vor allem die SPÖ befürchtet aber, dass sich auch Banken in Zukunft damit ein "Körberlgeld" verdienen könnten, und will dem gesetzlich einen Riegel vorschieben. Nach dem zuerst angedachten Totalverbot wurde nun ein Kompromiss vorgelegt: Bankomatgebühren werden nicht verboten, Banken müssen den Kunden aber auch eine Pauschale anbieten, das alle Gebühren abdeckt. Und sie müssen die Kosten übernehmen, wenn ein fremder Anbieter (wie Euronet) Gebühren verlangt. FPÖ und Grüne wollen dem zustimmen, die ÖVP ist dagegen.

Pensionserhöhung

Spannend werden könnte es auch bei der eigentlich schon ausverhandelten Pensionserhöhung für 2018. Denn am Mittwoch wurde bekannt, dass die ÖVP das geplante Kompromissmodell noch einmal "korrigieren" will: Mit einer Erhöhung auch für sehr hohe Pensionen. Bisher war vorgesehen, dass Pensionen bis 1.500 Euro um 2,2 Prozent erhöht werden, Pensionen zwischen 1.500 und 2.000 Euro um einen Fixbetrag von 33 Euro und jene zwischen 2.000 und 3.355 um die Inflationsrate von 1,6 Prozent. Darüber hinaus sollte der Prozentsatz linear absinken, ab 4.980 Euro sollte es gar keine Erhöhung mehr geben. Der zuletzt von der ÖVP an die SPÖ sah aber auch darüber eine Fix-Erhöhung von 53 Euro vor. Es wird wohl bis zuletzt verhandelt werden.

Notstandshilfe

Auch die Grünen dürften am Donnerstag mit einem Antrag durchkommen. Bei der Notstandshilfe, die nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes gewährt wird, wird derzeit auch das Einkommen des Partners angerechnet. Das benachteiligt laut den Grünen vor allem Frauen, die dadurch oft gar keine Notstandshilfe erhalten würden. So würden arbeitslose Frauen auch in ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zur ihren Partnern geraten. Deshalb soll die Berücksichtigung des Partnereinkommens komplett gestrichen werden, was rund 20.000 Menschen betreffen würde. SPÖ und FPÖ dürften dem zustimmen, die ÖVP hat sich noch nicht festgelegt.

Unterstützung behinderter Menschen

Das sogenannte, von der SPÖ eingebrachte "Inklusionspaket" sieht eine Verdoppelung des des Budgets für die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung auf 90 Millionen Euro und eine jährliche Anpassung vor. Außerdem sollen ein Rechtsanspruch behinderter Menschen auf Unterlassung im Falle einer Belästigung und ein Klagsrecht des Behindertenanwaltes wie bei einer Verbandsklage fixiert werden. Anfang der Woche hatten Behindertenverbände diese Änderungen erst wieder dringend eingefordert. Sie dürften mit einer breiten Mehrheit beschlossen werden.