Wie man in schweren
Zeiten den Mut nicht verliert

Mitten in der Coronakrise bewegen wir uns zweifelsohne durch schwere Zeiten, ein Ende ist noch nicht absehbar. Wie ist das durchzuhalten? Prof. Uwe Böschemeyer erklärt, wie man sich auf so eine Zeit der Ungewissheit einstellen kann und den Mut nicht verliert. Ein Gastkommentar.

von Ratgeber - Wie man in schweren
Zeiten den Mut nicht verliert © Bild: iStockphoto.com/AdamRadosavljevic
Uwe Böschemeyer, geboren 1939, Bestsellerautor und Psychotherapeut, hat bei Viktor Frankl studiert, eine Dissertation über die Sinnfrage verfasst und mit dessen Zustimmung das erste deutsche Institut für Logotherapie gegründet. Er ist Rektor der Europäischen Akademie für Wertorientierte Persönlichkeitsbildung und Leiter des Instituts für Existenzanalyse und Logotherapie und in Salzburg. Außerdem tritt er immer wieder als Gast in verschiedenen Radio- und Fernsehsendungen auf. 2016 erhielt er die Ehrenprofessur durch das Department für Existenzielle Psychotherapie und Logotherapie des Universitätsinstituts für Psychoanalyse Moskau

Was sind denn „schwere Zeiten“? Darauf gibt es keine „objektive“ Antwort. Was schwere Zeiten sind, hängt von der Persönlichkeit eines Menschen ab: von der Dichte ihrer Angst oder ihrem Mut, sich mit ihr auseinanderzusetzen -, von ihren positiven oder negativen Erfahrungen im Umgang mit Krisen. Auch der Umgang mit der Pandemie wir bekanntlich sehr unterschiedlich wahrgenommen. Selbst die in dieser Zeit viel beschäftigten Politiker und Virologen sind unterschiedlicher Meinung, in welcher Weise das Coronavirus uns beeinflusst und beeinflussen wird. Sicher scheint mir, dass es keine Sicherheit gibt, wie diese Zeiten sich weiter entwickeln und wie die neuen aussehen werden.

Wie immer wir uns zu dieser unserer Zeit einstellen – viele, sehr viele Menschen haben Angst vor dem, was ist und was kommen könnte, lassen ihre Tage und Zeiten von Sorge überschatten, brauchen Mut zum Leben, und für sie schreibe ich die nächsten Zeilen.

Was ist Mut?

Mut zum Leben ist die Gefühlskraft, die wir brauchen, um das Leben in seiner Ambivalenz nicht nur aushalten, sondern auch gut finden, bejahen und uns selbst treu bleiben zu können. Mut zum Leben ist die Kraft, Leben, wie immer es auf uns zukommt, annehmen zu wollen und zu können.
Mut ist die im Grunde jedem gegebene Möglichkeit, sich durch die Angst „hindurch zu glauben“ und ihr so wenig Raum wie möglich zu überlassen. Mut ist der bewusst einseitige Blick auf die Möglichkeiten, die im Leben liegen. Mut ist keineswegs nur eine angeborene Eigenschaft, keineswegs nur das Ergebnis kluger Erziehung. Mut gehört zur geistigen Ausstattung eines Menschen. Zwar kann er unentwickelt, verdrängt, verleugnet sein, verloren geht er uns nicht, weil er tief in unserem Innern verwurzelt ist.

Mut finden angesichts des Coronavirus

Erstens: Die Pandemie dieser Tage hat niemand von uns „gemacht“, schon gar nicht gewollt. Sie ist da! Und weil sie da ist, stellt sie uns vor die Alternative: zu resignieren oder uns herausfordern zu lassen. Diese Entscheidungsfrage stellt sich jedem. Für Resignation sehe ich keinen Grund, denn das würde bedeuten, den kommenden Zeiten keine Chance zu geben. Niemand aber weiß, was die Zukunft bringen wird.

Zweitens: Viele Menschen dieser Zeit, so scheint mir, sind verwöhnt. Ist uns bewusst, was es bedeutet, dass das Netz der Kranken- und Sozialversorgung noch nie so dicht war wie heute? Ist uns bewusst, was es bedeutet, dass wir seit 75 Jahren keinen Krieg mehr haben? Ist uns bewusst, was es bedeutet, dass wir in Gesprächen nicht mehr flüstern müssen, sondern das, was wir mitteilen möchten, frei mehr heraus sagen können? Ich sehe in der gegenwärtigen Zeit Chancen, dass wir herausgefordert sind, die besten Kräfte in uns abzurufen. Und wenn man keine dazu Lust hat, sich auf stattliche und medizinisch verordnete Verhaltensregeln einzulassen? Wenn man auf das Leben, so wie es war, nicht verzichten will? Wenn man es zu anstrengend findet, sich auf die Zumutungen, die uns die Pandemie zumutet, einzustellen? Dann gleicht „man“ einem Kranken, dem man die beste Medizin anbietet - und sie nicht nimmt.

Auch interessant: Du bist viel mehr: Wie wir werden, was wir sein könnten*

Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Links sind sogenannte Affiliate-Links. Wenn Sie auf einen Affiliate-Link klicken und über diesen Link einkaufen, bekommen wir von dem betreffenden Online-Shop oder Anbieter eine Provision. Für Sie verändert sich der Preis nicht.

Drittens: Als inzwischen sehr alt gewordener Psychotherapeut habe ich die Erfahrung gemacht, dass der viel zu leicht dahin gesagte Satz „Die Hoffnung stirbst zuletzt“ so wahr ist wie der Klimawandel in unserer Zeit – vorausgesetzt, wir richten uns auf die Hoffnung aus! Nicht illusionär oder schwärmerisch, sondern mit einer Mischung aus Nüchternheit, Zuversicht, Heiterkeit und Mut. Gibt es denn für Hoffnung tatsächlich einen Grund, auch in dieser Zeit? Aber gewiss! So wichtig es ist, sich auf die Bedrohung durch das Coronavirus mit allen Konsequenzen einzustellen, so wichtig ist es, das Angenehme, Schöne, nach wie vor Attraktive, das Wert- und Sinnvolle in diesen Tagen zu sehen, zu erkennen, wahrzunehmen und die Freude darüber zuzulassen. Denn Freude ist neben der Hoffnung eine bedeutende Lebenskraft.

Viertens: Ich habe eine kleine „Kur“entwickelt, die erprobt ist und uns behilflich sein kann, mehr Mut zum Leben zu entwickeln: Nehmen Sie sich an jedem Morgen ca. 20 Minuten Zeit. Schließen Sie die Augen, schauen Sie sich an, wie es ganz von selbst in Ihnen atmet, und stellen Sie sich 30 Tage auf jeweils einen neuen Satz zum Thema Mut ein:

  • Tag 1: Ich werde nach den Möglichkeiten des heutigen Tages Ausschau halten.
  • Tag 2: Ich werde danach fragen, was mir heute besonders wichtig ist.
  • Tag 3: Ich werde nicht resignieren.
  • Tag 4 : Ich werde die Hoffnung nie aufgeben.
  • Tag 5 : Mut ist eine Eigenschaft, die jedem Mensch eigen ist. Auch mir.
  • Tag 6 : Was wäre, wenn ich mutiger wäre?
  • Tag 7 : Der Mut meiner Träume wird zum Mut meiner Tage.
  • Tag 8 : Ab heute werde ich wieder die grünen Wiesen der Freude suchen.
  • Tag 9 : Ich werde wieder Stunden der Besinnung suchen.
  • Tag 10 : Mehr als bisher werde ich das Gute im Leben suchen.
  • Tag 11 : Ich werde auch einmal nach meiner Feigheit fragen.
  • Tag 12 : Ich werde mich nicht mehr ständig absichern.
  • Tag 13 : Ich widerstehe der Sorge.
  • Tag 14 : Ich werde mehr wagen.
  • Tag 15 : Ich sage „ja“ zum Leben.
  • Tag 16 : Wenigstens einmal werde ich heute Stehvermögen zeigen.
  • Tag 17 : Ich werde häufiger danach fragen, was wichtig ist und was nicht.
  • Tag 18 : Wie denke ich jetzt – pro oder contra Leben?
  • Tag 19 : Ich gebe dem Leben heute eine Chance, und nicht nur eine.
  • Tag 20 : Ich vertraue dem Leben, komme, was da wolle.
  • Tag 21 : Ich denke und fühle mich ein in das, was ich heute will.
  • Tag 22 : Ich achte mehr vor allem darauf, was ein Mensch aus sich gemacht hat.
  • Tag 23 : Ich werde mich mit niemandem vergleichen.
  • Tag 24 : Als Erwachsener bin nur ich für mein Leben verantwortlich.
  • Tag 25 : Ich werde so wenig wie möglich ausweichen.
  • Tag 26 : „Das“ kann ich wohl!
  • Tag 27 : Ich suche die Freiheit in mir.
  • Tag 28 : Ich werde nicht gleich verzagen
  • Tag 29 : Ist mir bewusst, dass in meiner Tiefe der Grund zum Mut liegt?
  • Tag 30 : Ich kann heute neu beginnen!

Jeder Tag ist ein kleines Stück Leben. Jeder Tag gleicht einer unberührten Straße Schnee. Am Anfang eines Tages bin noch nicht ausgewichen. Am Anfang eines neues Tages wartet der Mut darauf, dass ich ihn ins Leben rufe. Heute am Morgen wartet meine Seele darauf, dass ich sie nicht enttäusche. Heute ist Zeit, das Beste aus mir heraus zu leben.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. News.at macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.