Mückstein: "Im Juni gibt es mehr Dosen als Impfwillige"

Der grüne Neo-Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein geht davon aus aus, dass sich spätestens Mitte bis Ende Juni die Situation dreht und dann ausreichend Vakzin für alle Menschen vorhanden sein wird.

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Corona - Mückstein: "Im Juni gibt es mehr Dosen als Impfwillige" © Bild: Ricardo Herrgott

Herr Minister, derzeit wird in verschiedenen Bundesländern zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten geimpft -mit bis zu acht Wochen Unterschied. Ist das sinnvoll?
Wir sind jetzt am Ende von Phase 2 und beginnen spätestens Mitte Mai mit Phase 3. Wobei die Impfgeschwindigkeit in den Bundesländern unterschiedlich ist. Es gibt grundsätzlich ein Bundeskontingent, das wir selber verwalten. Das ist beim betrieblichen Impfen für große, österreichweit tätige Firmen wie Post, ÖBB oder Rewe. Der viel größere Teil wird aber nach einem Verteilungsschlüssel an die Bundesländer verteilt. Die entscheiden dann, wie sie die Impfungen an die Bevölkerung bringen. Die betrieblichen Impfungen sind an sich ab Mitte Mai möglich. Wien impft jetzt schon betriebliche Schlüsselkräfte. Niederösterreich hat sehr langfristige Impftermine vergeben. Es ist auch gut so, dass die Länder, je nachdem, wie weit sie sind, unterschiedliche Gruppen impfen.

Aber für viele Bürger ist das sehr verwirrend und unübersichtlich. Wäre es nicht besser gewesen, das zentral zu steuern, damit mehr Planbarkeit für alle da ist?
Es gibt ja einen vorgegebenen Impfplan, den wir alle kennen, da geht es um Alter und Vorerkrankungen.

Der wird aber sehr frei interpretiert ...
Daran muss sich jeder halten. In Phase 3 wird ergänzt durch die betrieblichen Impfungen, innerhalb derer wiederum nach Alter und Vorerkrankung priorisiert wird. Die Entscheidung darüber, wer dann geimpft wird, trifft das Land.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Impffortschritt insgesamt? Es gibt ja augenscheinlich Verbesserungsbedarf.
Ich schau nach vor und nicht zurück. Mir ist wichtig, dass viel getestet und geimpft wird und dass sich die Menschen so lange wie nötig an die Regeln halten. Mit den letzten 14 Tagen (seit er im Amt ist, Anm.), die ich überblicken kann, bin ich jedenfalls zufrieden.

Welche Betriebe werden nun mit dem Bundeskontingent beschickt?
Nur die 20 ganz Großen, da können wir am 17. Mai beginnen. Bei Betrieben unter 50 Mitarbeitern müssen die Leute jedenfalls in Impfstraßen. Bei jenen mit 200 bis 300 Mitarbeitern bekommt das Land das Impfkontingent und entscheidet, in welcher Reihenfolge es diese Firmen impft - allerdings auch nach einer Priorisierung.

Der Impfstoff liegt bereit?
Wir bekommen jetzt, Gott sei Dank, sehr viel Impfstoff. Letzte Woche waren es 650.000 Dosen, jetzt folgen jede Woche bis in den Juni hinein 500.000 Dosen, dann 700.000 bis 800.000.

Was bringt das betriebliche Impfen eigentlich genau?
Das Interesse der Firmen ist hier sehr groß. Man muss dazu sagen, wir hätten ohne diese Million Pfizer und die 200.000 Dosen über das EU-Kontingent im Mai Probleme gehabt, das betriebliche Impfen zu starten. Und jetzt dreht sich das Verhältnis ungefähr ein Monat früher: Für den Juni rechne ich damit, dass es mehr Impfdosen gibt, als wir Impfwillige haben, und wir werden dringend Leute brauchen, die sich impfen lassen. Das Impfen in den Betrieben vor Ort kann uns hier helfen, mehr Leute zu erreichen. Dann werden sicher einige von einem "Verteilungskampf" sprechen, den müssen wir vor diesem Hintergrund sehen. Es wird die Frage geben, warum ein 64-Jähriger, der zwei Monate auf den Impfstoff wartet, erst nach dem 20-jährigen ÖBB-Mitarbeiter geimpft wird. Solche Fälle wird es geben. Aber das muss man jetzt aushalten, denn schon im Juni wird jeder, der sich impfen lassen möchte, den ersten Stich auch bekommen. Wir müssen dann versuchen, die Menschen zu motivieren, sich impfen zu lassen. Natürlich sind die Regeln einzuhalten: Es wird nach Alter und Vorerkrankungen priorisiert, aber auch das Expositionsrisiko spielt jetzt eine immer größere Rolle. Ich plädiere dafür, zu sagen: Am Ende zählt jeder Stich mehr.

Bis wann wird es die Impfanmeldung für alle geben?
Niederösterreich ist da vorgeprescht. Mitte/Ende Juni wird das wohl für ganz Österreich möglich sein.

Wie wollen Sie die Leute, die skeptisch sind, überzeugen?
Durch konsequente Überzeugungsarbeit. Man muss ihnen erklären, welche Vorteile sie durch die Impfung haben. Ich bin dafür, dass im Rahmen des "Grünen Passes", den wir jetzt in drei Phasen starten, Geimpfte und Genesene keine Eintrittstests mehr brauchen. Das ist ein Vorteil. Warum soll man Personen, die potenziell keine Überträger mehr sind, testen? Wenn die Möglichkeit besteht, sich impfen zu lassen, finde ich es gerechtfertigt, dass man diese Einschränkung nicht hat. Dazu gibt es auch eine klare Stellungnahme vom deutschen Ethikrat und der österreichischen Bioethikkommission.

Apropos "Grüner Pass": Haben Sie Sorge, dass manche sich den Zweitstich nicht holen, wenn der erste als Nachweis reicht?
Das funktioniert nur eine Zeitlang. Der erste Stich mit einem mRNA-Impfstoff wird einige Wochen im "Grünen Pass" gültig sein, dann muss man sich den zweiten Stich holen, sonst wird das grüne Hakerl zu einem roten X. Ab 19. Mai gelten zudem Tests und im letzten halben Jahr überstandene Infektionen als Nachweis für den Zutritt. Ab 4.6. wird es dann den QR-Code geben -rund drei Wochen früher als auf EU-Ebene, wo der "Grüne Pass" ab 26.6. kommen soll. Es werden aber auch die analogen Nachweise wie der gelbe Impfpass weiter gelten, die Sozialversicherung arbeitet an einer Lösung mit der e-Card.

Noch einmal zurück zum Verteilungskampf. Es gibt viel Verärgerung, weil Jüngere vor Älteren drankommen. Viele kennen sich nicht aus, manche schwindeln sich vor. Verstehen Sie den Ärger? Und wie erklären Sie sich die Situation?
Ich kann die Verärgerung schon nachvollziehen, weil Menschen seit Monaten auf ihre Impfung warten, immer wieder Termine genannt wurden, die dann verschoben worden sind, die Impfkontingente ausgefallen sind, Impftermine abgesagt wurden und solche Dinge. Nach einer Weile ist man frustriert, das verstehe ich. Jetzt haben wir Anfang Mai, und wir wissen, dass in sechs, sieben oder acht Wochen jeder Mensch in Österreich, der will, den ersten Stich haben kann. Wir wissen, dass der Impfstoff für die Zwölf-bis 16-Jährigen in Begutachtung ist. Wir erwarten spätestens im August, September, dass über Zwölfjährige geimpft werden können, wahrscheinlich früher. Das sind gute Nachrichten.

Wird der Impfstoff für Kinder bestellt?
Ja. Die EU hat 1,8 Milliarden Dosen bei Pfizer bestellt, der Kanzler und ich haben mit Pfizer gesprochen. Es gibt noch offene Fragen, etwa, inwieweit es schon Anpassungen zu den Varianten geben wird. Die Hersteller warten jetzt auf Empfehlung, welche Virusstämme in dem neuen Impfstoff enthalten sein sollen. Aber das kann schnell gehen. Das ist die nächste gute Neuigkeit, weil wir dann die Schulkinder ab zwölf spätestens im Verlauf des Herbst impfen können.

Wird man im Herbst ohnehin nicht weiter impfen müssen, also Drittstiche setzen?
Genau darauf bereiten wir uns vor. Und da hoffen wir natürlich auf den neuen Impfstoff und die Empfehlung der EMA. Vielleicht gibt es ja auch unterschiedliche Stämme für unterschiedliche Regionen auf der Welt, das wird man sehen.

Ist die Pandemie schon vorbei? Wenn nein, in welchem Stadium befinden wird uns derzeit?
Die Pandemie ist sicher noch nicht vorbei. Wir befinden uns am absteigenden Ast der dritten Welle. Jetzt sind wir in einer neuen Situation, weil ausreichend Impfstoff vorhanden ist. Und wir hoffen, dass sich bis Ende Juni alle Erwachsenen und danach möglichst alle Zwölf-bis 16-jährigen Kinder und Jugendliche impfen lassen. Ende Juni werden an die fünf Millionen Menschen geimpft sein. Dann kommen die Genesenen dazu, und unser Problem wird hoffentlich immer kleiner.

Können Sie dennoch eine vierte Welle ausschließen?
Ich kann gar nichts ausschließen -mit dem Impfen wird es sicher nicht vorbei sein. Wir werden jedenfalls manche Gruppe auffrischen müssen, das scheint fix. Und das wird ein bis zwei Jahre so bleiben.

Das Interview erschien ursprünglich im News 18/2021.