Nach Attentaten: "Verbitterungssyndrom" oftmals Grund für Anschläge auf Politiker

Gespräch mit Betroffenen laut Experten ratsam

Psychologisch gesprochen klingt das so: Entscheidungen, die in einer Gemeinde getroffen werden, drehen sich um Dinge oder Besitztümer, die der Mensch "als erweitertes Ich" erlebt, so Haller. Etwa: "Mein Grundstück gehört zu mir. Oder mein Weg gehört zu mir." Das treffe die Menschen viel tiefer als es etwa anonyme Steuern jemals könnten, erläuterte der Psychiater. Entsprechend nimmt man dem Gemeindepolitiker die Entscheidungen mehr krumm, als seinem Pendant in der Spitzenpolitik. "Ein Bundeskanzler ist eine anonyme Größe, der austauschbar ist, in der Gemeinde geht es dagegen Face to Face, der Bürger glaubt außerdem oft, dass der Ortschef sein Freund ist."

Bei den Attentätern oder anderen aggressiven Personen, handle es sich "um schwer verbitterte, gekränkte Menschen", so Haller, der von "Verbitterungsstörung bzw. Verbitterungssyndrom" spricht. Dies äußere sich bei manchen Menschen in Depressionen, Grübeleien bis zur Isolation, oder die Betroffenen verüben "Handlungen nach Außen": Dabei handle es sich meist um anonyme Delikte, "selten direkte, weil man sich doch nicht traut, jemandem von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu treten."

Auch Ursache für Amoklauf
Bei den Menschen mischten sich eine "tiefe persönliche Gekränktheit und die gleichzeitige Unfähigkeit, diese offen zu deklarieren". Das schwele lange vor sich hin, bis der oder die Betroffene explodiert: "In seltenen Fällen mündet das in einen Amoklauf."

Meist handelt es sich bei Menschen, die auf Gemeindepolitiker losgehen, um solche, von denen man im Ort immer schon gewusst hat, dass sie einmal so etwas anstellen würden, wie sich später herausstellt. Gerade mit solchen Leuten sollte man als Gemeindepolitiker das Gespräch suchen, rät Haller: "Das Problem ist halt auch, dass die Menschen sich oft nicht ernst genommen fühlen. Im persönlichen Gespräch erfahre ich auch immer etwas vom Standpunkt des Gegenüber." Gegen Aggressionen sei das das beste Mittel: "Einem anderen ins Gesicht zu schauen, heißt, ihn nicht töten zu können." (APA/red)