Nach Verzetnitsch-Rücktritt: Jetzt beginnt
sich das Posten-Karussell im ÖGB zu drehen

Hundstorfer kündigt raschen Nachfolge-Entscheid an Haberzettl und Bittner Favoriten für Präsidentenamt

Der ÖGB als größte Arbeitnehmerorganisation Österreichs dürfe nicht durch Interna-Diskussionen zum Stillstand kommen, meinte Hundstorfer: "Diese Kraft haben wir, dass wir sehr rasch diese Diskussion intern führen können." Neuerlich gab er keine Antwort darauf, ob er beim außerordentlichen Bundeskongress Ende Juni für die reguläre Verzetnitsch-Nachfolge kandidieren wird.

Auf eine rasche Fortsetzung der "konstruktiven Sacharbeit" und Zusammenarbeit der letzten Jahre drängte Leitl. Denn wenn sich der ÖGB in den nächsten Monaten mit internen Querelen beschäftigten sollte, könnte eine Schwächung der Sozialpartnerschaft eintreten, meinte er.

Verzetnitsch-Nachfolger soll in zwei Wochen feststehen
Der Verzetnitsch-Nachfolger soll schon in den nächsten 14 Tagen feststehen. "Wir wollen in den nächsten zwei Wochen den Wahlvorschlag vorlegen, der vom außerordentlichen Bundeskongress formal abgesegnet wird", sagt der interimistische ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer im "Kurier". "Die andauernden Personalspekulationen tun uns nicht gut."

Posten-Karussell dreht sich
Auf den Gewerkschaftsbund kommt nun eine wesentliche Frage zu - wählt man einen charismatischen Vorsitzenden einer Einzelgewerkschaft an die Spitze oder entscheidet man sich wie vor 19 Jahren im Fall Verzetnitsch auf einen Kompromisskandidaten ohne echte Hausmacht, mit dem alle leben können?

ÖGB-Präsident:
Favorit der ÖGB-Herzen ist Wilhelm Haberzettl. Der Chef der Eisenbahner-Gewerkschaft gilt trotz seiner bereits 51 Lenze als junger Hoffnungsträger. Er verfügt über eine Gewerkschaft mit hohem Organisationskraft, hat mit dem ÖBB-Streik Handlungsbereitschaft bewiesen und gilt als guter Rhetoriker und Taktiker. Außerdem ist Haberzettl im persönlichen Umgang charmant und trotz manch polternder Worte als Pragmatiker bekannt.

Ebenfalls weiter im Rennen ist der Vorsitzende der Drucker-Gewerkschaft, Franz Bittner (52). Durch die bereits beschlossene Fusion mit der GPA verliert er seinen Posten als Chef einer Einzel-Gewerkschaft. Zumindest Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse bleibt er - und im Fall einer SPÖ-Regierungsbeteiligung wird ihm ein Ministeramt prognostiziert. Auch Bittner gilt als guter Rhetoriker, der sich - für einen Gewerkschafter - bei Interna selten ein Blatt vor den Mund nimmt.

Außenseiter im Ränkespiel ist Rudolf Hundstorfer (54). Der Interimspräsident und Vorsitzende im Wiener Gemeinderat übernimmt auf ausdrücklichen Wunsch von Verzetnitsch interimistisch den Präsidenten-Posten. Hundstorfer gilt als ausgleichend und ist in der Gewerkschaft beliebt, wie sein Top-Ergebnis bei der Präsidiumswahl am letzten Gewerkschaftstag bewiesen hat. Allerdings halten ihn viele im ÖGB nicht für ein Zukunftssignal. Eine Kandidatur für den Präsidentenposten hat er vorerst nicht ausgeschlossen.

Wenige Chancen werden Wolfgang Katzian (49) eingeräumt. Der GPA-Chef gilt zwar als außerordentlich zielstrebig und fähig, hat aber viele Feinde, vor allem in der Metaller-Gewerkschaft. Immerhin wird Katzian durch den Verzetnitsch-Rückzug aus dem Parlament sein Wunsch nach einem Nationalratsmandat erfüllt.

Praktisch ausgeschlossen ist, dass der mächtigste Gewerkschafter, Metaller-Chef Rudolf Nürnberger (60), den Posten übernimmt. Ganz im Gegenteil wird darüber spekuliert, dass er nach der vollzogenen Fusion seiner Metaller mit der Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuss noch vor dem Sommer und damit ein Jahr früher als geplant freiwillig zumindest das Amt als Vorsitzender der sozialdemokratischen Gewerkschafter zurücklegt. Nürnberger gilt als amtsmüde, trotzdem ist es derzeit wahrscheinlicher, dass er noch bis zum ordentlichen ÖGB-Bundeskongress 2007 auf seine Pension wartet.

ÖGB-Finanzchef:
Wer Günter Weninger beerbt, ist nicht zu beneiden. Angesichts stetig sinkender Mitgliedsbeiträge und Bawag-Troubles steht der ÖGB finanziell nicht mehr so gut da wie in früheren Zeiten. Ein interner Reform-Prozess ist im Gange. Trotzdem ist der Job nicht uninteressant, ist er doch nach dem FSG-Chef und dem ÖGB-Präsidenten der drittwichtigste Posten im Gewerkschaftsbund.

Einer der logischen Favoriten auf diesen Job hat zuletzt einen Rückschlag erlitten. Rudolf Kaske (50), Chef der Tourismus-Gewerkschaft, ist Stellvertreter von Weninger im Aufsichtsrat der Bawag und wäre als solcher in der derzeitigen Situation wohl nicht das idealste Zeichen für den Posten des Finanzreferenten. Damit fällt er wohl auch als Kandidat für ÖGB-Präsidenten endgültig aus.

Als sehr chancenreich gilt hingegen ein anderer Aufsichtsrat der Bawag, Erich Foglar (50). Der ehrgeizige Metaller-Zentralsekretär ist Schützling von FSG-Chef Nürnberger und gilt als dessen potenzieller Nachfolger.

Aber auch die andere Groß-Gewerkschaft hat ein Eisen im Feuer. Dwora Stein (51), Bundesgeschäftsführerin der GPA, wird von den Privatangestellten ins Rennen geschickt. Stein ist zwar nicht überall geliebt, wäre aber als Frau in einem wichtigen Amt des männerdominierten ÖGB ein Zeichen nach außen.

Haberzettl: Frage "im Augenblick nicht relevant"
Der Chef der Eisenbahnergewerkschaft, Wilhelm Haberzettl, hält sich in der Nachfolgefrage für den zurückgetretenen ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch bedeckt. Im Gespräch mit der APA meinte Haberzettl auf die Frage, ob er neuer ÖGB-Präsident werden woll: "Diese Frage erhebt sich für mich nicht. Die Frage ist für mich im Augenblick nicht relevant. Ich verfolge amüsiert die Spekulationen in der Öffentlichkeit." Und hat er einen Wunschkandidaten? Haberzettl: "Auch an dieser Spekulation beteilige ich mich überhaupt nicht".

Ob die Frage der Relevanz des Themas sich bis zum Bundeskongress des ÖGB im Juni ändern könnte? Haberzettl: "Wissen Sie, was sich da alles ändern kann, zum Schluss lebe ich nicht mehr. Nein ernsthaft, ich möchte mich nicht an den Spekulationen beteiligen." (apa)