Der Blick von der Bühne

Massen im Gatsch, Alkoholexzesse und Groupie-Schwärme in den Luxusgarderoben. So weit das Klischee von Festivals. Aber was halten Musiker tatsächlich davon, als eine Band von vielen ein Festival zu bespielen? Wir haben Wanda, Pizzera & Jaus und Seiler und Speer gefragt

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Musik - Der Blick von der Bühne

Beim Donauinselfest begeisterten Wanda und Pizzera & Jaus. Seiler und Speer wurden beim Nova Rock bejubelt. Österreichs erfolgreichste Bands wissen, wovon sie erzählen, wenn von Musikfestivals die Rede ist. Sie haben den Applaus erlebt, die Begeisterung der Fans, die jedes Lied mitsingen, und das Gefühl, Tausende mit einem Fingerwink dirigieren zu können. Viele Fans vor der Bühne träumen indes davon, einmal mittels Backstagepass im Allerheiligsten hinter der Bühne das vermeintliche Luxusleben der Stars teilen zu dürfen.

Was auf den ersten Blick wirkt wie der magische Moment für jeden Musiker, verliert etwas vom Zauber, wenn man genauer hinblickt. Es gibt namhafte Künstler, die einem Auftritt als eine Band unter vielen gar nichts abgewinnen können. Vor Fans, die vielleicht gar nicht wegen ihnen gekommen sind. Auf einer von vielen Bühnen. An einem Ort, der meistens weit weg von den Annehmlichkeiten einer Großstadt als Zeltlager ausgestattet wurde. Und mit einem Backstagebereich als Rückzugsort, der von der lokalen Prominenz als Partyzone missbraucht wird.

"Ich hasse Festivals, ich kann mit dem ganzen Hippie-Getue, das dort veranstaltet wird, nichts anfangen", sagte etwa Charli Watt von den Rolling Stones. Trotzdem war die Band Headliner beim legendären Glastonbury. Über ebendieses Festival schimpfte Liam Gallagher von Oasis: "Es ist wie die Bond Street, nur mit viel Gatsch und Prominenten in Gummistiefeln, die sich wichtig machen. Ich spiele nie wieder dort. Es ist ein Albtraum!" Ähnlich sieht es Adele, die kundtat, nicht einmal wenn man sie mit dem Helikopter einfliegen würde, einen Festivalauftritt in Erwägung zu ziehen. Und die Kings of Leon ärgerten sich nach ihrem Konzert in Reading darüber, dass ihnen vom Publikum nicht genug Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde: "Zehn Prozent hören auf die Musik, der Rest ist betrunken oder nur darauf konzentriert, Mädchen abzuschleppen."

Sehen die österreichischen Schwergewichte im Festivalzirkus das ähnlich? Gleich vorweg: Ihr Urteil fällt dann doch etwas milder aus.

WANDA

Welcher Festivalauftritt ist Ihnen am besten in Erinnerung geblieben und warum?
Wir spielen überall mit demselben Gefühl. Es ist immer ein erhebendes Gefühl, mit Zigtausenden Menschen an einem Ort zu sein und einfach zu sehen, was passiert. Ich könnte so viele Festivals nennen, wir haben beinahe jedes gespielt, das es im deutschsprachigen Raum gibt.

Was ist das Spezielle an Festivalauftritten?
Meine Güte, wie stellt man sich das vor? Es ist "speziell", das tun zu dürfen, was wir tun. Es ist ein gewaltiges Geschenk, und wir haben es nicht verdient, und ich schäme mich dafür und wache jeden Morgen fassungslos und dankbar auf.

Naturgemäß trifft man auf Festivals viele andere Bands. Ist das immer angenehm?
Die Sechzigerjahre sind vorbei. Sehr schade. Kommen Sie mal vorbei. Mir ist immer langweilig, ich bin intelligenter und einfühlsamer als alle anderen. Zu den Netten ist man nett, und die Langweiligen grüßt man aus der Ferne.

»Zu den Netten ist man nett, und die Langweiligen grüßt man aus der Ferne«

Entstehen backstage auch Freundschaften? Gibt es ein Idol, das Sie getroffen haben?
Wir haben schon unsere befreundeten Künstler. Aber ich werde niemanden diskreditieren, denn die Frage ist: Sind wir ein guter Umgang?

Mischen Sie sich auf Festivals auch mal unters Volk?
Immer. Wir sind hungrig nach fremden Menschen.

Was tut man, wenn keiner zuhört, weil alle nur auf den Headliner warten?
Sie wissen schon, dass wir Wanda sind?

Räudige Backstagebereiche, dafür haufenweise Groupies und Alkohol - welche Festivalklischees stimmen eigentlich?
Ich spiele Konzerte für Menschen. Von diesen halte ich viel, und ich mache es gerne für sie. Die 20 verschissenen Jahre nehme ich gerne in Kauf.

Wie bleibt man bis zum Auftritt nüchtern?
Ein guter Dichter trinkt, um inspiriert zu sein, nicht um sein Leben zu verspielen.

Was würden Sie gerne an Festivalauftritten ändern?
Sie sollten wieder Ende der Sechzigerjahre stattfinden. Handys müsste man am Eingang abgeben. Und man sollte die Menschen nicht wie zahlendes Vieh einzäunen und ausbeuten.

Wie hart sind die Verhandlungen um die Platzierung im Line-up?
Ich bin ein Star und habe eine Managerin.

An welcher Stelle eines Line-ups müssen Sie spielen, um zuzusagen?
Mir egal. Ich liebe meine Arbeit.

Auf welchem Festival wären Sie gerne Headliner?
Am Donauinselfest. Ach ja, da waren wir ja schon Headliner. Lustig.

Und für wen würden Sie auch als Vorband spielen und warum?
Für Cristiano Ronaldo und nur für ihn.

Wie kann man als Festivalbesucher Ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen?
Gar nicht. Ich sehe alles.

Für Backstagepässe würden Festivalbesucher viel geben. Was würden Fans sehen, wenn sie einen bekämen und hinter die Bühne dürften?
Mich nicht.

PIZZERA & JAUS

Welcher Festivalbesuch ist Ihnen am besten in Erinnerung geblieben und warum?
Der erste Festivalbesuch bleibt einem natürlich immer in Erinnerung. Wobei, eigentlich nicht: Alkohol und Schlafentzug sind nicht wirklich erinnerungsfördernd.

Was ist das Spezielle an Festivalauftritten?
Wir haben bisher keine Konzerte, sondern Musikkabarettabende gespielt. Deshalb ist für uns ein Festival Neuland, weil der Wortanteil sehr reduziert ist.

An welcher Stelle eines Line-ups müssen Sie spielen, um zuzusagen?
Um das zu Erfahren, müsst ihr euch eigentlich nur das Lineup vom Donauinselfest ansehen.

Auf welchem Festival wären Sie gerne Headliner?
Burning Man.

Wie kann man als Festivalbesucher Ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen?
Durch die Scheinwerfer sehen wir das Publikum eigentlich nicht. Aber ein Fünf-mal-zehn-Meter-Banner mit Pizzera & Jaus ist sicher nicht verkehrt.

Für Backstagepässe würden Festivalbesucher viel geben. Was würden Fans sehen, wenn sie einen bekämen und hinter die Bühne dürften?
Eigentlich wollen wir ja keine Illusionen zerstören, aber okay, euch verraten wir es exklusiv: Je näher der Auftritt rückt, desto nervöser tigern wir rauchend auf und ab.

SEILER UND SPEER

Was ist das Spezielle an Festivalauftritten?
Wir spielen gerne Festivals, weil das Publikum nicht wegen dir da ist und du es dir noch erspielen musst. Das ist spannend. Beim Nova Rock war es natürlich nicht so, das war einfach nur ein Fest.

Sind Sie früher selbst oft auf Festivals gegangen?
Nein, nie. Ich bin ja am Land aufgewachsen, dort gibt's so was nicht. Mein Horizont war bis zum nächsten Zeltfest. Außerdem reizt mich die Erfahrung nicht wirklich. Nach zwei Tagen Nova Rock ist es eigentlich auch wieder mal gut für eine Zeit. Ich bin da eher spießig. Die Stimmung ist natürlich großartig, aber für Menschenmassen und vier Tage im Zelt ohne Dusche muss man geboren sein. Aus dem Alter bin ich heraußen.

»Für Menschenmassen und vier Tage im Zelt ohne Dusche muss man geboren sein«

Für Backstagepässe würden Festivalbesucher viel geben. Was würden sie denn sehen, wenn sie einen bekämen und hinter die Bühne dürften?
Das ist gar nicht so aufregend, wie man immer glaubt. Man sieht viele angespannte, nervöse Gesichter. Das sind die, die den Auftritt noch vor sich haben. Oder viele befreite, besoffene Gesichter bei denen, die schon aufgetreten sind.

Wie kann man als Festivalbesucher Ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen?
Plakate freuen uns immer. Wir haben auch öfter gesehen, dass sich Frauen entblößt haben. Interessant, wie manche Menschen ihre Freude ausdrücken.

Dieser Artikel ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 28/2018 erschienen.